
Rallycross: Der "fahrende Habicht" will wieder Deutscher Meister werden
07.04.25 - Eigentlich kommt er aus der Autoslalom- und Berg-Rennszene. Dann holte er sich eher zufällig bei den Rallycross-Boliden Appetit. Viiiiiel Appetit: wer es innerhalb von wenigen Jahren von den ersten Gehversuchen zum Deutschen Meister seiner Klasse in der acht Rennen umfassenden Saison 2024 schafft, muss ein gnadenlos guter Racer mit sehr oktanhaltigem Blut in den Adern sein.
Die Rede ist vom 36 Jahre alten Angersbacher Rallycross-Champion Daniel Habicht. Er blickt auf eine Wahnsinns-Saison zurück, und unter der Überschrift "Mission Titelverteidigung" auf eine Riesenchallenge voraus – ein "fahrender Habicht", der sich rasant weiterentwickelt hat und 2025 wieder voll angreifen will.
Daniel Habicht ist von Beruf Elektroniker im Bereich Brandmeldeanlagen. Ausgleich und Herausforderung findet er aber seit fast zwei Jahrzehnten im Motorsport, von den ersten Copiloten-Einsätzen im zarten Alter von 17 Jahren bis hin zum umjubelten Titelgewinn "Deutscher Rallycross Meister Klasse N1" im Herbst 2024. "Den Motorsport-Kick kannst du mit nichts vergleichen!" - man merkt Habicht beim Gespräch an seiner Wohn- und "Schrauber"-Anschrift in Angersbach an, dass es endlich wieder losgehen dürfte.
"Jetzt wollte ich immer mehr"
2009 ersten Snow & Icedrift-Schnupper-Erfahrungen bis zum ersten eigenen Boliden dauerte es fünf Jahre: mit einem 318iS ergab sich zufällig die Chance zum aktiven Motorsport im Autoslalom, noch ohne Vereinsmitgliedschaft. Es folgte die Premiere 2015 beim Bergrennen in Schotten – Habicht hatte Blut geleckt. "Mehr PS wären gut!", also verpasste er dem Auto einen anderen Motor und ein neues Fahrwerk. Die stetige Weiterentwicklung des Autos ging einher mit der fahrerischen Entwicklung: Die ersten Slalom-Klassensiege stellten sich ein. "Jetzt wollte ich immer mehr!", funkeln Habichts Augen im Rückblick. 2018/19 gönnte er sich den Bau eines "Berg-Knallers": den Aufbau eines BMW E36 Breitbau mit über 300 PS. Die Premiere war zweigeteilt: optisch war er top gelungen, aber mit dem Fahrverhalten war der gierige Pilot unzufrieden. Daher hielt er parallel weiter an seinem bewährten 325 fest.Am Rallycross musste er dranbleiben
Bei einer Fahrzeugabnahme in Schlüchtern kam es 2020 zur wegweisenden Anregung eines DMSB-Rennkommissars: ob er nicht mal eine Probefahrt auf der Rallycross-Strecke machen wolle. Die Anregung kam von Harald Köpf, dem Vorsitzenden MSC Schlüchtern, der durch jahrzehntelange Erfahrung einen Blick für das Potenzial des Vogelsbergers hatte. Für Habicht war auf der anspruchsvollen Hammer-Strecke in Schlüchtern mit ihren völlig unterschiedlichen Untergründen, ihrem Höhenunterschied und dem Wechsel von schnellen und langsamen Passagen schnell klar: am Rallycross musste er dranbleiben! Die Corona-Unterbrechung nutzte er zum Aufbau eines vergammelten ersten BMW E36 Kompakt. Ein DRX-Proberennen auf der reinen Asphaltstrecke in Gründau bildete einen weiteren Meilenstein: zwar rangierte er im hinteren Klassement, erhielt aber den Hinweis, sich in die falsche Klasse eingeschrieben zu haben: "In der richtigen hättest du gewonnen!" Für Habicht eine Aussage wie ein Marschbefehl, also erfolgte 2022 der Saisonstart in der Klasse bis 204 PS, und wie: 3. Platz am Ende gleich im Premierenjahr. Im Folgejahr 2023 wurde er zwar Klassensieger, aber mit einem Pünktchen Rückstand "nur" Vizemeister.Landung nach 6,5 Überschlägen – dennoch Deutscher Meister
Mit einem 1er-Coupé blies Habicht 2024 zum Angriff auf den Titel. Das funktionierte auch gleich großartig, bis zu Lauf 6 in Valkenswaard / Holland lag der Angersbacher deutlich vorn. "Im letzten Quali-Lauf habe ich auf der letzten Rille um einen bestmöglichen Startplatz gekämpft. Rechtskurve, 4. Gang Vollgas. Zu eng. Als sich das Auto hochhebt, habe ich das Lenkrad gehen lassen. Nach 6,5 Überschlägen und der anschließenden Landung stand ich wieder still, das Auto war Schrott. Glück im Unglück: ich hatte nur kleine Schürfungen." Die Klassement-Führung hatte trotz des Ausfalls vor dem Saisonfinale in Buxtehude Bestand, also grub Habicht kurzfristig den Vorgängerwagen wieder aus. Trotz technischer Probleme reichte es mit Platz 2 im Final-Lauf für den DM-Titel mit zwei Punkten Vorsprung. Ein breites Lächeln legt sich auf Habichts Gesicht: "Das große Ziel war erreicht, da liefen die Freudentränen."Über den Winter entstand der Plan, mit einem größeren Motor in der leistungsstärksten DRX-Klasse bis 450 PS zu starten. Da sich bis zum Nennschluss kein Tuner mit einem geeigneten Steuergerät für das zu 95 Prozenz fertige Auto fand, erfolgte eine Planänderung: Habichts Ziel für die Mitte April in Buxtehude beginnende Saison lautet nun klipp und klar: Titelverteidigung in der bisherigen Klasse. Daneben lechzt Habicht aber auch nach den alten Leidenschaften Berg- und Slalomrennen, sogar mit einem separaten, bildschönen weißen BMW. Die ersten Starts damit in der osthessischen Heimat erfolgen bereits Ende April beim Bergrennen in Schotten, dann beim "Automobilslalom Osthessen am See" in Schlitz-Pfordt.
Erfreulich wirkte sich der Titelgewinn auf die Sponsorenlage aus: Der ADAC Hessen/Thüringen stattete den für den AC Lauterbach sowie den MSC Schlüchtern startenden Habicht mit einem Sponsorenvertrag aus, alle bisherigen Sponsoren blieben ihm unabhängig von der jeweiligen Disziplin treu. Welches Gefühl bei Habicht derzeit vorherrscht, ist ihm leicht anzumerken: "Es kribbelt! Für mich könnte es jetzt gerne mit der Durchsage losgehen: Achtung Fahrerlager, bereit machen zum Start! Wenn du dann den Helm und die Handschuhe anziehst und dich anschnallst, ist rundherum alles vergessen und der Fokus liegt nur im Auto, auf der Ampel oder der Flagge. Und dann gilt: Feuer frei!". (goa)+++