
Krisenmodus in Osthessen: Banken und Unternehmen stehen unter Druck
16.04.25 - Der Finanzmarkt befindet sich weiterhin im Krisenmodus. Inflation, geopolitische Spannungen, gestiegene Energiepreise und Handelskonflikte belasten Wirtschaft und Verbraucher. In Osthessen zeigen sich die Auswirkungen dieser globalen Entwicklungen ebenfalls deutlich – und stellen Banken sowie regionale Unternehmen vor große Herausforderungen. Die Sparkasse Fulda, die VR Bank Fulda und der VR-ein Bad Hersfeld-Rotenburg schildern auf Anfrage von OSTHESSEN|NEWS ihre Einschätzungen, Strategien und Hoffnungen für die Zukunft.
Die Weltwirtschaft schwankt – und mit ihr die Stimmung auf den Märkten. Während in den USA Zinssenkungen erwartet werden, bleibt die Lage in Europa angespannt. Die EZB setzt auf eine vorsichtige Zinspolitik, um die Inflation weiter zu zähmen, doch viele Unternehmen zögern, Investitionen zu tätigen. Auch die osthessischen Kreditinstitute spüren die Zurückhaltung.
"Die Lage bleibt herausfordernd", sagt Sebastian Emmert, Vorstand der VR Bank Fulda. "Inflation, geopolitische Spannungen und Zölle wirken sich deutlich auf unsere regionalen Unternehmen aus. Wir beobachten bereits seit einiger Zeit eine gewisse Vorsicht bei Investitionen und Konsumausgaben." Auch die Sparkasse Fulda teilt diese Einschätzung: "Die Risiken und Herausforderungen sind momentan definitiv größer als die Chancen", sagt Uwe Marohn, Vorstandsvorsitzender der Sparkasse Fulda. Christian Jöckel, Abteilungsleiter Firmenkunden, und Henrik Muhl, Bereichsleiter Privatkunden und PrivateBanking, vom VR-Bankverein Bad Hersfeld-Rotenburg sprechen von einer weiterhin unbeständigen Lage: "Die VR-Bankverein eG beobachtet die Entwicklungen auf dem Finanzmarkt sehr genau und passt ihre Beratung und Angebote laufend an die veränderten Rahmenbedingungen an."
Mittelstand kann den Krisen trotzen
Dabei gehören gerade die mittelständischen Firmen zur wirtschaftlichen DNA Osthessens. Umso wichtiger ist es, dass die Banken vor Ort Stabilität bieten. "In wirtschaftlich unruhigen Zeiten setzen wir verstärkt auf den engen und regelmäßigen Austausch mit unseren Kunden", erklärt Emmert. Der partnerschaftliche Dialog sei entscheidend, um individuelle Lösungen zu erarbeiten. Die Sparkasse Fulda wiederum verweist auf ihre solide Eigenkapitalbasis: "Wir treffen Vorsorge, indem wir seit vielen Jahren einen guten Teil der erwirtschafteten Überschüsse ins Eigenkapital stecken. Das zahlt sich gerade jetzt aus", sagt Marohn. Der Vorstand des VR-Bankvereins betont zudem die Stärke der Unternehmen in der Region: "Unsere regionalen Unternehmen haben mit großer Resilienz auf die vergangenen Krisen reagiert. Viele Betriebe haben ihre Lieferketten diversifiziert und ihre Abhängigkeiten deutlich reduziert."Osthessen zögern bei großen Ausgaben
Die Zurückhaltung bei Investitionen spiegelt sich auch im veränderten Konsumverhalten wider. Zwei der drei Banken berichten von einer spürbaren Vorsicht in der Bevölkerung. "Insbesondere größere Anschaffungen, wie Immobilieninvestitionen und Wohnungsbauprojekte, sind zurückgegangen", so Emmert. Zugleich würden die Sparraten steigen – ein Zeichen dafür, dass viele Osthessen sich auf unsichere Zeiten vorbereiten. Die Sparkasse beobachtet ein ähnliches Phänomen: "Bei unsicheren Einkommensperspektiven und steigenden Lebenshaltungskosten verschieben die meisten privaten Haushalte größere Anschaffungen", erklärt Marohn. Der Vorstand des VR-Bankvereins ordnet die Lage differenziert ein: "Trotz der gestiegenen Lebenshaltungskosten beobachten wir derzeit keine strukturelle Konsumzurückhaltung. Die Kaufkraft wurde vielerorts durch spürbare Lohnzuwächse und Tarifabschlüsse stabilisiert."Trump-Zölle treffen Osthessen
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die internationale Handelspolitik – speziell die Zölle, die unter der Trump-Administration eingeführt wurden. Für osthessische Unternehmen hat das spürbare Folgen. "Die US-Zölle verschlechtern direkt die Exportmöglichkeiten unserer Unternehmen", betont Emmert. Die Sparkasse ist in ihrer Bewertung zurückhaltender, warnt aber: "Für unmittelbar oder mittelbar im Export tätige Unternehmen ist diese Unsicherheit eine sehr schwierige Situation", sagt Marohn. Der Vorstand des VR-Bankvereins blickt ebenfalls mit Sorge auf die Entwicklungen: "Unternehmen mit starkem Export in die USA werden es auf absehbare Zeit schwieriger haben."Wachstum trotz Widrigkeiten – Koalition kann helfen
Trotz der Herausforderungen sehen die drei Banken auch Chancen – vornehmlich in der mittelständischen Struktur der Region. "Sobald sich die wirtschaftliche Lage stabilisiert, erwarten wir Nachholeffekte bei Investitionen", so Emmert. Der Mittelstand sei in der Lage, flexibel und schnell auf Veränderungen zu reagieren. "Diese Stärke wird auch künftig genutzt werden, um aus aktuellen Herausforderungen Chancen für nachhaltiges Wachstum zu machen." Auch der VR-Bankverein-Vorstand erkennt Potenzial: "Wir sehen Chancen in der verstärkten Ausrichtung auf binnenwirtschaftliche Wertschöpfung. Die aktuelle Lage könnte zur weiteren Stärkung regionaler und europäischer Liefer- und Produktionsnetzwerke führen."Auch politisch stehen Veränderungen an, die Einfluss auf die Finanzmärkte haben könnten. In Berlin entsteht eine Koalition aus CDU/CSU und SPD – mit potenziellen Folgen für die Bankenlandschaft. "Wir wünschen uns stabile Verhältnisse, klare Rahmenbedingungen und Planungssicherheit", sagt Emmert. Die Sparkasse bewertet den Koalitionsvertrag vorsichtig optimistisch: "Die Belange kleinerer Banken und Sparkassen sollen künftig stärker berücksichtigt werden – das ist ein gutes Signal", erklärt Marohn. Und auch der VR-Bankverein sieht Chancen: "Sollten planungsrechtliche Hürden abgebaut und Genehmigungsverfahren beschleunigt werden, wäre dies ein wichtiger Impuls für die Bauwirtschaft. In der Folge könnten wir eine Zunahme von Bauvorhaben und damit verbundenen Finanzierungsanfragen erwarten." (Constantin Butler) +++