Das Amtsgericht in Bad Hersfeld - Foto: Hans-Hubertus Braune

BAD HERSFELD Depression, Corona, Drogen

Frau gesteht 150-fachen Diebstahl: Vom Glücksgefühl, nicht erwischt zu werden

08.01.25 - "Ich habe keine Ahnung, was mich damals geritten hat. Es tut mir leid", sagt eine 35-jährige Frau als sie am Dienstagvormittag auf der Anklagebank vor dem Schöffengericht in Bad Hersfeld sitzt. Sie hat zuvor über ihren Rechtsbeistand Hans J. Hauschild zugegeben, dass sie in rund 150 Fällen Waren bei ihrem damaligen Arbeitgeber geklaut habe. Der Gesamtwert wurde mit 28.000 Euro bewertet.

Die Taten haben sich im Zeitraum zwischen Juni 2019 und dem 24. August 2020 ereignet. Damals arbeitete sie bei einem Versandhändler in Bad Hersfeld. Hauschild schildert die Hintergründe. Damals habe seine Mandantin 50 Kilogramm mehr gewogen, war also stark übergewichtig, habe täglich zahlreiche Medikamente geschluckt, war krank und depressiv. Sie war ganz offensichtlich vollkommen unzufrieden mit ihrer Situation.

In dieser Situation fängt sie an, Waren mitgehen zu lassen. Die Gegenstände habe sie unter ihrer Kleidung versteckt und so mit nach draußen gebracht. Anschließend hat die Angeklagte die gestohlenen Gegenstände zu Hause aufbewahrt. Sie habe die Waren nicht selbst genutzt und nicht verkauft. Nicht erwischt worden zu sein, das hat offenbar bei der Frau Glücksgefühle ausgelöst. Als die Sache dann doch aufflog, wurden die Gegenstände von der Polizei bei ihr gefunden. Ihren Job war sie los und fiel in ein seelisches Loch.

Weg mit Medikamenten, Drogen und Körpergewicht

Als sie sich mit dem Coronavirus infizierte, ging es ihr eine Woche richtig schlecht, da habe sie keine Medikamente genommen und gemerkt, es gehe ja auch einigermaßen ohne diese Tabletten. Sie kommt von den Medikamenten weg und verliert zudem jede Menge Gewicht. Auch der Drogenkonsum sei kein Thema mehr. Die Frau macht ganz offensichtlich eine Kehrtwende in ihrem Leben. Das sieht auch ein Gutachten so.

Heute macht sie einen fitten, einen körperlich guten Eindruck. Sie habe ihr Leben aufgearbeitet. Und arbeitet inzwischen seit einiger Zeit bei einem anderen Versandhändler. Das Gericht bescheinigt ihr eine "Top-Entwicklung", wie Richterin Silvia Reidt sagte. Doch im Raum stehen natürlich die Taten. Es ist aber kein klassischer Fall.

Schwerer, oder einfacher Diebstahl?

Auch Staatsanwältin Franziska Kraus erkannte den Wandel der Frau an. Nach Abwägung der Umstände forderte sie in ihrem Plädoyer eine neunmonatige Freiheitsstrafe auf Bewährung, welche auf drei Jahre angesetzt werden solle. Dazu solle sie 1.000 Euro zahlen. Es handele sich um einen besonders schweren Diebstahl, sie habe gewerbsmäßig gehandelt. Das wollte Rechtsanwalt Hauschild so nicht bewerten. Die Gewerbsmäßigkeit liege nicht vor, seine Mandantin habe gestohlen, "um sich besser zu fühlen". Es handele sich um einfachen Diebstahl - und zwar 150-fach. Er plädierte für eine Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen.

Letztlich entschied das Gericht: Die Frau werde zu einer Strafe von sechs Monaten auf zweijährige Bewährung wegen einfachen Diebstahls verurteilt. Zudem müsse sie 1.000 Euro in Raten an die gemeinnützige Organisation "Frauen helfen Frauen" zahlen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der Rechtsbeistand der Frau wolle sich erst mit seiner Mandantin besprechen. (Hans-Hubertus Braune) +++


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