
Revolutionäre Operationstechnik: Bypass und Herzklappe ohne Brustöffnung
19.03.25 - Noch immer wird bei 98 Prozent aller Bypass-Operationen in Deutschland der Brustkorb am Brustbein geöffnet, was eine lange Heilungsphase und sogar langwierige chronische Schmerzen bedeuten kann. Schon 2019 wurde deshalb am Klinikum Fulda eine Operationstechnik eingeführt, bei der ein winziger seitlicher Schnitt zwischen den Rippen ausreicht. Diese minimal-invasive Operation kann jetzt mit dem Herzklappenersatz kombiniert werden. Herzchirurgen aus aller Welt hospitieren in Fulda, um die Methode zu erlernen.
Am Dienstag haben Prof. Dr. Hilmar Dörge, der Direktor der Klinik für Herz- und Thoraxchirurgie am Klinikum Fulda, und sein Team in den klinikeigenen Campus eingeladen, um die kombinierte Operationstechnik vorzustellen. Dabei ist Dr. Volodymyr Demianenko, der aus der Ukraine stammt und seit April 2024 am Klinikum Fulda arbeitet. Die TCRAT-Methode, bei der Bypass-Operationen an allen erkrankten Herzkranzgefäßen ohne Öffnung des Brustbeins durchgeführt werden können, wurde von Dr. Oleksandr Babliak in Kiew entwickelt. Dörge und sein Team haben inzwischen mehr als 700 Patienten damit in Fulda operiert, inzwischen werden am Klinikum mehr als 80 Prozent aller geplanten Bypass-Operationen durch einen kleinen seitlichen Schnitt durchgeführt.
Bisher nur in Kiew und Fulda durchgeführt Seit vergangenem Jahr wird am Klinikum nun auch eine Kombination angeboten: Durch besagten kleinen seitlichen Schnitt kann nicht nur die Bypass-Operation erfolgen, der Herzklappenersatz kann gleich miterledigt werden. "Außer in Kiew wurde diese Operationstechnik bislang nur in Fulda durchgeführt", erklärt Dörge. Die Klinik für Herzchirurgie des Klinikums Fulda habe sich inzwischen zu einem internationalen Referenzzentrum für die TCRAT-Methode entwickelt.
Harald Schuppich sitzt freundlich nickend neben den Weißkitteln, als die am Herzmodell Risikofaktoren und Behandlungsoptionen für Herzinsuffizienz erläutern. Er hat den neuartigen Kombinations-Eingriff schon hinter sich und erzählt von den Vorteilen gegenüber der Brustöffnung: Nach Brustschmerzen bei Belastung sei ihm beim Kardiologen eröffnet worden, dass seine Aortenklappe nur zwei Taschenklappen hat statt drei. Zwei Bypässe und eine Aortenklappe später sei er trotzdem schnell wieder fit gewesen - nur zwei Monate nach der Reha wieder an der Arbeit, in der Rehaklinik hätten ihn die Patienten mit langer Brustnarbe um den Minimal-Eingriff beneidet. Das sonst zersägte Sternum braucht eine Knochenheilungs-Zeit von drei Monaten, teilweise treten noch nach Monaten chronische Schmerzen auf.
"Bisher Achillesferse der Herzchirurgie" Warum die traditionelle Methode trotzdem seit rund sechs Jahrzehnten etabliert ist und der neue minimal-invasive Kombinationseingriff erst langsam Fahrt aufnimmt, das erklärt Prof. Dr. Volker Schächinger, Direktor der Medizinischen Klinik 1 – Kardiologie, Angiologie und Intensivmedizin am Herz-Thorax-Zentrum des Klinikums Fulda: "Der Eingriff kostet anfänglich mehr Zeit, deswegen sind viele Chirurgen davor zurückgeschreckt. Der minimal-invasive Eingriff muss zur Routine werden, und zwar fürs gesamte Team, muss als normal etabliert werden. Chirurgen sind sehr konservativ: Wenn etwas funktioniert, ändert man es erstmal nicht. Aber die Sternotomie, die chirurgische Durchtrennung des Brustbeins, war bisher die Achillesferse der Herzchirurgie. Deshalb ist die neue Operationstechnik geradezu revolutionär."
Auch aus Sicht des Krankenhaus-Managers ist der minimal-invasive Kombinationseingriff nicht von Nachteil: Zwar koste die verlängerte Operationsdauer im Vergleich zum konventionellen Eingriff Geld, das werde aber durch die kürzere Verweildauer im Krankenhaus kompensiert, erklärt Dr. Thomas Menzel, Sprecher des Vorstands des Klinikums Fulda. (mau) +++