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27.12.10 - Bad Neustadt

Viel Musik und eine anrührende Geschichte: Weihnachtliche Zeit im Kurhaus

Just am letzten Tag vor Heiligabend nahmen sich viele Gäste im Kurhaus der Kreis- und Badestadt Zeit und Muße zu einer besinnlichen weihnachtlichen Stunde. Es gab Gedichte und Geschichten. Die Gitarrengruppe Dürrnhof lud zum Mitsingen bekannte Weihnachtslieder ein, deren Texte vorsorglich ausgelegt wurden. Im Mittelpunkt aber stand eine anrührende Weihnachtsgeschichte mitten aus dem Leben gegriffen.

Bildunterschrift: Lisa Dieterich erzählte bei der weihnachtlichen Stunde im Kurhaus eine anrührende Weihnachtsgeschichte der anderen Art. Foto Partl

Etwa ein Dutzend Mitglieder zählt die Gitarrengruppe aus Dürrnhof, organisiert von der selbst mitwirkenden Ortssprecherin Christine Stallenberger. Die Moderation lag in den Händen von Lisa Dieterich, die auch die Weihnachtsgeschichte erzählte. Diese handelte nicht wie an Weihnachten der Brauch vom Sohn Gottes, der als Mensch in einem Stall in Bethlehem das Licht der Welt erblickte.

Diese moderne Weihnachtsgeschichte erzählte von Della und Jim, einem amerikanischen Ehepaar aus der Zeit um 1900, das sich gegenseitig so gerne etwas schenken wollte. Dabei hatten sie kein Geld übrig. Also trennte sich jeder heimlich von seinem liebsten Besitz, um den anderen zu beglücken. „Das Geschenk der Weisen“ nannte sich die Geschichte von William Sidney Portner, geboren am 11. September 1862 in North Carolina (USA). Er veröffentlichte sie seinerseits unter dem Pseudonym O. Henry.

Ihr ganzes Vermögen bestand aus einem einzigen Dollar und 87 Cent, mühsam zusammengekratzt und gespart. Und morgen war Weihnachten. Im Besitz des jungen Paares gab es nun zwei Dinge, in die sie ihren ganzen Stolz setzten. Das eine war Jims goldene Uhr, die vor ihm seinem Vater und seinem Großvater gehört hatte. Das andere war Dellas Haar, das wie ein goldener Wasserfall glänzend und sich kräuselnd an ihr herabfiel.

Della zögerte einen Augenblick. Zwei Tränen fielen auf den abgetragenen roten Teppich zu ihren Füßen. Dann zog sie los ihre Haarpracht zu verkaufen. Mit 20 Dollar Erlös durchstöberte sie die Läden auf der Suche nach Jims Geschenk. Endlich fand sie es. Sicher war es für ihren Jim und niemand anders gemacht. Es war eine Platin-Uhrenkette, einfach und geschmackvoll in Form und Zeichnung. Einundzwanzig Dollar nahmen sie ihr dafür ab, und mit den restlichen 87 Cent eilte sie heim. Mit dieser Kette an seiner Uhr durfte Jim in jeder Gesellschaft so eifrig, wie er wollte, nach der Zeit sehen. So schön die Uhr war, schaute er nämlich manchmal scheu darauf, weil das alte Lederband, das er an Stelle einer Kette benützte, so schäbig war.

Als Della zu Hause ankam, machte sie sich daran, die Verheerung, die Großmütigkeit zusammen mit Liebe angerichtet hatte, wiedergutzumachen, was immer eine Riesenarbeit war. Jim sah sehr ernst aus, als er nach Hause kam. „Armer Kerl, erst zweiundzwanzig und schon mit einer Familie beladen. Er hätte dringend einen neuen Mantel gebraucht und hatte keine Handschuhe. Seine Augen waren auf Della gerichtet und hatten einen Ausdruck, den sie nicht deuten konnte und der sie erschreckte. Es war aber nicht Ärger. Della gestand weinend, dass sie es nicht ausgehalten hätte ohne ein Weihnachtsgeschenk für ihn. „Es kann ja sein, dass die Haare auf meinem Kopf gezählt waren“, fuhr sie mit plötzlicher, ernsthafter Verliebtheit weiter, „aber niemand könnte je meine Liebe zu dir zählen.“

Jim nahm Della in seine Arme. Auch er hatte eine Geschenk parat: eine ganze Garnitur von Kämmen, seitlich und rückwärts einzustecken, die Della so lange im Schaufenster einer Hauptstraße bewundert hatte. Echtes Schildpatt, mit echten Steinen besetzt - gerade in den Farbtönen, die in dem wundervoll verschwundenen Haar so schön gespielt hätten. Es waren teure Kämme. Della wusste es. Mit ganzem Herzen hatte sie diese Wunder begehrt. Und jetzt gehörten sie ihr, aber die Zöpfe, die mit diesen begehrenswerten Schmuckstücken hätten geziert werden sollen, waren fort. Trotzdem drückte sie sie an ihr Herz, und endlich konnte sie auch mit verschleierten Augen aufsehen und lächelnd sagen: „Mein Haar wächst ja so schnell, Jim!“

Und dann sprang Della auf. Jim hatte ja sein wunderschönes Geschenk noch nicht gesehen. Sie hielt es ihm auf der offenen Hand eifrig entgegen. Das wertvolle, matt glänzende Metall schien ihre heitere und feurige Seele widerzuspiegeln. „Ist es nicht großartig? Ich habe danach gejagt, bis ich es fand. Du wirst jetzt jeden Tag hundertmal sehen müssen, wie viel Uhr es ist. Gib mir deine Uhr, ich muss sehen, wie die Kette daran aussieht.“

Anstatt zu gehorchen, machte es sich Jim auf der Couch bequem, legte die Hände hinter den Kopf und lächelte. „Dell“, sagte er, „wir wollen unsere Weihnachtsgeschenke noch für einige Zeit aufbewahren, sie sind zu schön, als dass wir sie jetzt gebrauchen könnten. Denke, ich habe die Uhr verkauft, um das Geld für deine Kämme zu erhalten.“ So mancher Zuhörer strich sich verstohlene Tränen aus den Augenwinkeln. +++

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