
Klinikum Hersfeld-Rotenburg in Schieflage: Bittner startet Reform-Offensive
08.04.25 - Ein Klinikverbund in schwerer Schieflage, ein Haushaltsloch von 40 Millionen Euro und ein enormer Druck auf alle Beteiligten: das Klinikum Hersfeld-Rotenburg steckt in einer tiefen Finanzkrise. Mit Katja Bittner ist seit Januar 2025 eine Frau an der Spitze, die für Analyse und Navigation steht. Als Interims-Geschäftsführerin wird sie für neun Monate eingesetzt – mit dem klaren Auftrag, die wirtschaftliche Wende einzuleiten. Ihre Erfahrung als Krisenmanagerin macht Hoffnung. Jetzt liegt ihr Maßnahmenkatalog vor – und der zeigt: die Sanierung ist machbar, aber sie verlangt klare Schnitte und mutige Entscheidungen.
"Die Höhe des Defizits im Verhältnis zum Umsatz ist zu groß", betont Bittner im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS: Der Kreiskonzern schreibt weiterhin tiefrote Zahlen. Rund 40 Millionen Euro Zuschussbedarf hat der Landkreis für das laufende Haushaltsjahr eingeplant. Besonders belastend sind die laufenden Betriebskosten, die nicht – wie etwa Investitionen – langfristig finanziert werden können. Das Regierungspräsidium Kassel sieht die Haushaltsplanung kritisch und hat keine Spielräume für eine Lockerung der Vorgaben. Ein vom Landkreis erhofftes Darlehen, abgesichert durch eine Landesbürgschaft, wurde vom Land Hessen abgelehnt. Die Begründung: Es sei unklar geblieben, in welcher Höhe ein Kredit überhaupt nötig sei.
Die Lage ist ernst, aber nicht hoffnungslos
Seit Mitte Januar 2025 ist Bittner als Interims-Geschäftsführerin im Amt. Sie hat den klaren Auftrag, innerhalb von neun Monaten eine wirtschaftliche Wende einzuleiten. Die Lage bewertete sie von Beginn an als ernst. "Es war sofort klar, dass sich etwas ändern muss", so Bittner: "Wir müssen wieder wachsen." Bittner bringt umfangreiche Erfahrung aus Klinikverbünden in Süddeutschland mit und versteht sich nicht als klassische Saniererin, sondern als Wegbereiterin für tiefgreifende strukturelle Veränderungen. Sofort wurde im Gespräch deutlich: Die Probleme sind vielfältig – und ein schnelles Durchgreifen ist unausweichlich. Der Landkreis als Gesellschafter steht in engem Austausch mit der Klinikleitung. Das Ziel: Eine realistische Haushaltsplanung und eine dauerhafte Entlastung des Kreishaushalts.
Klinik im Umbruch: Der Maßnahmenkatalog ist da
Inzwischen liegt ein umfassender Maßnahmenkatalog vor. Dieser wurde in enger Abstimmung mit Chefärzten und Abteilungsleitungen erstellt. Ziel ist es, kurzfristige Verbesserungen in der Wirtschaftlichkeit zu erzielen, mittelfristig Strukturen zu optimieren und langfristig eine gesunde Basis für die Zeit nach dem geplanten Klinikneubau 2027 zu schaffen. "Es ist ein Plan für die kommenden fünf Jahre", schildert Bittner. Erste Maßnahmen sind bereits angelaufen: Zwei Intensivstationen werden zusammengelegt, wodurch bis zu 2,9 Millionen Euro eingespart werden könnten. Die Geschäftsführung geht davon aus, dass sich das derzeitige Defizit in drei große Bereiche aufteilen lässt: Ein Drittel soll durch strukturbedingte Maßnahmen eingespart werden, ein weiteres Drittel durch Leistungs- und Prozessoptimierung. Das verbleibende Drittel müsse durch besseres Management kompensiert werden – etwa durch das Einsparen von Personalkosten oder die Reduzierung von Einmalkosten.Personalpolitik im Fokus: Spagat zwischen Abbau und Bedarf Besonders sensibel ist die Frage nach der Belegschaft. "Wir haben einen Personalüberhang", analysiert Bittner. Zwar herrscht in pflegerischen und ärztlichen Kernbereichen hoher Bedarf, gleichzeitig gibt es jedoch auch benannte Personalüberhänge – besonders in historischen
Doppelstrukturen und in Verwaltungsbereichen. "Wir werden um die 40 Vollzeitstellen, natürlich in enger Abstimmung mit der Mitarbeitervertretung, abbauen", schildert die Geschäftsführerin. Gleichzeitig betont die Geschäftsführerin, dass neue Strukturen auch neue Fachkräfte benötigen – insbesondere für die Versorgung der Patienten. "Wachstum geht eben nur mit guten Menschen, die die Patienten betreuen", erklärt Bittner: "Es geht also nicht darum, nur Stellen abzubauen."
