
Der letzte seiner Art: Schuhmachermeister Andreas Kugler am Severiberg
29.05.25 - Wer durch die Ladentür in der Rosengasse 1 tritt, den empfängt der wohlbekannte Klebstoffduft. Auch mit verbundenen Augen wüsste man: hier ist eine Schuhmacherwerkstatt. Auf knapp 20 Quadratmetern ist alles untergebracht, was man für die meisterliche Reparatur jedweder Art von Fußbekleidung braucht - inklusive des dreibeinigen Schemels, der vermutlich älter ist als der Inhaber selbst.
Andreas Kugler ist weit und breit der einzige Meister seiner Profession. Wer Wert auf gutes Schuhwerk legt und auch dem Nachhaltigkeitsgedanken zugetan ist, kennt die Adresse am Severiberg. Rund 25 Kunden bringen ihm täglich ihre Schuhe, aber auch Stiefel, teure Lederhandtaschen, Rucksäcke und Gürtel sind bei ihm gut aufgehoben. Vom flotten Sneaker über trendige Sandalen bis zum Reitstiefel richtet Kugler die treuen Treter wieder her. Während unseres Gesprächs kommt der Postbote vorbei und bringt ein größeres Paket. "Das sind Wanderschuhe eines Kunden aus dem Rhein-Main-Gebiet", berichtet Kugler. Offenbar ist es keine Seltenheit, dass seine speziellen Fertigkeiten auch außerhalb Fuldas nachgefragt werden. Die Wiederinstandsetzung solcher Spezialstiefel ist nicht gerade billig, aber Qualität hat ihren Preis. "Wer sich solche teuren Wanderschuhe leistet und sie gut eingelaufen hat, der investiert auch dafür, dass ich sie ihm erhalte", sagt der Meister selbstbewusst. Offenbar hat er mit dieser Spezialisierung eine Marktlücke entdeckt, denn die Nachfrage ist groß. Die speziellen Profilsohlen für Bergschuhe gab es in Deutschland lange Zeit gar nicht - er hatte sie im Wanderurlaub bei einem Meisterkollegen in Tirol entdeckt und dann lange aus Italien importiert. Was ein guter Schuh auf langen Strecken ausmacht, weiß der 61-Jährige aus eigener Erfahrung, denn er wandert selbst gern.
Bei der kostenintensiven Anschaffung von passenden und haltbaren Schuhen lohnt sich konsequente Pflege. Kuglers Tipp: jeden Tag wechseln, nie denselben Schuh an zwei Tagen hintereinander tragen. "Das Leder muss nach dem Tragen 24 Stunden auslüften, dabei helfen auch Schuhspanner aus Holz, die die Feuchtigkeit aufnehmen können", empfiehlt der Fachmann.
Für den Nachwuchs ist gesorgt
Wie kam er denn zu diesem selten gewordenen Beruf? Sein Onkel Karl Witzel, der auf einem Foto an der Wand im Laden hängt, hatte den Laden am Severiberg aufgemacht. "Ich wollte in den 1980er Jahren eigentlich eine Lehre als Metallbauer anfangen, habe aber keine passende Lehrstelle bekommen. Dann hab ich hier Schuhmacher gelernt und hatte Aussicht, das Geschäft irgendwann zu übernehmen." Und was soll werden, wenn er selbst mal in Ruhestand geht? "Mein älterer Sohn macht gerade eine Ausbildung zum Orthopädieschuhmacher und will dann in meine Fußstapfen treten - für den Nachwuchs ist also gesorgt", sagt er stolz.
Auf besondere Kundinnen verweist eine Danksagung an den "Herrn Schuhmachermeister Andreas" auf dem Porträtfoto von Silvia Seidel, die die Ballettschülerin in der ZDF-Weihnachtsserie Anna spielte. "Die stand hier im Schlosstheater auf der Bühne und brauchte für ihren Auftritt am Abend ganz dringend eine Schuhreparatur", berichtet der Meister. Und ein paar rote Gardestiefeletten, vom Tanzen offenbar ziemlich strapaziert, warten im Regal noch auf das Tanzmariechen, das sie zum Schuhmacher brachte.
Vegane Sonderwünsche
Eine andere Kundin ist ihm ebenfalls im Gedächtnis geblieben, deren Sportschuhe er innen an der Ferse mit einer Ledereinfassung repariert hatte. "Die kann ich jetzt nicht mehr tragen!", hätte die junge Frau beim Abholen reagiert, denn sie sei Veganerin und trage deshalb auch kein Leder. Seitdem habe er für solche Spezialfälle textiles Material in mehreren Farben angeschafft - denn Kundenwünschen nachzukommen, sei ihm eine Selbstverständlichkeit, sagt Andreas Kugler. "Es muss halt passen!" (Carla Ihle-Becker)+++