

Bischof Gerber betont Verantwortung für Versöhnung und Aufarbeitung
08.06.25 - In seiner Pfingstpredigt im Fuldaer Dom hat Bischof Dr. Michael Gerber die Kirche als "Zeichen und Werkzeug der Einheit" in einer zunehmend polarisierten Welt beschrieben. Angesichts globaler Spannungen, innerkirchlicher Herausforderungen und der bevorstehenden Veröffentlichung des Abschlussberichts zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Fulda rief er dazu auf, sich der eigenen Geschichte zu stellen, als Voraussetzung für Hoffnung und Zukunft.
Pfingsten sei das Fest der Verständigung und der Einheit, so Gerber. In diesem Jahr habe es bereits zwei "pfingstliche Momente" gegeben: das Requiem für Papst Franziskus und die Amtseinführung von Papst Leo XIV. in Rom.
Bischof Gerber hatte als stellvertretender Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz an der Feier zur Amtseinführung des neuen Papstes auf dem Petersplatz teilgenommen. "Viele, die sich sonst nichts zu sagen haben, saßen plötzlich beieinander", sagte der Bischof mit Blick auf die politischen und religiösen Vertreter auf dem Petersplatz. Dies sei ein starkes, "ja: ein pfingstliches Zeichen".
Petrus als Spiegelbild der Kirche
Gerber schlug eine Brücke zur biblischen Pfingstszene: Petrus, der Jesus in der Nacht seiner Verhaftung am Gründonnerstag dreimal verleugnete, wird zum Verkünder der Einheit. "Zum Sauerteig wird der pfingstliche Petrus, weil er sich zuvor seiner eigenen Geschichte der Zerrissenheit gestellt hat", so der Bischof. Petrus stehe damit für eine Kirche, die sich ihrer Schuld nicht entzieht, sondern sie als Teil ihrer Identität annimmt.
"Wenn uns das Evangelium so plastisch Petrus als den Felsen der Kirche mit seinen Rissen zeigt, dann dürfen wir uns in unseren Tagen auch die Risse der Kirche selbst zeigen lassen", sagte Gerber. Die Kirche müsse sich den fatalen Folgen stellen, "unter denen viele Betroffene gelitten haben und fortgesetzt leiden".
Aufarbeitung als Weg zur Glaubwürdigkeit
Mit Blick auf die bevorstehende Veröffentlichung des Abschlussberichts der Unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung sexualisierter Gewalt im Bistum Fulda am 17. Juni betonte Gerber: "Die Auseinandersetzung mit der eigenen Geschichte ist schmerzhaft, aber Voraussetzung dafür, Zukunft gestalten zu können." Die Kirche müsse sich ihrer Verantwortung stellen – nicht aus äußerem Druck, sondern aus innerer Überzeugung.
Bereits im Vorfeld hatte der Bischof im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur erklärt: "Nur wer kritisch auf die eigene Vergangenheit zurückblickt, kann zuversichtlich in die Zukunft schauen." Die Aufarbeitung geschehe "aus Respekt vor den Betroffenen und im Bewusstsein unserer Verantwortung".
Hoffnung braucht Ehrlichkeit
In seiner Pfingstpredigt erinnerte Gerber daran, dass Hoffnung mehr sei als Optimismus: "Hoffnung rechnet mit dem Scheitern. Hoffnung weiß um Grenzen, um Abgründe, um Enttäuschungen, um Verletzungen." Zukunft habe nur, wer bereit sei zu lernen – auch aus den dunklen Seiten der eigenen Geschichte.
"Petrus kann sich dem stellen, weil er zugleich erfährt: Ich bin angenommen, auch mit meinen dunklen Seiten, auch mit meinem Versagen", so der Bischof. Diese Erfahrung sei grundlegend für eine Kirche, die glaubwürdig Zeichen der Hoffnung sein wolle.
Verantwortung für Gesellschaft und Zusammenhalt
Die Kirche habe auch heute einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft zu leisten, so Gerber. In einer Zeit wachsender Spannungen und Polarisierungen sei sie aufgerufen, "Zeichen und Werkzeug der Einheit" zu sein – im Dialog mit anderen Konfessionen, Religionen und allen Menschen guten Willens.
Papst Leo XIV. habe diesen Auftrag in seiner Antrittspredigt unterstrichen, so Geber. Der Papst sprach dabei von einer Kirche, "die in dem einen Christus eins ist" – und rief dazu auf, gemeinsam mit anderen Konfessionen, Religionen und Menschen guten Willens "eine neue Welt aufzubauen, in der der Friede herrscht".
Musik, Jugendfestival und Bonifatiusfest
Der Domchor unter der Leitung von Domkapellmeister Franz-Peter Huber gestaltete den Gottesdienst musikalisch mit Chorsätzen aus der "Messa Purpura et byssum" von Orazio Benevoli sowie Werken von Heinrich Schütz, Gregor Aichinger und Giovanni Pierluigi da Palestrina. An der großen Domorgel spielte Alexander Grün (Bingen). Wie in allen katholischen Gottesdiensten wurde am Pfingstfest auch im Fuldaer Dom für das Osteuropa-Hilfswerk "Renovabis" gesammelt.
Bereits am Vorabend hatte Bischof Gerber gemeinsam mit Pfarrer Carsten Noll, Diözesanjugendseelsorger Pater André Kulla OMI und zahlreichen Jugendlichen im Rahmen eines Pfingstfestivals für junge Erwachsene einen "Abend der Barmherzigkeit" im aufwändig beleuchteten Fuldaer Dom gefeiert.
Bonifatiusfest am Pfingstmontag
Am Pfingstmontag (9. Juni) wird das Bonifatiusfest auf dem Fuldaer Domplatz gefeiert. Der Gottesdienst beginnt um 9:30 Uhr unter dem Leitwort des Heiligen Jahres: "Pilgernd in der Hoffnung unterwegs". Bischof Gerber wird die Festmesse zelebrieren und predigen. Konzelebranten sind u. a. Weihbischof Prof. Dr. Karlheinz Diez, Bischof em. Heinz Josef Algermissen, Bischof Diamantino Guapo Antunes (Mosambik), P. Heribert Müller SJ sowie Generalvikar Dr. Martin Stanke. www.bistum-fulda.de
Stichwort: Pfingsten
Pfingsten, die Erinnerungsfeier an die Sendung des Heiligen Geistes am 50. Tag nach Ostern, ist eines der Hauptfeste des Kirchenjahres. In der Apostelgeschichte wird berichtet, wie die Jünger Jesu durch das Pfingstwunder "mit Heiligem Geist erfüllt wurden und begannen, mit anderen Zungen zu reden" (Apg 2,4). Mit Pfingsten endet die österliche Festzeit. Das Wort leitet sich vom griechischen "pentekosté" ab – "der fünfzigste". (ms/pm)+++