
Fehlzeiten und Betrug um Mitarbeiter-Gelder: Fuldaer AfD-Funktionäre in Kritik
09.05.25 - Fehlzeiten und Betrug um Gelder für Mitarbeiter der AfD im EU-Parlament in Brüssel: Eine Recherche der ARD-Sendung "Kontraste" am Donnerstagabend führt in dieser Sache bis nach Osthessen.
Im wohl prominentesten Fall geht es um die französische Rechtspopulistin Marine Le Pen. Sie wurde in Paris wegen der Veruntreuung von Geldern schuldig gesprochen und zu vier Jahren Haft auf Bewährung, elektronischer Fußfessel, und 100.000 Euro Geldstrafe verurteilt. Le Pen soll in ihrer Zeit als EU-Abgeordnete Mitarbeiter für Aufgaben eingesetzt haben, die nicht deren Funktion entsprachen. Jetzt kommen durch "Kontraste"-Recherchen weitere Fälle ans Licht - mit Verstößen in Millionenhöhe.
In den Fokus geriet durch die Ermittlungen auch die AfD-Europaabgeordnete Christine Anderson und zwei ihrer ehemaligen Mitarbeiter, Jens Mierdel und Pierre Lamely. Anderson ist stellvertretende Kreisvorsitzende des AfD-Kreisverbands Fulda.
Klarer Regelverstoß der Mitarbeiter
Fakt ist: Im EU-Parlament gelten für Parlamentsassistenten klare Regeln. Sie dürfen nicht für die Partei oder private Belange ihrer Abgeordneten arbeiten, da sie vom Parlament bezahlt werden. Außerdem werden sie aus Steuergeldern bezahlt, müssen an einem der Parlamentssitze wohnen und dürfen während der Arbeitszeiten nur EU-Angelegenheiten bearbeiten.
Laut den "Kontraste"-Recherchen ermittelte das Parlament gegen den früheren Mitarbeiter von Anderson, Jens Mierdel. Er soll alleine im Jahr 2021 mehr als 127 unerlaubte Fehlstunden, wegen "politischer Aktivitäten" in der Heimat, gesammelt haben. Dabei war der offizielle Arbeitsort Brüssel. Er war unter anderem im Fuldaer Kreistag und bei den Jungen Alternativen Hessen aktiv. Mierdel behauptet, das sei mit seiner Chefin alles so abgesprochen gewesen. "Sie hat mir da entsprechend problemlos Freiräume eingeräumt und das über anderthalb Jahre hinweg", sagte er gegenüber "Kontraste".
Christine Anderson hingegen ließ der ARD-Sendung über einen Anwalt mitteilen, es habe keine pauschalen Vereinbarungen mit Jens Mierdel über Fehlzeiten für sein Engagement in der Heimat gegeben. Die EU-Verwaltung kam allerdings zu dem Schluss, dass sie über seine Abwesenheit nicht unwissend gewesen sein konnte.
Bratwurst in der Rhön statt Arbeit in Brüssel Auch sein Kreistags-Kollege und mittlerweile AfD-Bundestagsabgeordneter, Pierre Lamely, geriet durch die Recherchen in die Kritik.
Sein Wahlkampfauftakt für seine erste Bundestagskandidatur war der 26. Juni 2021. Damals arbeitete er noch für Anderson als deren Büroleiter. Damit hätte er die Parlamentsverwaltung über den Beginn der Kampagne informieren müssen. Es gilt: "Für die Dauer der erklärten offiziellen Wahlkampagne müssen die Assistenten Jahresurlaub oder unbezahlten Urlaub nehmen." Laut "Kontraste" zeigt sich aber, dass er erst zwei Monate nach dem Wahlkampfauftakt beim Parlament angab, dass seine Kampagne nun starte.
Er gab außerdem an, dass sein Wahlkampf im September 2021 wegen Krankheit geruht habe. Tatsächlich soll er aber am Rhöner Grabenhöfchen an einem Wahlkampfstand Bratwurst gegrillt haben. Das belegen Fotos und Videos in Sozialen Medien, die er selbst online gestellt hatte.
Sein Anwalt teilt gegenüber der ARD-Sendung mit: "Dass unser Mandant den Sachverhalt nicht mehr sicher in Erinnerung haben kann, ist verständlich und menschlich." Später stellte das EU-Parlament fest, dass Lamely unbezahlten Urlaub hätte nehmen müssen.
Jens Mierdel wurde am Ende von der Parlamentsverwaltung nur schriftlich ermahnt. Jetzt will sich Niclas Herbst (CDU), Vorsitzender Haushaltskontrollausschuss Europaparlament, um diese Fälle kümmern. "Wir haben umfangreiche und ganz klare Finanzregeln. An die hat sich jeder zu halten. Und wenn es dort zu Verstößen kommt, dann wollen wir auch das Geld zurück. Und da können wir auch hartnäckig sein", sagt er gegenüber "Kontraste". (Moritz Pappert) +++