Zusammenlegung von Bereichen
Ein wichtiger Bestandteil des Sanierungskonzepts ist die Zusammenlegung verschiedener medizinischer Bereiche. "Erfreulicherweise sind da aber nur wenige Abteilungen betroffen." Ziel ist es, Synergien zu schaffen und die Effizienz zu steigern. Ein zentraler Baustein für die Zukunft ist die Zusammenlegung der medizinischen Versorgung an einem Standort in Bad Hersfeld. Das Herz-Kreislauf-Zentrum Rotenburg soll mittelfristig in das Klinikum integriert werden. Diese Maßnahmen sollen nicht nur Kosten senken, sondern auch die medizinische Versorgung optimieren, indem eine bessere Abstimmung und Zusammenarbeit zwischen den Fachbereichen ermöglicht wird. Synergien sollen durch gemeinsame Technik, IT, Reinigung und Verwaltung entstehen. Durch die Bündelung von Ressourcen kann das Klinikum gleichzeitig die Verwaltungskosten senken und den Patienten eine noch besser koordinierte Behandlung bieten.Unbekannte Krankenhausreform
Auch in der OP-Planung und im Belegungsmanagement werden Prozesse überarbeitet. "Außerdem haben wir aktuell eine Notaufnahme, die organisatorisch zu überarbeiten ist", kritisiert Bittner: "Neben diesen ganzen Dingen haben wir als Unsicherheitsfaktor auch noch die Krankenhausreform." Noch ist unklar, wie sich neue Vorgaben zur Leistungserbringung und Finanzierung auf kleinere Klinikverbünde auswirken werden. Die Geschäftsführerin betont, dass die Reform mitgedacht werden müsse, um die richtigen Weichen zu stellen. Gerade die Konzentration auf spezialisierte Zentren könnte dem Hersfelder Modell entgegenkommen – sofern es gelingt, die medizinische Breite und Qualität zu erhalten.
Synergien für die Zukunft
Der Landkreis ist bereits aktiv auf der Suche nach einem neuen Geschäftsführer, der nach Ablauf von Katja Bittners Interimszeit die Verantwortung für das Klinikum übernehmen soll. Sobald der neue Geschäftsführer gefunden ist, wird er einige Monate eng mit Bittner zusammenarbeiten, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten und den eingeschlagenen Kurs fortzuführen. Diese Übergabephase soll sicherstellen, dass der künftige Geschäftsführer mit den Herausforderungen und der Strategie vertraut ist, um das Klinikum langfristig auf stabile Beine zu stellen. "Je früher wir einen neuen Geschäftsführer gefunden haben, desto besser ist es", fasst Bittner zusammen.Mit Herz und Überzeugung: Bittner kämpft
Katja Bittner bleibt in dieser anspruchsvollen Situation motiviert durch den klaren Willen, gemeinsam mit ihrem Team die Herausforderungen zu meistern. Ihre Überzeugung ist, dass es in Krisenzeiten nur auf den Zusammenhalt ankommt, um die Situation erfolgreich zu bewältigen. "Der Auftrag muss klar formuliert sein – das hat mir immer geholfen", erklärt sie und betont, wie wichtig es ist, dass alle an einem Strang ziehen. Ihr Fokus liegt auf der gemeinsamen Anstrengung, das Klinikum wieder auf einen erfolgreichen Kurs zu bringen."Ich habe ein Herz für die Krankenhausversorgung in kommunaler und gemeinnütziger Hand", sagt Katja Bittner mit Überzeugung. Dieser Satz zeigt ihre tiefe Verbundenheit mit der Aufgabe und ihre Leidenschaft, die Qualität der Versorgung für die Region zu sichern. Trotz der großen Herausforderungen, die vor ihr liegen, bleibt sie fest entschlossen, das Klinikum in eine stabile Zukunft zu führen. (Constantin Butler) +++