
Dr. Michael Imhof spricht zur Schulreform von 1784
06.04.25 - Ein Abend voller historischer Einblicke und lebhafter Diskussionen: Am 27. März 2025 hielt der Historiker Dr. Michael Imhof im Bonhoefferhaus in Fulda einen fesselnden Vortrag über die "Verordnung für die jüdische Lehrschule in der Hochstiftlichen Residenzstadt Fulda" aus dem Jahr 1784. Der gut besuchte Vortrag bot spannende Einblicke in die Versuche des aufgeklärten Absolutismus, das Bildungswesen im Fürstbistum Fulda zu reformieren – und die damit verbundenen Herausforderungen für die jüdische Gemeinde.
Dr. Imhof verdeutlichte eindrucksvoll, wie Fürstbischof Heinrich von Bibra (1759–1788) eine einheitliche Schulstruktur für alle Bevölkerungsgruppen etablieren wollte. Während dies aus staatlicher Sicht als Fortschritt galt, stellte es für die jüdische Gemeinde einen erheblichen Eingriff in ihre gewachsenen Bildungsstrukturen dar. Die jüdische Bevölkerung war über Generationen hinweg selbst verantwortlich für die religiöse und weltliche Bildung ihrer Kinder gewesen. Nun befürchtete sie, dass zentrale Elemente ihrer kulturellen Identität und religiösen Traditionen durch die staatliche Schulpolitik gefährdet würden.
Die Reform sah vor, jüdischen Kindern neben dem traditionellen Unterricht in den Cheder-Schulen auch eine allgemeine Bildung und Deutschkenntnisse zu vermitteln. Doch die Gemeinde erkannte darin nicht nur eine Bildungsmaßnahme, sondern auch einen Versuch der Angleichung, der ihre religiöse Autonomie beschneiden könnte. Besonders problematisch war für sie, dass der Unterricht teilweise von christlichen Lehrern gehalten werden sollte. Der daraus resultierende Widerstand war daher kein Zeichen von Bildungsfeindlichkeit, sondern ein Ausdruck des Strebens nach Selbstbestimmung und der Bewahrung der eigenen kulturellen Identität.
Während der Pause bot sich bei Getränken und Brezeln, die vom Ehrenamts-Team gereicht wurden, Gelegenheit zum Austausch. Viele Besucher nutzten auch die Möglichkeit, Dr. Imhof im Anschluss Fragen zu stellen und die Thematik zu vertiefen.
Mit viel Emotion und starkem Ausdruck begleitete Jana Hengstler mit Gitarre und Gesang jiddischer Lieder und hebräischer Psalmen die Veranstaltung. Passend hatte Sie für den Anfang das bekannte jiddische Volkslied über den Rabbiner gewählt, der seinen kleinen Schülern das Alef-Bet beibringt und zum Lernen ermutigt. Es endet mit den tragischen Versen, dass sie, wenn sie älter werden, verstehen, "wie viele Tränen in diesen Buchstaben liegen, wie viel Weinen".
Die Veranstaltung wurde von den Anwesenden als hochinformativ und bereichernd gelobt. Mit seinem fundierten Wissen und anschaulichen Erzählstil gelang es Dr. Imhof, die komplexe Situation der Fuldaer Juden im 18. Jahrhundert in einem neuen Licht darzustellen. Ein rundum gelungener Abend, der verdeutlichte, wie wichtig es ist, historische Entwicklungen aus verschiedenen Perspektiven zu betrachten, um ein gerechteres Verständnis der Vergangenheit zu gewinnen. (nia/pm) +++