

Wir sind Freunde und Brückenbauer
08.06.25 - 70 Jahre Freundschaft zwischen Fulda und Oberglogau (Glogówek): Wie immer an Pfingsten findet hier das Heimattreffen statt, in diesem Jahr zum 35. Mal. Es waren etwas weniger Oberglogauer als sonst nach Fulda gekommen, weil zeitgleich in Glogau die 800-Jahr-Feier stattfindet. Wer aber kam, tat dies aus Überzeugung und war mit ganzem Herzen dabei. Denn diese Tage ermöglichen Begegnung, Austausch und gemeinsames Erinnern.
Der Begegnungsabend im Gelben Saal der Orangerie begann etwas verspätet, aber dafür muss man Verständnis haben – das gute Essen im Dianakeller will man schließlich nicht herunterschlingen, sondern genießen. In seinem Grußwort akzentuierte Oberbürgermeister Dr. Heiko Wingenfeld, was er für zentral in dieser Freundschaft hält: "Die Freundschaft zwischen Oberglogau und Fulda steht für Verständigung und Brückenbau". Sie lebe vom Engagement einiger, ganz besonders sei hier die Familie Hauptstock zu nennen. Günter Hauptstock, der Sprecher der Oberglogauer, hatte am Nachmittag bereits einen informativen Lichtbildervortrag zum Thema "Die Oberglogauer 700-Jahr-Feier 1925" gehalten.
Die Acht-Uhr-Glocke
"Oberglogau steht in meinen Augen für Verständnis und Brückenbau", sagte Oberbürgermeister Wingenfeld und betonte: "Wir erfahren jeden Tag aufs Neue, dass die deutsch-polnische Freundschaft nicht selbstverständlich ist, sondern immer wieder neu erarbeitet werden muss." Das schönste Symbol der Freundschaft zwischen Fulda und Oberglogau sei die sog. "Acht-Uhr-Glocke". Ursprünglich hing sie im Franziskanerkloster von Oberglogau, im Zweiten Weltkrieg sollte sie eingeschmolzen werden. Diesem Schicksal entging sie, Anfang der 1950er Jahre entdeckte der ehemalige Reichsgraf von Oppersdorf die unversehrte Glocke im Hamburger Hafen. Er suchte einen angemessenen Platz, um die Glocke aufzuhängen und fand diesen im Hohen Dom zu Fulda. Am 6. Juni 2001 wurde die Glocke an ihrem angestammten Platz im Glockenturm der Klosterkirche in Oberglogau zurückgebracht. "Die Geschichte dieser Glocke steht für die wechselvolle deutsch-polnische Geschichte mit all ihren Abgründen, aber eben auch der Versöhnung", so Oberbürgermeister Dr. Wingenfeld.
Deutsch dank des deutschen Fernsehens Brücken baut auch Sprache. Sebastian Gerstenberg, der Beauftragte für Partnerstädte und Patenschaften in Oberglogau, spricht fließend Deutsch mit leisem schlesischem Zungenschlag. Als ich ihn frage, woher er so gut Deutsch könne, erzählt er: "Ich bin autochthoner Deutscher. Meine Eltern sprachen zuhause mit meiner fünf Jahre älteren Schwester immer Deutsch, also Schlesisch. Als sie in die Schule kam, hatte sie dann aber Probleme mit dem Polnischen, deshalb sprachen meine Eltern mit mir Polnisch, damit sich das nicht wiederholt. Als Kind konnte ich deshalb kaum Deutsch. Aber dann fiel 1989 die Mauer, und auf einmal hatten wir statt zwei polnischen viele deutsche TV-Kanäle. Mit Filmen, Zeichentrickprogrammen und Serien. Ich saß wie gebannt vor dem Fernseher, und meine Eltern und Großeltern übersetzten mir, was ich da sah. So habe ich Deutsch gelernt – nach drei Jahren konnte ich es."
Beschwingt und fröhlich klang der Begegnungsabend aus, dafür sorgte auch diesmal Alleinunterhalter Georg Flor, und lud so manchen ein, das Tanzbein zu schwingen. (Jutta Hamberger) +++