
Alarmierend: Gewalt gegen Mitarbeiter in Krankenhäusern nimmt stetig zu
22.04.25 - Wenn Gewalt diejenigen trifft, die helfen und sich für andere Menschen einsetzen, muss eine funktionierende Gesellschaft aufmerksam werden. In der hessischen Landeshauptstadt Wiesbaden wurden nun Zahlen veröffentlicht, die nachdenklich stimmen. Im Jahr 2024 wurden 189 Mitarbeitende hessischer Krankenhäuser Opfer von Gewalt eine alarmierende Zahl.
2023 waren es mit 206 Betroffenen sogar noch mehr. Die Zahlen des Gesundheitsministeriums in Wiesbaden stammen aus der Kriminalstatistik, in der gezielt nach Tatorten in Kliniken und Krankenhäusern gesucht wurde. OSTHESSEN|NEWS hat bei Vertretern der Krankenhäuser im Landkreis nachgefragt – und auch hier zeichnet sich ein klares Bild ab.
Im Klinikum Fulda wird laut Pressesprecherin Barbara Froese ein freundlicher und respektvoller Umgang mit den Patientinnen und Patienten gepflegt – und dieser wird, bis auf wenige Ausnahmen, auch erwidert. In den vergangenen Jahren sei es jedoch vermehrt zu verbalen und gelegentlich auch zu körperlichen Übergriffen gekommen. Hauptsächliche Schauplätze der Vorfälle im Klinikum Fulda seien die Zentrale Notaufnahme sowie die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie.
Verhalten der Patienten hat sich verändert
Auch Viktoria Schmitt, Pressesprecherin des Herz-Jesu-Krankenhauses, berichtet Ähnliches: "Leider müssen auch wir im Herz-Jesu-Krankenhaus vermehrt feststellen, dass sich das Verhalten gegenüber unserem Klinikpersonal verändert hat. Über die Jahre ist der Ton merklich schärfer geworden, und die Atmosphäre wirkt impulsiver. Unsere Mitarbeitenden sind verschiedenen Formen verbaler und nonverbaler Aggression, verbalen Angriffen und physischen Bedrohungen ausgesetzt gewesen.
Das Spektrum der Übergriffe reicht von respektlosem Verhalten und massiven Beleidigungen bis hin zu Drohungen, Belästigungen und aggressivem Verhalten wie Randale. Zu körperlichen Übergriffen kam es jedoch nur vereinzelt." Besonders betroffen sei laut Schmitt auch im Herz-Jesu-Krankenhaus die Notaufnahme.
Die hohe Belastung im Krankenhausbetrieb – vor allem in der Notaufnahme – sowie die emotionalen Ausnahmesituationen für viele Betroffene gelten als wesentliche Auslöser. Darüber hinaus seien auch andere Bereiche wie die Stationen und insbesondere die Kinder- und Jugendpsychiatrie betroffen.
Sebastian Mock, Klinikgeschäftsführer der Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld, teilt den Eindruck der Fuldaer Krankenhäuser: "Auch wir beobachten leider, dass der Ton im Umgang mit unserem Personal zunehmend rauer wird – insbesondere in unserer Notaufnahme. Zu strafrechtlich relevanten Vorfällen wie Tätlichkeiten ist es bei uns bislang glücklicherweise noch nicht gekommen."
Schutz der Mitarbeiter steht in allen Häusern im Fokus
Der Schutz der Mitarbeitenden hat für alle osthessischen Krankenhäuser höchste Priorität. In ihrer Strategie setzen alle Einrichtungen auf Prävention und gezielte Schulungen. "Die Mitarbeitenden unserer Zentralen Notaufnahme (ZNA) sind gut geschult und reagieren situativ deeskalierend. In den meisten Fällen lässt sich die Situation beruhigen. In Einzelfällen müssen wir jedoch auch die Polizei um Unterstützung bitten", so Barbara Froese vom Klinikum Fulda.
Laut Froese sei es gelungen, die Zahl der Vorfälle in der Klinik für Psychiatrie durch spezielle Schulungen und Konzepte zu reduzieren. Dennoch werde jeder Vorfall zentral bei der Landesärztekammer Hessen gemeldet und evaluiert. Im schlimmsten Fall spreche das Klinikum zum Schutz der Mitarbeitenden auch Hausverbote aus.
Auch im Herz-Jesu-Krankenhaus Fulda wurden die Mitarbeitenden gezielt in Sicherheits- und Präventionskonzepte eingewiesen. Neben Schulungen setzt man dort auf die Aufklärung der Patientinnen und Patienten. So werde beispielsweise erklärt, warum es in der Notaufnahme zu längeren Wartezeiten kommen könne – etwa aufgrund medizinischer Dringlichkeiten.
"Es gibt klare Handlungsanweisungen, wie im Ernstfall zu reagieren ist – vom Rückzug über das Aktivieren unserer Deeskalationsmaßnahmen bis hin zur Zusammenarbeit mit Behörden oder der Polizei in kritischen Situationen. Ein zentrales Element ist unsere Deeskalationsschleife, über die jederzeit schnell qualifizierte Kolleginnen und Kollegen hinzugezogen werden können, wenn eine Situation zu eskalieren droht. Ergänzend bieten wir regelmäßig Schulungen sowie professionelle Deeskalations- und Kommunikationstrainings an – nicht nur für das medizinische Personal, sondern für alle Berufsgruppen im Haus, dank der Zusatzqualifikationen einzelner Mitarbeitender", so Viktoria Schmitt. Im Herz-Jesu-Krankenhaus existiert – ähnlich wie im Klinikum Fulda – ein vertrauliches Meldesystem, an das sich Mitarbeitende bei Vorfällen wenden können.
Die Helios St. Elisabeth Klinik Hünfeld hat für die Nachtstunden eine Sicherheitsschleuse eingerichtet: "Patientinnen und Patienten warten zunächst in einem Vorraum und werden anschließend gezielt einzeln eingelassen. Zusätzlich steht unserem Team eine interne Notfallnummer zur Verfügung, über die bei Bedarf kurzfristig weitere diensthabende Mitarbeitende zur Unterstützung gerufen werden können", erklärt Klinikgeschäftsführer Sebastian Mock. Zudem habe das Notaufnahme-Team an einem zweitägigen Deeskalationstraining teilgenommen.
Gewalt gegen Helferinnen und Helfer bleibt ein ernstzunehmendes Thema – und die osthessischen Krankenhäuser nehmen es sehr ernst. Gewalt gegen Klinikpersonal, Rettungskräfte oder Feuerwehr ist unentschuldbar. Ob die Zunahme an gemeldeten Fällen tatsächlich auf mehr Vorfälle oder auf eine höhere Sensibilität und bessere Meldemöglichkeiten zurückzuführen ist, bleibt unklar. Klar ist jedoch: Wer im Gesundheitswesen, bei der Rettung oder im Polizeidienst arbeitet, begegnet häufig Menschen in Ausnahmesituationen – und braucht ein hohes Maß an sozialem Geschick, um damit umzugehen.
Neben den alarmierenden Zahlen ist besonders positiv zu bewerten, dass erheblich in Prävention, Aufklärung und Deeskalation investiert wird – zum Schutz all jener, die täglich für andere da sind. (Adrian Böhm) +++