Begeisterndes Passionskonzert im Hochchor des Doms - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA "Eigenes Leben findet Resonanz bei Gott"

Neue Entdeckungen: Begeisterndes Passionskonzert im Hochchor des Doms

30.03.25 - Wenn Capella Cathedralis, L’arpa festante und Domkapellmeister Huber zum Passionskonzert rufen, darf man neben der herausragenden Qualität aller Beteiligten immer auf eins vertrauen: Es erklingt Musik, die wir nicht allzu oft hören oder überhaupt nicht kennen. Die Konzerte sind immer auch Entdeckungen. So war es auch am Freitagabend, der sich einem Großmeister des Barock widmete – Georg Philipp Telemann.

Telemann – ein musikalischer Riese

Telemann (1681-1767) gehört mit Johann Sebastian Bach und Georg Friedrich Händel zu den großen Komponisten des Barock. Telemann hatte die längste Lebensspanne dieser drei und komponierte mit ungefähr 3.600 Werken mehr als Bach und Händel zusammen – in allen damals bekannten Gattungen. Er beherrschte so gut wie alle Instrumente und brachte sich viel selbst bei. Der Mutter zuliebe begann er ein Jura-Studium in Leipzig, einer der großen Musikmetropolen der damaligen Zeit. Dort widmete er sich allerdings mehr den Noten als den Paragrafen – und das mit großem Erfolg.

Dr. Alois und Christiane Rhiel, Bischof Michael Gerber und Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz ...

Domkapellmeister Franz-Peter Huber

Das Team.

Telemann war ein Innovator. Als erster Komponist griff er musikalische Einflüsse aus ganz Europa auf. Er überwand die strenge Trennung zwischen geistlicher und weltlicher Musik und prägte sein Zeitalter damit maßgeblich. Er kannte, wie wir das heute sagen würden, tout le monde – und war seinerseits bekannt und geachtet, erfolgreich und populär. Und doch geriet dieser vielseitige Musiker nach seinem Tod für gute 200 Jahre in Vergessenheit. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts begann seine allmähliche Wiederentdeckung.

Bischof Dr. Michael Gerber begrüßt Domkapellmeister Franz-Peter Huber ...

Sopranistin Franziska Blömers Schwerpunkt ist barocke Musik

Der Hochchor hat eine besonders intime, kontemplative Atmosphäre

Werke über Leid, Glaube und Erlösung

Die Werke des Abends hatten mit menschlichem Leid, menschlicher Hybris, Gläubigkeit und Erlösung zu tun. In seiner Einführung sagte Bischof Dr. Michael Gerber, dass Musik und Kontemplation sich in diesen Werken berührten. Und das ist, wenn man so will, auch das 'Programm' des dritten Karsonntags Okuli. Der Bischof wies darauf hin, dass sich in Telemanns Werk das persönliche Erleben und Leiden mit der Passion Christi verbindet und interpretierte es so: Das eigene Leben findet Resonanz bei Gott, wenn man sich fragt, wo man selbst gefordert ist, und sich dann einschwingt in die größere Gemeinschaft der Gläubigen.

Sopranistin Rebecca Haag

Daniel Folqué

Worte, die einen Tag nach Veröffentlichung der kirchlichen Statistik 2025 seltsam widerborstig klingen. Denn auch im Bistum Fulda verliert die Kirche Jahr um Jahr Gläubige. Die Kirchen aber sind voll, wenn Kirchen- oder Passionskonzerte erklingen. Was also leistet die Musik, was an Altar und Ambo nicht mehr vermittelt wird? Wieso lassen wir uns von Musik, die vor mehr als 300 Jahren komponiert wurde, berühren, bewegen und erbauen? Wieso schätzen wir die Verkündigung des Evangeliums in Form einer Kirchenkantate? Telemanns Kantaten sprechen von tiefer Gläubigkeit und Gottvertrauen. Genau das also, was uns heute mehr und mehr abhandenkommt oder was wir zunehmend weniger in der Kirche suchen. Und was wir in Kirchenkonzerten ganz offensichtlich erspüren.

