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Jürgen Büssow ist der Präsident des BDS. - Fotos: Renate Reus

Leitet ab 2011 zwei Akademien des BDS in Bad Salzschlirf: Studienleiter Gerhard Bangert.

12.11.10 - BAD SALZSCHLIRF

Scheidung auf dem Standesamt? Herbsttagung der Standesbeamten

Der Standesbeamte gehört in Deutschland zur Eheschließung. Könnte er denn auch eine Scheidung durchführen? Mit diesem Thema befasste sich der Fachausschuss des Bundesverbandes der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (BDS) bei seiner Herbsttagung in Bad Salzschlirf. „Neue Formen der Ehescheidung“ wurden dabei in drei Tagen diskutiert, Auslandsmodelle behandelt und Alternativen zum gerichtlichen Scheidungsmonopol in Deutschland angesprochen. Ein weiterer Schwerpunkt, der die Gesellschaft bewegt und von den Standesbeamten aufgegriffen wurde, ist die Frage nach dem Sorgerecht für Väter nicht-ehelicher Kinder.

Rund 100 Teilnehmer kamen zur Tagung nach Bad Salzschlirf, Standesbeamte aus dem Bundesgebiet, Fachberater, Vertreter von Bundes- und Landesministerien, Familienrechtler von verschiedenen Universitäten und Vertreter befreundeter Standesbeamtenverbände aus dem Ausland. Sie erarbeiten Empfehlungen für die Praxis in den deutschen Standesämtern, die sich täglich bei den Eintragungen in die Personenstandsregister mit Eheschließungen, Scheidungen, Geburten, Sterbefällen, Namenserklärungen und der Anerkennung von ausländischen Eheschließungen und Scheidungen befassen.

Die Scheidung im Standesamt?

Bei Einvernehmen der Ehepartner die Scheidung im Standesamt vorzunehmen, wäre eine bürgerfreundliche Angelegenheit, so sieht es BDS-Präsident Jürgen Büssow (Bild oben) persönlich. „“Ein Eheversprechen findet ja auch nicht vor Gericht statt. Da kann auch die Auflösung vor dem Standesamt erfolgen“, erläutert Büssow seinen Standpunkt. Die Scheidung wäre dann schneller zu erreichen und billiger, von administrativer Seite auch durchaus machbar, schätzt der BDS-Präsident. Das gelte aber nur für einen geringen Teil aller Scheidungen, nämlich den im Einvernehmen der Ehepartner getroffenen. In Deutschland wurde laut Statistik in 2008 jede zweite Ehe geschieden. Die Meinung des Bundesverbandes soll im Laufe des kommenden Jahres nach ausgiebiger Erörterung festgelegt werden. Schon vor acht Jahren stand das Thema zur Debatte, scheiterte damals aber am Widerstand der Rechtsanwälte. Wichtig ist den Standesbeamten bei einer möglichen Neuregelung, dass Versorgungsansprüche qualitativ hochwertig geklärt werden. Bei den meisten Scheidungen gibt es Streit, um das Sorgerecht, um Unterhaltsfragen. Da benötigen die Eheleute eine meist auch juristische Beratung, die der Standesbeamte in Deutschland gar nicht leisten kann. Die Mehrzahl der Scheidungen wird also nach wie vor die Gerichte beschäftigen.

Bei ihrer Tagung haben sich die Standesbeamten in mehreren Kurzvorträgen mit der Scheidungs-Problematik befasst. Dr. Anatol Dutta vom Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Privatrecht aus Hamburg sprach dabei über Anerkennung von Ehescheidungen und Entscheidungen zum Sorgerecht gemeinsamer Kinder in der EU, Prof. Dr. Dieter Martiny, ebenfalls vom Hamburger Max-Planck-Institut, befasste sich mit „Außergerichtlichen Scheidungsverfahren und ausländischen Modellen“. Welche Alternativen es zum gerichtlichen Scheidungsmonopol in Deutschland gibt, erläuterte Prof. Dr. Bettina Heiderhoff von der Universität Hamburg.

