

Chefvolkswirt trifft Unternehmer: "Trump ernst nehmen, aber nicht wörtlich"
05.04.25 - Passender hätten die Verantwortlichen der Burgenstadt Schlitz ihren "Keynote-Speaker" für die Premiere des Tages der Wirtschaft nicht auswählen können. Am Tag nachdem der US-Präsident Donald Trump seine Zollpolitik förmlich zelebrierte, ist die Verunsicherung auf den weltweiten Märkten noch größer.
Die Folgen der Politik in den USA spüren auch die Unternehmer vor Ort, beispielsweise im Schlitzerland. Da war es dann umso besser, dass sie mit dem Chef-Volkswirt Dr. Holger Bahr von der DeKa-Bank (Kreditinstitut mit Sitz in Berlin und Frankfurt am Main) am Donnerstagabend einen Fachexperten zu Gast hatten, welcher die Lage sachlich einzuordnen wusste.
Der Tag der Wirtschaft ist ein neues Veranstaltungsformat der Stadt Schlitz. "Es soll Ihnen und Euch die Möglichkeit bieten, sich auszutauschen, neue Kontakte zu knüpfen und wertvolle Impulse vielleicht auch für Ihre tägliche Arbeit zu gewinnen. Denn eines ist klar: Eine starke Wirtschaft lebt nicht nur von guten Ideen und harter Arbeit, sondern auch von einem starken Netzwerk", sagte Bürgermeister Heiko Siemon (CDU) in seiner Eröffnungsrede.
Netzwerken im Hahnekiez
Im wunderschönen Ambiente des Hahnekiez versammelten sich rund 80 Unternehmer aus dem Schlitzerland. Im Fokus stand neben den Gesprächen bei Schlitzer Bloatz, Lachs auf Kartoffelpuffer oder gefüllten Champignons, Schlitzer Bier und Feines aus der Destillerie der Vortrag von Chef-Volkswirt Dr. Holger Bahr. "Nun ist es für einen Veranstalter schwierig, genau das richtige Thema Monate vor einer Veranstaltung zu finden, welches ja auch noch aktuell und interessant sein soll. Umso mehr freut es mich, dass wir für die Premiere keinen Geringeren als Dr. Holger Bahr, den Chefvolkswirt der DeKaBank, gewinnen konnten", sagte Siemon weiter."Was bedeuten steigende Zölle und neue Handelsbarrieren für unsere regionale Wirtschaft? Welche Risiken, aber vielleicht auch welche Chancen ergeben sich daraus", gab Siemon Beispiele der Fragestellungen in diesen so komplizierten Zeiten. Kurzweilig, fachlich tiefgründig und mit einer Portion trockenem Humor verstand es Bahr, seine Einschätzungen dem konzentrierten Publikum näherzubringen. Definitiv ein Vortrag mit Mehrwert.
"Die Stimmung in der deutschen Wirtschaft ist im Moment gedämpft, getrübt. Es ist eine Verunsicherung über die Weltwirtschaft, auch über die US-Regierung zu verspüren", sagte Bahr im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS. Seine Hoffnung sei, dass sich mit der neuen Regierung die Stimmung in Deutschland verbessern werde. Dazu müssten aber viele Veränderungen, etwa in der grünen Transformation oder der Demografie, geschehen. Deutschland habe in den vergangenen Jahren gezeigt, dass es die großen Herausforderungen meistern könne. Hoffnung gebe ihm die Bevölkerung, der Ausbildungsstand und damit die Qualifikationen der Menschen. Deshalb müsse einem nicht bange sein.
Zur Situation und den Entscheidungen des US-Präsidenten ging Bahr in seinem Vortrag ausführlich ein und beantwortete dazu mehrere Fragen aus dem Publikum. Der Umgang und die Folgen der Wirtschaftspolitik beschäftigt die Unternehmer. Dies war deutlich zu spüren an diesem Abend im Hahnekiez. Bahr griff ein aus seiner Sicht passendes Zitat auf: "US-Präsident ernst nehmen, aber nicht wörtlich". Seine Einschätzung: "Ernst nehmen, weil er im Amt ist, seine Strategie müssen wir ernst nehmen, die Europäische Union muss stabil dagegenhalten", sagt der Volkswirt.
"Nicht jede Zahl auf die Goldwaage legen"
"Aber, das wörtlich nehmen fällt eben schwieriger, weil ja pro Tag, drei oder vier verschiedene Zahlenansätze, Ideen, Pläne kommen und das kann einen so sehr überfluten, dass man nicht jeden Halbsatz, nicht jede Zahl auf die Goldwaage legen muss. Mann muss sich darauf einstellen, dass er zwar sehr viel für die USA tun will, aber das auch um den Preis von Freundschaften, von Bündnissen mit anderen Ländern, die wir für selbstverständlich angenommen haben. Und wenn wir ihn da ernst nehmen und uns dann in dieser neuen Welt mit weniger Nähe, mit weniger Verbindlichkeit zu den USA annehmen, dann gehen wir auch vernünftig mit der neuen US-Administration um", sagte Bahr im O|N-Gespräch abschließend."Lassen Sie uns diesen Abend nutzen - nicht nur zum Zuhören, sondern auch zum Diskutieren, zum Netzwerken und zum Entwickeln neuer Ideen", sagt Siemon. Dem Finanzexperten gab er ein typisches Schlitzer Geschenk mit auf die Heimreise. Darin stecken einige Prozente und die Dankbarkeit, die heimischen Unternehmen an einem wirtschaftspolitisch schwierigen Tag Perspektiven und Chancen aufzuzeigen. Die Premiere vom Tag der Wirtschaft ist jedenfalls eindrucksvoll gelungen. (Hans-Hubertus Braune) +++