Der Thermoskannen-Hersteller Rotpunkt hat einen neuen Besitzer - Archivbilder: Moritz Pappert, Hans-Hubertus Braune, privat

NIEDERAULA Hoffnung für Produktions-Standort?

Ex-Chefin spricht über den Rotpunkt-Verkauf: Saudis oder Insolvenz?

20.05.25 - Ausgerechnet an ihrem Geburtstag wurden die Verträge unterzeichnet: Stephanie Ludwig-Weidemann, ehemalige Geschäftsführerin des traditionsreichen Thermoskannen-Herstellers Rotpunkt aus Niederaula (Landkreis Hersfeld-Rotenburg), erlebte den Verkauf des Unternehmens hautnah mit – als ein Schritt, der zwar schwerfiel, letztlich aber unausweichlich war.

Verkauft wurde Rotpunkt von Eigentümerin Christa Ludwig. Nach zuletzt stark rückläufigen Geschäften, unbezahlten Lieferantenrechnungen und drohender Insolvenz blieb kaum eine andere Option.

Ein Bild vor dem Adventsmarkt im Jahr 2019 mit der ehemaligen Geschäftsführer von ...

"Es war keine leichte Entscheidung", sagt Ludwig-Weidemann, "aber es ging ums Überleben der Marke." Die Gründe für den Verkauf des traditionsreichen Thermoskannen-Herstellers Rotpunkt sind vielfältig. Die anhaltende Wirtschaftskrise setzt insbesondere Produktionsbetrieben zu – vor allem solchen, die stark im Export tätig sind oder es waren. "Seit anderthalb Jahren war es wirklich schwierig. Der deutsche Markt ist praktisch nicht mehr vorhanden. In den Jahren 2023 und 2024 hat sich unser Umsatz halbiert", erklärt Stephanie Ludwig-Weidemann, langjährige Geschäftsführerin von Rotpunkt.

Im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS-Chefreporter Hans-Hubertus Braune gibt Ludwig-Weidemann tiefe Einblicke in ihre Gefühlslage. O|N hatte bereits über die Wirtschaftsnachricht am vergangenen Freitag berichtet. Der Abschied fällt ihr nicht leicht – erst seit wenigen Tagen ist sie nicht mehr Teil des Unternehmens.

"Seit ich 16 Jahre alt bin, habe ich neben Schule und Studium gearbeitet – über 25 Jahre war ich bei Rotpunkt, davon zehn Jahre als Geschäftsführerin", sagt die Schenklengsfelderin. "Das Unternehmen war wie eine Familie für mich. Viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sind seit Jahrzehnten dabei. Es fällt mir unglaublich schwer, zu gehen."

"Eine andere Welt"

Die Ex-Geschäftsführerin spricht über die neuen Eigentümer und den Fortbestand von Rotpunkt.

Trotz der schwierigen wirtschaftlichen Lage ist Stephanie Ludwig-Weidemann erleichtert: Rotpunkt bleibt erhalten. "Uns war besonders wichtig, dass alle Mitarbeiter übernommen werden und ihre Jobs behalten können", betont sie. Die neuen Eigentümer kennt sie gut – Sulaiman Al-Saif ist kein Unbekannter. Er war langjähriger Top-Kunde von Rotpunkt und sprang bereits ein, als ein anderer saudischer Großkunde Rechnungen in Höhe von rund 1,5 Millionen Euro nicht beglich.

Al-Saif gehört zu den wohlhabendsten Unternehmern Saudi-Arabiens – laut eines Zeitungsartikels zu den Top 20 des Landes. In den vergangenen Tagen war er gemeinsam mit dem neuen Geschäftsführer Fahad AlRowiagh und seinem Sohn Ahmad AlSaif in Niederaula zu Besuch. "Die Familie ist bodenständig und hat einen besonderen Bezug zu unseren Thermoskannen", sagt Ludwig-Weidemann. Eine Leidenschaft, die sie selbst teilen kann – und die offensichtlich ernst gemeint ist.