Das Sorgerecht für den Vater bei nicht-ehelichen Kindern

Mit den rechtspolitischen Perspektiven nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte vom Dezember 2009 und des Bundesverfassungsgerichtes vom Juli 2010 befasste sich der Vortrag von Dr. Alexander Schwonberg, Richter am Oberlandesgericht Celle. Dazu erläuterte Prof. Dr. Rainer Frank vom wissenschaftlichen Beirat des BDS, er gehe davon aus, dass in man Deutschland bei Gericht das Mitsorgerecht werde beantragen müsse. In anderen Ländern gehöre es zur Regel, dass der als Elternteil Anerkannte automatisch ein Mitsorgerecht erhält. Der Fachausschuss der Standesbeamten sucht jetzt in der Diskussion nach Empfehlungen, so Dr. Fabian Wall von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz und ebenfalls Mitglied des wissenschaftlichen Beirates, Regelfälle möglichst einfach abwickeln zu können.

Aus der Praxis im Standesamt

Viele weitere kniffelige Fragen aus den Standesämtern kamen bei der Herbsttagung in Bad Salzschlirf zur Sprache. Fachausschussmitglied Peter Kissner, Vorsitzender Richter am Bayerischen VGH a. D., brachte als Beispiel die Frage nach Gema-Gebühren bei Musikdarbietungen bei Hochzeiten auf. Brautleute können beruhigt sein: weil es sich um eine „beschränkte Öffentlichkeit“ handelt, fallen keine Gebühren für Musikaufführungen an. Eine andere Frage war, ob das Gruppenfoto einer Hochzeitsgesellschaft ohne ausdrückliche Genehmigung der Abgelichteten für Werbezwecke verwendet werden darf. „Muss unterbleiben“, so Peter Kissner. Dr. Wall, der seit 2010 im Beirat sitzt, zeigte sich als Wissenschaftler fasziniert über die komplexen Fragen, die an die Standesbeamte vor Ort herangetragen werden, gerade, was internationale Beziehungen betrifft. Weil der hohe Anteil an Ausländern bei standesamtlichen Beurkundungen heute ein umfassendes Wissen über ausländisches Recht und seine Auslegung voraussetzt, hat sich der BDS entschlossen, seine Dienstleistungsangebote zu erweitern.

Ab 2011 mit zwei Akademien

Während der Verband seit 1949 in Bad Salzschlirf die Akademie für Personenstandswesen betreibt, kommt in 2011 eine weitere Akademie hinzu, die Akademie für Staatsangehörigkeitsrecht und Meldewesen GmbH. Studienleiter beider Akademien ist Gerhard Bangert. Mit den Einrichtungen bietet der BDS den Kommunen an, ihre Mitarbeiter im Personenstandswesen und Familienrecht aus- und weiterzubilden. Bei schwierigen Fällen kann der Standesbeamte vor Ort zum Telefon greifen und einen der 170 bundesdeutschen Fachberater zur Unterstützung hinzuziehen. Die arbeiten ehrenamtlich in den 18 Fachverbänden des BDS.

Die Einrichtung in Bad Salzschlirf

Die Akademien verfügen in Bad Salzschlirf über insgesamt drei Hörsäle und einen Konferenzraum mit insgesamt 125 Seminarplätzen. Während der 40 Seminarwochen pro Jahr werden Kurse von der Dauer von zweieinhalb Tagen bis zu zwei Wochen – mit und ohne Prüfungen – angeboten. Zur Infrastruktur der Akademien gehört ein verbandseigenes Hotel in Bad Salzschlirf, weitere Häuser wurden als Gästehäuser angekauft, zuletzt in 2010 das alte Backhaus der Gemeinde, in dem sich jetzt vier Zimmer für Dozenten befinden. Rund um die Einrichtungen musste ausreichend Parkraum geschaffen werden, schließlich reisen jährlich über 3000 Seminarteilnehmer an, die meisten mit dem Pkw.

Der Bundesverband der Deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (BDS) und seine Aufgaben:

Hauptaufgabe des BDS ist seit seiner Gründung im Jahre 1920 (Wiedergründung 1949) die Aus- und Fortbildung sowie die Förderung des Erfahrungsaustausches der Standesbeamtinnen und Standesbeamten und der weiteren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Standesämtern und der Beschäftigten in den Aufsichtsbehörden; ebenso die Zusammenarbeit auf europäischer Ebene.

