Abgeklärt und mit sich im Reinen: der scheidende Präsident des Landgerichts Fulda Dr. Jochen Müller - Fotos: Hannes Mayer

FULDA Leidenschaftlicher Jurist

Gerichtspräsident Dr. Müller verabschiedet sich: "Kein Job wie jeder andere!"

01.05.25 - Als Dr. Jochen Müller vor exakt neun Jahren als neuer Landgerichtspräsident nach Fulda kam, gab es nicht wenig Misstrauen, dass er es wie viele seiner Vorgänger halten und seinen Posten in der Provinz nur als Übergang zu einer noch besser dotierten Position verstehen würde. Damals hatte er versichert: "Ich komme, um zu bleiben." Und er hat Wort gehalten und damit dem Landgericht einen großen Dienst erwiesen. Jetzt, da ihn nur noch wenige Tage von seinem Ruhestand trennen, stehen mehrere Kisten in seinem Büro - es sieht nach Auf- und Ausräumen aus, aber der Schreibtisch ist noch voll bepackt.

Dass er am Landgericht nicht ausschließlich mit den Verwaltungsaufgaben der Justiz beschäftigt war, sondern auch als Vorsitzender Richter der 3. Strafkammer Verfahren leitete, hatte ihn an seiner Aufgabe in Fulda gereizt. Das habe er bei seiner vorherigen Arbeit im hessischen Justizministerium in Wiesbaden vermisst, sagte der Jurist, der vorher fast 20 Jahre als Richter am Landgericht Frankfurt am Main, beim Oberlandesgericht und später als Vorsitzender Richter am Landgericht Recht sprach. "Rechtsfrieden herzustellen, das ist eben kein Job wie jeder andere, sondern schon eine Berufung für mich."

Akribisch vorbereitet

Seine Kollegen loben an seiner Prozessführung, dass er in jedem Fall akribisch vorbereitet war. "Das war immer mein Anspruch", bestätigt er, man müsse als Richter das Leben des Angeklagten quasi besser kennen als dieser selbst. Seine Vorbereitung geht über reines Aktenstudium oder die Kenntnis der Vorstrafen weit hinaus. "Ich will wirklich wissen, mit wem ich es auf der Anklagebank zu tun habe. Dafür recherchiere ich auch im Internet nach Hinweisen zu dessen Vorgeschichte. Ich will verstehen, was hinter einer Tat steckt, nicht, um sie zu entschuldigen, sondern um sie richtig beurteilen zu können." Diese Investition in das Verfahren verkürzt im besten Fall dessen Dauer und schafft Rechtssicherheit. Nicht von ungefähr haben alle Urteile von Richter Dr. Müller gehalten - nur ein einziges Verfahren wurde noch einmal aufgerollt.

Im Gespräch mit O|N-Redakteurin Carla Ihle-Becker

Zu dieser Art von Pflichtauffassung passt auch die Tatsache, dass der 67-Jährige noch exakt bis zum 30. April weiterarbeitet - und keinen Tag weniger. Hat er keinen Resturlaub mehr? "Den lasse ich verfallen", sagt er knapp, es sei noch zu viel zu regeln und zu tun, denn natürlich will er seinem Nachfolger Dr. Patrick Liesching ein wohl bestelltes Haus übergeben.

Außergerichtliche Probleme: Marodes Gebäude, Corona und Digitalisierung

Im Landgericht sieht es nach wie vor aus wie auf einer Baustelle

Schon seit Jahren bröckelte der Putz in dem Behördenbau aus den 90er Jahren von Wand ...

Im Rückblick haben ihn in Fulda zusätzlich zu seinen Verwaltungs- und Richteraufgaben außerordentliche Probleme beschäftigt, von Beginn an und bis zuletzt die Baufälligkeit seines Arbeitsplatzes und dem seiner Kollegen: In der Justizbehörde musste der schadhafte Putz abgeschlagen werden, die nackten Wände und Decken, von denen bis heute die Kabel baumeln, haben Dr. Müller zum harschen Ausspruch, die "verranzte Bude" schade dem Ansehen der Justiz, veranlasst. Den für die Sanierung notwendigen Interims-Umzug in das ehemalige Finanzamt nebenan, der hohe Kosten verursacht, wird er nicht mehr mitmachen müssen.

Das zweite ungeplante Ereignis waren die Herausforderungen der Corona-Pandemie. "Diese schwierige Zeit haben wir gemeinsam insgesamt gut bewältigt, was sicher auch an der eher unerschrockenen Mentalität der Fuldaer lag. Wir haben umsichtig, mit Vernunft und Augenmaß weitergemacht", lobt er. Schon kurz danach hätte er in den Ruhestand gehen können. "Aber ich wollte den Aufbruch nach der Pandemie gemeinsam mit meinem Team erleben", sagt er. Auch mit der Digitalisierung, der Umstellung auf die elektronische Akte waren und sind noch dicke Bretter zu bohren. Während der neun Jahre seien enge Bindungen zu seiner 'Justizfamilie' gewachsen, die gute Zusammenarbeit habe seine Tätigkeit immer erleichtert. "Ich bin wirklich jeden Tag gern zur Arbeit gekommen."

Ab Mai will er nachholen, was während seiner Arbeitszeit zwangsläufig immer zu kurz kam: mehr Zeit mit seiner Frau, seinen beiden Töchtern und drei Enkeln verbringen, mehr reisen und Rennrad fahren. Zwei juristische Bereiche werden ihn weiter beschäftigen: die Abnahme von Prüfungen angehender Juristen und seine Mitgliedschaft in einer Schiedskommission für Psychotherapeuten. "Alles hat seine Zeit", sagt er sichtlich abgeklärt und mit sich im Reinen. Mit guten Ratschlägen aus dem Ruhestand wird Dr. Müller seine Kollegen und seinen Nachfolger ganz sicher verschonen. Die offizielle Amtswechselfeier, mit der Dr. Müller verabschiedet und sein Nachfolger Dr. Liesching in sein Amt eingeführt wird, ist für einen späteren Zeitpunkt terminiert worden. (Carla Ihle-Becker)+++


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