

Antisemitische Vorfälle in Hessen explodieren – Steigerung um 75 Prozent
16.05.25 - Die Zahl antisemitischer Vorfälle in Hessen ist im Jahr 2024 dramatisch angestiegen. Das zeigt der neue Jahresbericht der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen), der jetzt in Wiesbaden vorgestellt wurde. Laut Bericht wurden im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. Dezember insgesamt 926 antisemitische Vorfälle erfasst – ein Anstieg um 75 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Hessens Innenminister Roman Poseck spricht von einer "erschreckenden Entwicklung" und betont die Verantwortung Deutschlands, jüdisches Leben konsequent zu schützen.
Die gemeldeten Vorfälle reichen von Beleidigungen, Bedrohungen und antisemitischen Aussagen bis hin zu Angriffen auf jüdische Personen und Einrichtungen. Auch in der Polizeilichen Kriminalstatistik spiegelt sich diese Tendenz wider: Dort wurden im vergangenen Jahr 357 antisemitische Straftaten verzeichnet, zehn mehr als 2023. Den größten Teil dieser Delikte (80 Prozent) machen Volksverhetzung und die Verwendung verfassungswidriger Kennzeichen aus.
"Es beschämt mich zutiefst" Innenminister Roman Poseck zeigte sich tief betroffen angesichts der aktuellen Lage. "Es beschämt mich zutiefst, was Jüdinnen und Juden 80 Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges in Deutschland ertragen müssen", sagte er. Der Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 habe laut Poseck eine "Welle des Hasses" ausgelöst – mit Folgen bis auf deutsche Straßen und in den sozialen Medien. Dort kam es seither vermehrt zu antisemitischen Anfeindungen.
Gleichzeitig betonte der Minister die Bedeutung von Zeitzeuginnen und Zeitzeugen, die die Erinnerung an den Holocaust wachhalten. Besonders würdigte er die am 9. Mai verstorbene Holocaust-Überlebende Margot Friedländer. "Ihre Worte bleiben: ‚Seid Menschen. Wir sind alle gleich.‘", so Poseck. Der Minister verwies auch auf konkrete Schutzmaßnahmen des Landes Hessen. So wurde Anfang März an der Frankfurter Westendsynagoge eine moderne Videoschutzanlage installiert. Die rechtliche Grundlage dafür wurde mit dem neuen hessischen Polizeirecht geschaffen. "Die aktuelle Sicherheitslage macht diese Maßnahme leider erforderlich", erklärte Poseck.
Poseck fordert härtere Strafen Ein weiteres Anliegen des Ministers ist eine gesetzliche Verschärfung auf Bundesebene: Die Leugnung des Existenzrechts Israels solle künftig ausdrücklich unter Strafe gestellt werden. Immer wieder sei es bei Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Nahostkonflikt zu entsprechenden Äußerungen gekommen. "Der gegenwärtige Rechtsrahmen reicht nicht aus", kritisierte Poseck. Er fordert vom Bund eine klare gesetzliche Regelung, um antisemitische Parolen rechtssicher untersagen zu können. Während die aktuelle Bundesregierung das bislang nicht umgesetzt habe, enthalte der neue Koalitionsvertrag der künftigen Regierung entsprechende Vorhaben – für Poseck ein Hoffnungsschimmer.
Zum Abschluss dankte der Minister dem Team von RIAS Hessen für seinen engagierten Einsatz gegen Antisemitismus und für eine offene, demokratische Gesellschaft.
Kommentar: Wenn antisemitische Vorfälle im Herzen unseres Landes derart zunehmen, ist das ein Alarmsignal für unsere gesamte Gesellschaft. Roman Posecks deutliche Worte und seine Forderungen zeigen, dass es nicht ausreicht, nur zu erinnern – es braucht konkrete Taten und klare Grenzen. (Constantin von Butler/pm) +++