Der Bundesverband unterhält dazu an seinem Verbandssitz in Bad Salzschlirf, Hessen, seit 1949 die Akademie für Personenstandswesen vorrangig für die Standesbeamtinnen und Standesbeamten sowie ab 2011 die Akademie für Staatsangehörigkeit und Meldewesen als Angebot für die in diesen Bereichen Beschäftigten.

Der BDS e.V. ist Dachverband von 18 Landesverbänden/Fachverbänden. Er versteht sich als Dienstleister für die Beschäftigten im Personenstandswesen und verwandter Gebiete sowie als Interessenvertreter der circa 30.000 Standesbeamtinnen und Standesbeamten in der Bundesrepublik Deutschland. Der Bundesverband ist Träger der Akademie für Personenstandswesen GmbH und der Akademie für Staatsangehörigkeit und Meldewesen GmbH. Er ist privatrechtlich organisiert und erhält keine staatlichen Zuschüsse.

Der BDS ist Mitglied im Europäischen Verband der Standesbeamtinnen und Standesbeamten e.V. (EVS). Der Vorstand des BDS ist ehrenamtlich tätig. Er besteht aus dem Präsidenten, zwei gleichberechtigten Vizepräsidenten sowie einem Schriftführer, einem Kassenverwalter und einem Beisitzer. Präsident des BDS ist Regierungspräsident a.D. Jürgen Büssow.

Der Fachausschuss des BDS berät den Vorstand in Fachfragen und fertigt Stellungnahmen zu grundsätzlichen Rechtsfragen. Das fünfköpfige Gremium tritt in der Regel zwei Mal im Jahr zusammen. Schwerpunkt seiner Tätigkeit ist die Behandlung und Entscheidung von fachlichen Anfragen aus dem gesamten Arbeitsbereich der Standesbeamten und Aufsichtsbehörden in Deutschland. Die Ergebnisse der Beratungen des Fachausschusses werden in der Zeitschrift "Das Standesamt" veröffentlicht.

Seit seiner Gründung im Jahre 1951 hat der Fachausschuss des BDS über 3.900 Fälle bearbeitet – eine wertvolle Hilfestellung für die tägliche Arbeit der deutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten, der Rechtsprechung und der Rechtswissenschaft.

Seit dem Jahre 2004 unterstützt ein "Wissenschaftlicher Beirat" die Arbeit des BDS. Dieses Gremium begleitet auf rechtswissenschaftlicher Basis die Arbeit der bundesdeutschen Standesbeamtinnen und Standesbeamten. Hierzu gehört nicht nur die Publikation zu Themen von besonderem Interesse, sondern auch die Abgabe von Stellungnahmen zu Reformvorhaben, zu Gesetzesentwürfen und gegenüber Gerichten.

Weiterhin sollen die fünf Mitglieder des Wissenschaftlichen Beirates bei Fortbildungsveranstaltungen, insbesondere der Akademie für Personenstandswesen, zu Fragen des internationalen Privatrechts und des deutschen und internationalen Familien- und Personenstandsrechts mitwirken. (rr) +++


Die jüngste Herberge für BDS-Referenten: das ehemalige alte Backhaus in der Ortsmitte von Bad Salzschlirf wurde vom BDS gekauft und umgebaut, ein anliegendes Grundstück wurde zum Parkplatz umgestaltet.

Standen der Presse Rede und Antwort zur BDS-Fachtagung in Bad Salzschlirf: von links: Dr. Fabian Wall (Johannes Gutenberg-Universität Mainz),
Mitglied des wissenschaftlichen Beirates, Prof. Dr. Rainer Frank, ehemaliger Direktor des Instituts für ausländisches und internationales Privatrecht
der Albert-Ludwig-Universität Freiburg i. Br., Mitglied des wissenschaftlichen Beirates, Jürgen Büssow, Präsident des BDS, Regierungspräsident
a. D., Düsseldorf, Karl Krömer, Vorsitzender des BDS-Fachausschusses, Leiter des Standesamtes Augsburg, Peter Kissner, Mitglied des BDS-
Fachausschusses, Vors. Richter am Bayer. VGH a.D., Gerhard Bangert, Studienleiter der Akademie in Bad Salzschlirf.

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