
Wenn der Busfahrer zum Tier wird: "Furries" spielen Fuchs statt Fußball
13.04.25 - Wenn Patrick, Eva und Tom durch die Altstadtgassen Fuldas laufen, werden sie von Rentnern gestreichelt. "Furries" verkleiden sich gern als Tiere und leben so ihre Individualität aus, jenseits von gesellschaftlichen Normen und Erwartungen. Dahinter verbirgt sich eine vielschichtige Subkultur, in der Spazierengehen ein wichtiger Bestandteil ist.
Patrick, Eva und Tom stecken in ihren Tierkostümen Rintrah, Peypani und Ferion. Treffpunkt ist die Kneipe "Zum Stadtwächter". Langsam stapfen die drei die Pfandhausstraße entlang, Kinder im Schlepptau, Eltern das Handy im Anschlag. "Muh", kommentiert Patrick, der im schweren Minotaurus schwitzt, und: "Das passiert uns überall, wo wir auftauchen. Wir zaubern allen ein Lächeln aufs Gesicht - aber Furries sind in Deutschland nicht so bekannt, deswegen kommt meist die Frage, warum wir das machen." Nach der kurzen Fotorunde zum Stadtschloss und zurück verschwinden die drei und kommen in Straßenklamotten wieder - Anonymität ist trotz des vermeintlich unverfänglichen Hobbies wichtig.
"Ohne Sex kein Furry-Nachwuchs"
"Ich arbeite als Busfahrer in der Region. Bei meinem Arbeitgeber wissen das nur ganz wenige, die würden das auch nicht verstehen", erklärt Tom. "Wenn die das wüssten, könnte ich dort aufhören", meint Eva, die als Biologielaborantin arbeitet. Grund dafür sind Ausschweifungen, mit denen vor allem die amerikanische Furry-Fankultur Aufmerksamkeit erregt hat: Orgien in Fuchskostümen und Oben-ohne-Parties mit Tierköpfen bleiben eher im Bewusstsein hängen als karitative Arbeit. "Deutsche Vereine sind strikter: Oben ohne gibt es da nicht und Sex können wir nicht verbieten, weil es sonst keinen Furry-Nachwuchs gibt", witzelt IT-Industriekaufmann Patrick, der 2019 den Verein "Freunde auf 2 Pfoten" im unterfränkischen Oberelsbach gegründet hat, der inzwischen 83 Mitglieder aus Deutschland, Österreich und der Schweiz zählt. Alle eint die Faszination für anthropomorphe Tiere – Tiere mit menschlichen Zügen und Eigenschaften.
Diese können in selbst kreierten "Fursonas" Gestalt annehmen, einzigartigen Charakteren mit eigenen Geschichten und Persönlichkeiten. Viele Furries drücken ihre Kreativität durch Kunstwerke, Geschichten, Musik und auch durch aufwendige Kostüme, sogenannte "Fursuits", aus. Die Ganzkörper-Fursuits von Patrick und Eva kosten 3.500 Euro und haben sogar eingebaute Lüfter, um im Innern keinen Kreislaufkollaps zu bekommen. Ein sehr eingeschränktes Gesichtsfeld unter dem Tierkopf macht es gerade bei größeren Events, bei denen die Freunde auf zwei Pfoten als Attraktion auflaufen, nötig, dass ein "Spotter" mitläuft, der Zusammenstöße vermeidet.
"Wie Sport in einer tragbaren Sauna"
Zwar hat nicht jedes Vereinsmitglied ein Kostüm, aber die demonstrativen "Walking Acts", ob im Freizeitpark, bei der Kinderfaschingsparty oder einfach in der Rhön, machen nicht nur einen erheblichen Teil des Vereinslebens aus: "Ich gehe auch gerne mal alleine im Minotaurus-Kostüm durchs Dorf. Es ist wie Sport in einer tragbaren Sauna und gutes Cardio-Training", erklärt Patrick, der gleich mehrere Tiercharaktere zum Anziehen besitzt. Anders als beim Cosplay, bei dem Charaktere aus bestehenden Medien wie Anime und Videospielen nachgebildet werden, ist der individuelle, ganz eigene Charakter für Furries wichtig: "Eine Verbundenheit mit Tieren ist Voraussetzung. Und dann sind es Charaktereigenschaften, die man hat oder gerne hätte. Mein Charakter, Peypani, ist ein Nebelparder", erklärt Eva. Wenn die grundsätzlichen Eigenschaften und das Aussehen klar sind, ist das Kostüm nicht zwingend der nächste Schritt: Viele Furries beschäftigen sich zeichnend oder schreibend mit ihren Tiercharakteren.Wenn die Freunde auf zwei Pfoten ihre Kostüme anziehen, ist die Identifikation mit dem Tiercharakter unterschiedlich ausgeprägt: "Für mich ist es eine Darstellung der Eigenschaften des Tieres, wie Theater. Es gibt aber auch andere, die Therians, die eine starke spirituelle Verbindung eingehen und tierische Züge annehmen. Aber eins ist klar: Quad, das heißt auf allen vieren, will kaum einer - das geht nämlich tierisch auf die Bandscheiben", so Patrick. (mau) +++