Emotionales Lichterkonzert im Hohen Dom zu Fulda
05.01.25 - Zum Ende des Lichterkonzerts im Hohen Dom zu Fulda sangen Chor und Konzertbesucher gemeinsam die dritte Strophe von "Es ist ein Ros entsprungen". Damit endete das wohl emotionalste Konzert der Chöre am Dom im Jahreslauf.
Schon lange vor Öffnung des Doms hatten sich draußen vor beiden Eingängen lange Schlangen gebildet. "So gefüllt wie heute ist der Dom das ganze Jahr über nicht", befand auch Bischof Dr. Michael Gerber in seiner Begrüßung.
"Licht und Dunkelheit, das passe zu Weihnachten" "Ich freue mich, dass sich so viele ansprechen lassen vom Programm des Konzerts und der Atmosphäre hier im Dom." In den Farben der Weihnacht – rot, grün und gold – waren im Dom Hunderte flackernde Lichter aufgestellt worden – wie viele Helfer/innen waren wohl nötig, um sie alle rechtzeitig zu entzünden? Licht und Dunkelheit, das passe zu Weihnachten, so der Bischof, es passe aber auch zu diesen Tagen, in denen wir von Kiew bis Magdeburg und Gaza so viele von Dunkelheit geprägten Nachrichten hören. Die Lieder, die gleich erklingen würden, legten Zeugnis ab von Menschen, die tiefe Dunkelheit erlitten hätten und doch die Botschaft von Weihnachten erfuhren. Vom Licht gehe Kraft aus, auch wenn Dunkelheit und Schmerz blieben.
Dieses Licht haben wir im Dezember ausgiebig gefeiert – im Glitzerglanz der Weihnachtsmärkte, den festlich geschmückten Straßen und Häusern, und natürlich den beiden Licht-Festen des Monats: Weihnachten, und Chanukka – die in diesem Jahr zusammenfielen. Die Botschaft des Lichts ist im christlichen wie im jüdischen Glauben gleich: Du selbst musst ein Licht anzünden, damit die Dunkelheit vertrieben wird. Du musst zum Licht werden, um auch andere zu entzünden. Ein Gedanke, den man sich in Zeiten, da Dauer-Jammern bei vielen zum guten Ton zu gehören scheint, gar nicht oft genug sagen kann.
Von Engeln, Hirten und Tannenbäumen
Für die richtige Weihnachtsstimmung ist die Musik unentbehrlich. Ich rede nicht vom Gedudel, mit dem man mancherorts malträtiert wird, und auch nicht von Liedern wie "Last Christmas" oder "All I want for Christmas is you", die man ob ihrer Allgegenwärtigkeit kaum noch ertragen kann. Was ein bisschen ungerecht ist, denn es sind gute Lieder. Nein, ich rede von den Weihnachtsliedern, die man zu Hause oder in der Kirche singt und mit denen man aufgewachsen ist.Weihnachtslieder sind wahre Stimmungsaufheller, es wird ein bisschen heller und wärmer, wenn sie erklingen. Die Lieder rühren uns in der Tiefe an. Einen ähnlichen Zauber hat für uns heutige Kerzenlicht – es schafft eine ganz andere Atmosphäre und Stimmung als Glühbirnen und LEDs. Der sonst in kalter barocker Pracht strahlende Dom wirkt im Kerzenlicht intimer, näher an uns Menschen.
Das ‚Personal‘ von Weihnachtsliedern ist quasi gesetzt: Krippe und Stall, Maria und Josef, Jesuskind und Windeln, Ochs und Esel, Hirten und Schafe, Schnee und Tannenbäume, Engel, Sterne, Kinder, Glöckchen und Kerzen. Es wird gejubelt und frohlockt, dass es eine Pracht ist. Weihnachtslieder zielen mitten ins Herz. Erinnerungen werden wach, Erwartungen werden geschürt, und wir lassen uns nur zu gern mitnehmen in diese ‚schönste Zeit des Jahres‘.
Damit ein Weihnachtslied ‚funktioniert‘, muss seine Melodie einfach sein, die Noten müssen nah beieinander liegen, die Melodie muss wie ein Volkslied einfach zu singen und gut zu merken sein. So gut wie alle Weihnachtslieder sind in Dur geschrieben, weil wir in unserem Kulturkreis Dur mit festlich und feierlich gleichsetzen, moll hingegen mit melancholisch und verhangen. Und: Weihnachtslieder sind kurz, die meisten haben nur drei Strophen.
Das Licht im Dunkeln
Weihnachten und das Licht – in diesem Konzert verschmelzen sie zu einer Einheit. Der hohen Qualität des JugendKathedralChors und seines kongenialen Leiters, Domkapellmeister Franz-Peter Huber, ist es zu verdanken, dass dies zwar ein hoch-emotionales, aber nie kitschiges Konzert war. Die Abmischung des Programms mit Weihnachtslied-Klassikern, modernen Liedern, lateinischen Gesängen und immer wieder Orgelstücken sorgte für die notwendige intellektuelle und spirituelle Aufladung. Wolfgang Runkel und Sascha André Heberling spielen die Chororgel und die große Orgel und boten so unterschiedliche Werke wie den ersten Satz aus Bachs "Concerto in a-moll, BWV 593, Gunther Martin Göttsches moderne Variation über "Maria durch ein Dornwald ging" oder die beiden aus dem 19. Jahrhundert stammenden Orgelwerke "Rhapsodie sur de noels" (Eugène Gigout) und "Offertoire sur deux noels" (Alexandre Guilmant) dar. Wenn die Orgel erklinge, würden die Kräfte des Kosmos geweckt, hat der emeritierte Papst Benedikt XVI. einmal gesagt und damit die transzendente Dimension der Orgel beschrieben. Das war auch in diesem Konzert spürbar.
Süßliche Weihnachtslieder erklangen im Dom nicht, dafür solche, die auch zum Nachsinnen anregen. "Ich steh‘ an Deiner Krippen hier" (Johann Sebastian Bach / Paul Gerhardt) und "In the bleak midwinter" (Gustav Holst / Christina Rossetti) sprechen von Schmerz, Leid, Kälte und Dunkelheit. "Adeste Fidelis" und "Maria durch ein‘ Dornwald ging" thematisieren das ‚Unmögliche‘ von Weihnachten: Gott wird Mensch, und zwar in seiner hilflosesten Form. Er kommt nicht als Superheld, sondern als Neugeborenes. Bedeutende Komponisten des 16. Jahrhunderts wie der Spanier Tómas Luis de Victoria oder der Italiener Luca Marenzio fehlten in diesem Konzert genauso wenig wie der für seine Weihnachtslieder bekannte und als Chorleiter legendäre John Rutter oder Michael Praetorius, ohne den Weihnachten gar nicht denkbar ist, so viele großartige Weihnachtslieder stammen von ihm.
Am Ende des Konzerts gab es standing ovations für den JugendKathedralchor, die beiden Organisten und Domkapellmeister Franz-Peter Huber. Was für ein wunderbarer Abend, was für ein schöner Start in dieses neue Jahr 2025. (Jutta Hamberger)+++