

Angeklagter schildert tödlichen Schlag gegen Vater
05.04.25 - Ein Faustschlag – danach lag der Vater schwer verletzt auf der Straße, Monate später verstarb er an seinen Verletzungen. Im Prozess wegen Körperverletzung mit Todesfolge hat der 23-jährige Angeklagte den verhängnisvollen Schlag eingeräumt.
Beleidigungen gehörten – wenn überhaupt noch Kontakt bestand – zum normalen Umgangston zwischen dem 23-Jährigen und seinem gestorbenen Vater. Schon Wochen vor dem tödlichen Ausgang war die Polizei involviert, weil der Angeklagte seinen Vater zunächst am Telefon, später vor dessen Wohnung in Fulda mit dem Tode bedroht haben soll. Das habe das spätere Opfer zur Anzeige gebracht, bestätigt ein Polizeibeamter, der mehrfach mit der kurdischen Familie zu tun hatte, gestern vor dem Landgericht.
In den Vernehmungen des Getöteten und vor allem dessen Frau war immer wieder ein Bruder des Angeklagten zugegen, um bei Sprachproblemen zu helfen. Verteidiger Artak Gaspar sieht dies als problematisch an und möchte, dass vor allem die Aussagen der Mutter keine Berücksichtigung finden. Schließlich sei nicht mehr klar, wer in den Vernehmungen welche Aussage getätigt habe. Das könne er heute auch nicht mehr zuordnen, muss der Polizist einräumen, bevor der Verteidiger eine Einlassung im Namen seines Mandanten vorträgt.
"Der hat sich aber mehr für Spielautomaten und türkische Cafés interessiert"
Darin erklärt er das, was zum Prozessauftakt schon eine Schwester des Angeklagten sowie die Mutter ausgesagt hatten: Innerhalb der Familie sei es immer wieder zu Streit und Gewalt gekommen. Der Angeklagte, der in Istanbul geboren wurde und drei Monate später mit den Eltern und zwei älteren Schwestern nach Osthessen kam, habe sich schon als Kind stets darum bemüht, Aufmerksamkeit vom Vater zu erhalten. "Der hat sich aber mehr für Spielautomaten und türkische Cafés interessiert", schildert Gaspar. Wenn er von der Schichtarbeit gekommen sei, habe er seine Ruhe gewollt. Schon da sei er gewalttätig gegenüber der Mutter geworden, die nach dem Angeklagten noch vier weitere Söhne zur Welt brachte.Als der heute 23-Jährige sich im Teenager-Alter eingemischt habe, wenn wieder Gewalt – bis hin zum Ausdrücken von Zigaretten auf der Haut der Mutter – an der Tagesordnung gewesen sei, sei das Verhältnis zum Vater völlig zerrüttet gewesen und er habe selbst Prügel bezogen. Mehrfach sei er aus der elterlichen Wohnung geflogen, einmal gar im Winter nachts ohne Schuhe und Jacke.
Nach eigener Aussage ist der junge Mann ein emotionaler Krüppel
Mit dem Auszug im Januar 2022 sei er den psychischen und physischen Misshandlungen zwar entkommen. Trotz Antrag habe der junge Mann – nach eigener Aussage ein emotionaler Krüppel –, der Gelegenheitsjobs in der Baubranche und Gastronomie ausübte, keine psychologische Hilfe erhalten.Das Fass zum Überlaufen brachte wohl die Unterstellung des Getöteten, sein Sohn habe ein Verhältnis mit der eigenen Mutter. Darauf folgten die Drohungen. Die Tat selbst habe sich bei einem zufälligen Aufeinandertreffen in der Rangstraße ereignet, als der Angeklagte mit der Mutter reden wollte. Dabei habe ihn der Vater schon provoziert, habe die Brille abgenommen, sich aufgebaut und gebrüllt: "Komm her und mach, was du machen willst."
Nach folgenreichem Schlag: "Ich wusste nicht, dass er Blutverdünner nahm"
Nachdem der Angeklagte zunächst weggegangen sei, sei ihm die Mutter gefolgt, was der Vater wohl verhindern wollte. Als der den Arm gehoben habe, habe der Angeklagte aus einem Reflex zugeschlagen und der Mann sei mit dem Kopf auf den Bürgersteig aufgeschlagen. "Ich wusste nicht, dass er Blutverdünner nahm und es ihm nicht gut ging. Ich war geschockt und bin geflüchtet", verliest Gaspar im Namen des 23-Jährigen, der sich abends noch nach dem Gesundheitszustand des Vaters erkundigt habe.Ob er dabei etwas wie einen Schlagring in der Hand hielt, wie es die Mutter vermutet, ist unklar. Gesehen hat auch sie keinen Gegenstand. Ebenso wenig kann darüber ein 14-jähriger Zeuge Aufschluss geben, dessen Aussage der Polizeibeamte im Zeugenstand wiederholt. Der Prozess wird am 23. April um 9 Uhr mit dem rechtsmedizinischen Gutachten fortgesetzt. (Andreas Ungermann) +++