Sie war selbst bereits in Saudi-Arabien zu Gast und schwärmt von der Gastfreundschaft. "Es ist eine ganz andere Welt." Beim jüngsten Besuch in Osthessen logierte die saudische Delegation in einem Mittelklassehotel in Bad Hersfeld – die Anreise erfolgte per Linienflug nach Frankfurt am Main.

Der arabische Markt sei in den vergangenen Jahren zur tragenden Säule geworden. Während der stationäre Einzelhandel in Deutschland fast komplett eingebrochen sei und nur noch das Onlinegeschäft – etwa über Amazon oder Otto – funktioniere, halte der saudische Markt Rotpunkt über Wasser. Ob sich daran in Europa wieder etwas ändert? "Schwer zu sagen", meint Ludwig-Weidemann.

Über den genauen Kaufpreis äußert sich Ludwig-Weidemann nicht. Klar ist jedoch: Um die bestehenden Verbindlichkeiten begleichen zu können, wurde der Kaufpreis um etwa die Hälfte reduziert. So konnten offene Rechnungen, insbesondere gegenüber langjährigen Lieferanten, bezahlt werden.

"Ich bin sehr dankbar, dass unsere Partner sich so lange geduldet haben und uns die Chance gegeben haben, diesen Übergang für alle Seiten positiv zu gestalten", betont sie im Gespräch mit OSTHESSEN|NEWS.

Rotpunkt-Verkauf: Hoffnung auf Fortbestand am Standort Deutschland

Eine zentrale Frage bleibt: Wie sicher ist der Standort Deutschland für Rotpunkt? Das Firmengelände in Niederaula befindet sich weiterhin im Besitz von Christa Ludwig, der Mutter von Stephanie Ludwig-Weidemann. Ihr verstorbener Ehemann Peter Ludwig war bis zu seinem plötzlichen Tod 2015 Geschäftsführer des Unternehmens. Er hatte Rotpunkt vom Firmengründer Dr. Anso Zimmermann übernommen.

Die Thermoskannen mit dem markanten roten Punkt genießen weltweit einen guten Ruf. Nun ist das mittelständisch geprägte Familienunternehmen mit rund 50 Mitarbeitenden in neue Hände übergegangen. Nach Informationen von OSTHESSEN|NEWS hat der neue Eigentümer einen Teil des großflächigen Geländes für einen längeren Zeitraum gepachtet – ein Zeichen, das Hoffnung macht.

Eine Übernahme aus dem Ausland muss kein Risiko bedeuten. Im Gegenteil: Ein frischer Blick auf altgediente Strukturen kann Impulse geben. Möglicherweise braucht es in Deutschland ein stärkeres Umdenken – besonders, wenn Innovationsfreude und Risikobereitschaft andernorts deutlich ausgeprägter sind.

Ein Teil des Areals bleibt unterdessen in der Hand der Familie Ludwig. Was genau dort entstehen wird, ist noch offen. Ludwig-Weidemann blickt trotz allem mit Erleichterung auf die Entwicklung: "Wie gesagt, ich bin wirklich froh, dass es so gekommen ist – auch wenn es hart war." Wäre der Verkauf nicht zustande gekommen, hätte die Insolvenz gedroht. "Dann wären wir damit ja leider nicht allein gewesen", sagt sie mit Blick auf die Lage vieler mittelständischer Betriebe in Deutschland. "Es wird Zeit, dass die deutsche Politik Mittelständler und Kleinbetriebe mehr unterstützt, ansonsten wird es in Deutschland bald kein produzierendes Gewerbe mehr geben."

Für Rotpunkt gab es am Ende keine Alternative – aber vieles spricht dafür, dass der neue Eigentümer den Fortbestand der Marke "Made in Germany" ernst meint. Das Know-how der rund 50 Beschäftigten lässt sich nicht einfach verlagern.

Für Stephanie Ludwig-Weidemann selbst beginnt nun ein neues Kapitel. Ab September übernimmt sie den Landfuxx-Markt in Niederaula, für den ein Nachfolger gesucht wurde. Vom Stillstand hält sie wenig. "Das kann ich nicht", sagt sie – und man glaubt es ihr sofort. Das neue Konzept für den Landfuxx steht bereits und verspricht neue Impulse. Details dazu sollen in Kürze folgen. (Hans-Hubertus Braune) +++


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