

Faust in einfacher Sprache vom Freien Theater Fulda und Theater mittendrin
27.04.25 - Wenn Elon Musk zum Mond fliegen will, Wladimir Putin die Sowjetunion zurück und Donald Trump Amerika zur eigenen Spielwiese erklärt, ohne Rücksicht auf Verluste, dann kommt man nicht umhin, einen gewissen Hang zum Größenwahn festzustellen. Ein Wahn, der über die Selbsterfüllung hinausgeht, weil er die Grenzen anderer keinesfalls respektiert. Die "Faust" Produktion des Freien Theaters Fulda zusammen mit dem Theater mittendrin, die Ende dieser Woche Premiere feierte, wies erschreckende Parallelen auf zu dem, was gerade in unserer Welt passiert und inszenierte Heinrich Faust als einen verzweifelten, vor allem aber nach Macht hungernden Mann, der zuletzt seine große Liebe ins vollkommene Verderben stürzt.
Doch von Anfang an: als Zuschauerin und Zuschauer im Theater mittendrin wurde man mit einer kurzen Erzählung in "Faust – eine Challenge" eingeführt. Das lange Werk von J.W. Goethe in kurz, knapp und verständlich auf die Bühne zu bringen, sei das Ziel der beiden Darstellerinnen Jessica Stukenberg (Freies Theater Fulda) und Barbara Gottwald (Theater mittendrin) zusammen mit ihrem Team (u.a. Anthony Richards, Christoph Gottwald, Wera-Marianne Arndt, Oliver Nedelmann, Lina Gemming, Gudrun Richter, Michelle Fischer, Christof Krackhardt, Sascha Poldrack). Es lässt sich vorwegsagen, dass dies ausgezeichnet gelungen ist. Die kurzweiligen 60 Minuten geben einen Einblick in die wichtigsten Szenen und die Geschichte rund um die Wette, die Gott und Mephisto abschließen.
Es geht um die Frage, ob der Mensch gut sei oder das Böse in sich trage und seine dunkle Seite gewinne. Versuchsobjekt ist der Wissenschaftler Heinrich Faust, welcher im gehobenen Alter mit sich und der Welt hadert, schließlich habe er weder erkennen können "was die Welt im Innersten zusammenhält", noch seine Jugend voll ausgelebt mit all ihren Vorzügen. Mephisto eilt zu Hilfe und verführt den dafür anfälligen Faust zu einem Pakt, mit dem er sein Leben voller unbegrenzter Möglichkeiten leben könne – der Preis dafür sei lediglich seine Seele im Jenseits. "Was interessiert es mich, was nach dem Tod kommt", schwadroniert Faust und geht auf die Wette ein. Er erlebt darauf hin alles, was er sich erträumt hat, von edlen Speisen über schnelle Autos bis hin zur Liebe zu einem unschuldigen Mädchen – mit dramatischen Folgen.
Jessica Stukenberg spielt ihre Faust-Figur einerseits hervorragend zerbrechlich und grüblerisch, doch zugleich von diesem inneren Ehrgeiz getrieben, nochmal das Beste aus dem Leben herauszuholen. Am Ende kommt er durchaus ins Straucheln in seiner Sorge um Gretchen und dem Bewusstsein, dass er ganz wesentlich an der Tragik ihres Schicksals beteiligt, ja sogar verantwortlich ist. Doch Stukenberg enttarnt dies zugleich fast als vorübergehende Laune, denn schnell wird klar, dass Faust trotz seiner scheinbar hehren Ziele im Streben nach Erkenntnis und Nachhaltigkeit in den niederen, irdischen Bedürfnissen nach Macht, Lust und Anerkennung haften bleibt und damit eine nahezu erschreckende und unfassbar gelungene Parallele zu aktuellen Weltgeschehen auf die Bühne projiziert.
Barbara Gottwald wiederum liefert mit Bravour einen tänzelnden, kichernden, sich seiner Kraft vollkommen bewussten Teufel im knallig roten Ledermantel und zugleich das naive und zerbrechliche Gretchen, das zum Spielball von Fausts Bedürfnissen wird. Als diese am Ende des Stückes schwerste Schicksalsschläge erleidet, trägt Gottwald ihren Schmerz zu uns, der einem mehr als einmal die Tränen in die Augen treibt.
Am Ende hat das Stück einen bleibenden Eindruck hinterlassen: hier wurde ein Faust inszeniert, der verständlich ist, der aktueller ist, als man es von einem mehr als 200 Jahre alten Stück erwarten würde. Eine Produktion, die mitreißt, die uns zum Lachen und zum Weinen bringt und die uns fühlen lässt, dass wir alle Menschen sind mit niederen und höheren Beweggründen und dass Selbsterfüllung unbedingt sein darf – jedoch nur bis zur Schmerzgrenze anderer. Eine Botschaft, die wir in den heutigen Zeiten sehr gut gebrauchen können.
Vorstellungen laufen wieder im Herbst 2025 im Theater mittendrin. Das Stück, das von der Stadt Fulda, der Teilhabe Wetterau und der Aktion Mensch gefördert wurde, kann zudem gebucht werden, beispielsweise für Schulklassen. Alle weiteren Infos gibts unter www.faust-einfach.de (Anne Baumann) +++