

Goldener Boden, keine Nachfolger: Drittel der Handwerksbetriebe zur Übergabe
06.02.25 - Das Handwerk hat ein Nachfolgeproblem: Allein im Landkreis Fulda wird in mehr als einem Drittel der Betriebe im nächsten Jahrzehnt die Übergabe anstehen. Viele finden aber niemanden, der das Lebenswerk fortführen will. Auf Internetbörsen sollen Inhaber und Existenzgründer deshalb zusammenfinden.
Alexander Schleicher steht auf dem frostbedeckten Hof seines Betriebs im kleinen Dörfchen Finkenhain im Landkreis Fulda. 15 Mitarbeiter sind unterwegs, die Auftragsbücher gut gefüllt. Und doch: "Es ist sehr schwierig geworden, qualifizierte Mitarbeiter und Auszubildende zu finden. Wir haben die letzten fünf Jahre einen regelrechten Bauboom, nicht zuletzt durch die Zinssituation - aber ohne genügend Mitarbeiter können die Aufträge erst gar nicht abgearbeitet werden." 15 Mitarbeiter hat Schleicher zudem in den letzten zehn Jahren verloren, aus unterschiedlichen Gründen: "Auf dem Bau hat man keine geregelten Arbeitszeiten, man ist bei Wind und Wetter draußen. Ab einem gewissen Alter steckt man die körperliche Arbeit nicht mehr so weg. Die arbeiten als Staplerfahrer und verdienen genau dasselbe."
Idealfall Familiennachfolge
Innenputz-, Außenputz-, Maler- und Tapezierarbeiten, Trockenbau und Gerüstbau, fugenlose Bädergestaltung, Wärmedämmung, Altbausanierung: Das Leistungsportfolio von Schleicher ist groß, die Kunden in ganz Deutschland. Im Dezember ging die Firma Baudekoration A. Schleicher nach 34 Jahren an den Neffen Florian Schleicher über. Der 29-Jährige hat 2017 im Familienbetrieb angefangen, 2021 seinen Meistertitel als Maler und Lackierer erworben, alle Bereiche und Aufgaben des Unternehmens kennengelernt. Das ist der Idealfall: Von den 3.037 Handwerksbetrieben im Landkreis Fulda sind 1.370 als Einzelunternehmen in die Handwerksrolle eingetragen beziehungsweise sind in einem meisterpflichtigen Gewerbe der Anlage A tätig. Von diesen 1.370 Betrieben steht in den nächsten zehn bis zwölf Jahren bei knapp mehr als einem Drittel ausweislich der Geburtsjahrgänge der Inhaber die Übergabe an.
"Dass es schwierig wird, für diese Betriebe passende Nachfolgeregelungen zu finden, verdeutlichen die Zahlen der Handwerkskammer Kassel. Im Jahr 2023 erfolgten im Landkreis Fulda insgesamt 46 Existenzgründungen in Anlage A, also in einem meisterpflichtigen Gewerbe. Als Existenzgründung werden aber sowohl Neugründungen als auch Betriebsübernahmen erfasst und der Anteil der Neugründungen liegt seit Jahren deutlich über den Betriebsübernahmen", erklärt Gabriele Leipold, die Geschäftsführerin der Kreishandwerkerschaft Fulda.
Zeitnahe Maßnahmen nötig
Von einer großen Nachfolgelücke spricht auch die Handwerkskammer Kassel: "Insbesondere die Weitergabe innerhalb der Familie ist längst keine Selbstverständlichkeit mehr. Das stellt uns vor große Herausforderungen. Ohne zeitnahe Maßnahmen droht ein Verlust an Vielfalt und Arbeits- und Ausbildungsplätzen im Handwerk, zudem wird die regionale Versorgung der Kunden mit handwerklichen Dienstleistungen immer weiter eingeschränkt, das betrifft zum Beispiel auch den handwerklichen Einzelhandel in unseren Innenstädten", erklärt Frank Dittmar, Präsident der Handwerkskammer Kassel.
Kostenfreie Beratungen zur Betriebsnachfolge werden ergänzt von Unternehmensnachfolge-Börsen wie "nexxt-change", auf denen Inhaber und Existenzgründer zusammenfinden sollen: "Traditionelle Schreinerei mit moderner Ausstattung sucht Nachfolger", "Autolackierfachbetreib mit Karosseriearbeiten im Landkreis Fulda sucht Nachfolger" und andere Angebote finden sich im Landkreis Fulda für den Handwerksbereich. Alexander Schleicher hat dazu seine eigene Meinung: "Handwerker müssen als Fachkräfte besser bezahlt werden, sonst tut sich das niemand mehr an. Außerdem muss mehr in den Schulen geworben werden: Jugendliche müssen besser vermittelt bekommen, wie sinnhaft Arbeit im Handwerk ist. Das ist bei der jungen Generation verloren gegangen." (mau) +++