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Alle sind glücklich, wenn das ersehnte Baby endlich gesund und munter das Licht der Welt erblickt, wie auch die Fotosammlung in der Kreisklinik Bad Neustadt belegt. Derzeit kämpfen Hebammen um ihren Berufsstand. - Foto Partl

25.08.10 - Bad Neustadt

EXITUS: Hebammen geben wegen zu hoher Versicherungskosten auf

Der Hebammen-Exitus macht sich auch im Landkreis Rhön-Grabfeld bemerkbar. Extrem gestiegene Versicherungskosten machen den Geburtshelferinnen das Leben schwer. Die Kosten für die Berufshaftpflicht haben sich für Hebammen in den vergangenen Jahren verdreifacht – die Bezahlung ist aber mau geblieben. Viele Hebammen geben auf. Im Moment schaut es so aus, dass wir uns die Geburtshilfe nur noch als teures Hobby leisten können, erklärt Hebamme Gabriele Pittner aus Bad Neustadt. Angesichts der gestiegenen Versicherungsbeiträge und der ohnehin mauen Bezahlung stünden viele ihrer Kolleginnen am Rande des Nichts, nicht wenige sahen sich bislang gezwungen, aufzugeben.

2007 zahlten Hebammen für ihre Berufshaftpflichtversicherung noch 1218 Euro jährlich. 2009 waren es bereits 2370 Euro. Seit dem 1. Juli 2010 müssen die Hebammen stattliche 3700 Euro zahlen, um sich gegen berufliche Risiken abzusichern. Dagegen steht eine Bezahlung, die laut Edith Wolber vom Deutschen Hebammenverband (DHV) „nach wie vor beschämend ist“. Gut zwei Monate im Jahr müssten die Geburtshelferinnen einzig arbeiten, um die Kosten für die Versicherung zu erbringen. „Das kann es doch nun wirklich nicht sein“, moniert Pittner.

Viele Hebammen machen da nicht mehr mit. Rund 400 der bundesweit 4000 Hebammen im DHV haben die Geburtshilfe zum Stichtag aufgegeben, berichtet sie. Im Herbst würden nach Aussage der DHV-Sprecherin Edith Wolber noch weitere folgen. „Weil es sich schlicht nicht mehr lohnt“, fügt Pittner an. Denn viele Hebammen seien derzeit nur noch deswegen in der Geburtshilfe tätig, weil sie werdenden Müttern die Entbindung zugesagt hätten und diese nicht im Stich lassen wollten, unterstreicht Edith Wolber. Ohne Geburtshilfe sei die Haftpflichtversicherung mit 315 Euro jährlich natürlich tragbar, sagte Pittner. Doch dann können nur Vor- und Nachsorge von Hebammen geleistet werden.

Zur eigentlichen Geburt müssten die werdenden Mütter künftig in spezielle Kliniken. „Zentrale Gebärzentren“ nennt Pittner diese ihrer Ansicht nach „unmöglichen“ Zukunftsaussichten. Für sie selbst sei der Beruf Hebamme längst eine Berufung geworden. Von solchen Zentren hält sie nicht viel. „Das wäre ein Rückschritt in die Zeit vor 30 Jahren.“ Einmal mehr würde das die Landbevölkerung unverhältnismäßig hart treffen. Auf dem flachen Land wie auch hier im Flächenlandkreis Rhön-Grabfeld arbeiten sämtliche Hebammen freiberuflich, weiß Gabriele Pittner. „Mit allen sich daraus ergebenden Konsequenzen.“ Ein ganzer Berufsstand befinde sich damit auf dem Rückschritt. Allerdings hat er sich auch mit einer Petition an den Deutschen Bundestag gewandt.

Der Bundestag möge unter anderem Sofortmaßnahmen beschließen, um eine wohnortnahe Versorgung von Frauen mit Hebammenhilfe und die freie Wahl des Geburtsortes auch weiterhin sicher zu stellen. Als Begründung wurden steigende Haftpflichtprämien und unzureichende Vergütung angeprangert, weil eine flächendeckende Versorgung durch Hebammen mit dem neuen Beschluss nicht mehr sichergestellt werden können. 1992 beispielsweise waren freiberufliche Hebammen zu einer Jahresprämie von umgerechnet 179 Euro inklusive Geburtshilfe versichert.

Durch Verzehnfachung der Prämie bis 2009 sank der Anteil der Hebammen, die neben Schwangerenvorsorge und der Betreuung im Wochenbett auch Geburtshilfe anbieten, auf 23 Prozent. Mit der Steigerung der Haftpflichtprämie für das Berufsrisiko Geburtshilfe auf 3689 seit Juli des Jahres sei absehbar, dass sich die verbleibenden Hebammen aus dem Kernbereich ihres Berufes zurückziehen, so die Petition.

Noch bis zum 21. Oktober sollen bundesweite Mahnwachen auf diese Zustände aufmerksam machen, und zwar in allen 16 Bundesländern, immer donnerstags von 12 bis 14 Uhr. Der große gemeinsame Abschluss ist für den 21. Oktober in Berlin geplant. „Macht euch auf den Weg zu den Mahnwachen, die in den Ländern geplant sind. Kommt am 21. Oktober nach Berlin. Reiht euch ein und macht mit! Jede Kollegin ist gefordert! Nur gemeinsam können wir eine Veränderung erzwingen“, so die Forderung des Hebammenverbandes.

Vertreter aller Parteien würdigen inzwischen das Engagement der Hebammen und haben auf Landes- und Bundesebene ihre Unterstützung zugesagt. Deutliche Signale kamen auch von der Gesundheitsministerkonferenz. Einstimmig haben die Vertreter der Gesundheitsministerkonferenz die Bundesregierung dazu aufgefordert, das Versorgungsangebot durch Hebammen sicher zu stellen. Der Hebammenverband und die Landesverbände agieren seit Monaten auf den unterschiedlichsten Ebenen, um die Situation zu retten. Die Versorgungsengpässe sind bereits überall spürbar, erklärt Pittner. „Freiberufliche Hebammen an kleinen Kliniken sowie Hausgeburtshebammen werden in der Zukunft einen schweren Kampf haben um zu überleben.“ (ger) +++

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