Der Stuttgarter Tenor Hans Jörg Mammel ist ein gefragter Lied- und Konzertsänger ...

Arbeitsnachweis – die Presse lauscht aufmerksam, Anke Zimmer und Jutta Hamberger ...

Wunderbares Zusammenspiel von Chor, Orchester und Solisten

Und dieses Konzert war rundherum großartig. Das Orchester L’arpa festante kann man inzwischen getrost als fuldisch eingebürgert betrachten, so oft, wie es hier schon mit der Cappella Cathedralis zusammen musiziert hat. Ihnen und den Chören am Fuldaer Dom zuzuhören ist jedes Mal Genuss auf höchstem Niveau.

Die Solisten des Abends boten starke Leistungen: Tenor Hans Jörg Mammel, Bass-Bariton Matthias Vieweg, Countertenor Daniel Folqué sowie die beiden Sopranistinnen Franziska Blömer und Rebecca Haag konnten sich entfalten – mit klaren und tragenden Stimmen, wunderbarer Artikulation in den Arien genauso wie den Rezitativen. Die Stimmen harmonierten miteinander, es war einfach eine Freude, diesen Könnern zu lauschen. Alle Solisten sangen mitten in der Capella Cathedralis und waren von ihren Plätzen her nicht herausgehoben. Das darf man durchaus symbolisch verstehen. So ein Konzert gelingt nur im "wir" und "miteinander", und diese Haltung entspricht der kontemplativen Stimmung der Kantaten.

Der ausdrucksstarke Bass-Bariton Matthias Vieweg stammt aus Thüringen

Drei Kantanten und ein Miserere

Kantanten nehmen in Telemanns Werk besonders viel Raum ein, mehr als 1.600 hat er komponiert, drei erklangen an diesem Abend im Dom. "Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz" (TWV 1:1241) ist in einer Abschrift aus dem Jahr 1723 überliefert, dürfte aber älter sein. Es ist eine seiner frühen Kantaten, die noch nichts vom Opernstil seiner späteren Werke aufweist. Sie ist sehr zurückhaltend angelegt, die Arien sind nicht sonderlich dramatisch, die instrumentalen Soli übernimmt alle die Violine.

Bischof Dr. Michael Gerber begrüßte die Zuhörerschaft

Christoph Hesse, Kapellmeister des Orchesters L’arpa Festante

Die beiden anderen Kantaten sind im von der Oper beeinflusstem Kantatenstil komponiert, der zu Telemanns Zeit ausgesprochen populär war. "Die Sünd hat uns verderbet sehr" (TWV 1:365) stammt aus dem Jahr 1736 war für den Passionssonntag geschrieben. Besonders beeindruckt hier auch die barocke Sprache des Textdichters Gottfried Behrndts – sie ist bildstark und kraftstrotzend, weit weg von Phrasendrescherei. Die Kantate "Nun kommt die große Marterwoche" (TWV 1:1179) war für den Palmsonntag geschrieben und erklang erstmals 1711. Sie wirkt besonders durch ihre herrlichen Choräle. Ein Schmankerl war das Miserere in d-moll – ein Stück, das seit seiner Entstehung um 1720 erst einmal aufgeführt wurde (vor 10 Jahren in der Schweiz) – also eine echte Wiederaufführung und Entdeckung und tief berührend.

Einige Konzertbesucher lauschten dem Konzert im Dom

Mit großem Beifall bedankte sich das Publikum bei Chor, Orchester, Solisten und Domkapellmeister Franz-Peter Huber – es war ein Abend, an dem man seelisch gestärkt nachhause ging. Wer das Konzert verpasst hat, der sei auf den Live-Mitschnitt hingewiesen, den es vom diesjährigen Passionskonzert geben wird. (Jutta Hamberger) +++

Countertenor Daniel Folqué stammt aus Katalonien und überzeugte mit seiner klaren, biegsamen ...

Der Hochchor hat eine besonders intime, kontemplative Atmosphäre

Tenor Hans Jörg Mammel (Mitte), rechts neben Bassist Matthias Vieweg


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