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Pilot Klaus Schreiber flog 22 Jahre den Fuldaer Rettungshubschrauber. - Fotos: Hendrik Urbin / Christian P. Stadtfeld

03.01.11 - FULDA

Jeder kennt ihn, er gehört zu Fulda und der Region und ist seit mehr als 26 Jahren am Klinikum Fulda stationiert: Der gelbe ADAC-Rettungshubschrauber „Christoph 28“. Doch was ist ein Hubschrauber ohne Menschen, die ihn beherrschen und fliegen können? Zwei „exzellente, professionelle und sehr gewissenhafte Piloten“ - so sagten es Kollegen - haben zusammen insgesamt 34 Jahre am osthessischen Luftrettungsstandort gearbeitet und gewirkt, über zehntausend Rettungseinsätze bei gutem und schlechtem Wetter geflogen, die Crew immer sicher an die Einsatzstellen und wieder zurück zum Standort gebracht und dadurch viele Menschenleben gerettet. Zum Jahresende 2010 gingen für die beiden Piloten Klaus Schreiber (links) und Peter Reinisch (rechts) die "Ära Fulda" zu Ende.

Ein Team von „osthessen-news“ hat den langjährigen Stationsleiter und Piloten Klaus Schreiber, der 22 Jahre den „Gelben Engel“ aus der Barockstadt geflogen hat, bei seinem letzten Dienst begleitet und präsentiert den on-Lesern heute einen typischen Tagesablauf, „wie es so oder ähnlich mehr als zwei Jahrzehnte lang in Fulda war“.

07:51 Uhr. Es ist ein nebliger Morgen in Fulda. Dienstbeginn für Klaus Schreiber, Rettungsassistent Torsten Röder und Notarzt Dr. Arndt Köbler. Nach dem täglichen Check von Maschine und allen medizinischen Geräten meldet der Chef-Pilot um 08:21 Uhr „Christoph 28“ bei der Leitfunkstelle Fulda an. Und der erste Einsatz ließ nicht lange auf sich warten. Um 08:52 Uhr gingen die Piepser der Crew und die Rettungsflieger starteten zu einem Notfall nach Bad Salzschlirf. Per Knopfdruck fuhr der gelbe Helikopter auf die Plattform und nach etwa 90 Sekunden hob der Hubschrauber elegant in den westlichen Teil des Landkreises ab. Knapp 45 Minuten später waren die Luftretter wieder zurück. Fuldas Oberbürgermeister Gerhard Möller (CDU) wartete bereits auf der Station um sich bei Klaus Schreiber für die gute Zusammenarbeit mit einem kleinen Präsent zu bedanken.

Seit 1986 ist Klaus Schreiber bei der ADAC Luftrettung. Nach zweijähriger Tätigkeit als Stationspilot auf „Christoph 19“ in Uelzen (Niedersachsen), kam der heute 59-Jährige im Juni 1988 nach Fulda. Seine fliegerische Ausbildung absolvierte Schreiber ab 1972 bei der Bundeswehr am Standort Faßberg in der Lüneburger Heide. Anschließend sammelte er Erfahrungen beim Sprühen von Weinbergen in Koblenz an der Mosel, deutschlandweitem Kalken von Wäldern und Fotoflügen. "Teilweise war ich dabei bis zu neun Stunden täglich in der Luft", berichtete er. Schreiber war in seiner Flugkarriere in fast jedem europäischen Land und in den USA. Sein längster Flug führte ihn von Waldsassen nach Kiew (Ukraine).

Ab 10:00 Uhr beschäftigte sich Schreiber mit der Wartung von „Christoph 28“. Er überprüfte das Kerosin im Tank des Hubschraubers und der eigenen Tankstelle auf Wasserfreiheit und füllte in beiden Triebwerken spezielles Öl nach. Zur Mittagszeit verzog sich der Hochnebel ein wenig und der Himmel über Fulda klarte auf. Pünktlich um halb zwölf standen Mittagessen in der Mitarbeiterkantine des Klinikums und der Weg zur Poststelle auf dem Tagesprogramm.

Schreiber erinnerte sich im Gespräch mit „osthessen-news“ noch ganz genau an seinen ersten Einsatz: „Es ging damals nach Dassen in der Nähe von Dietershausen. Und wer Dassen kennt, der weiß, dass es dort nur verstreute Bauernhöfe gibt. Die Ortsangaben waren sehr vage, GPS gab es noch nicht, sondern man musste sich auf die Karten verlassen. Wir haben es letztlich doch gefunden, es hat aber eine Zeit lang gedauert.“ Erlebt hat der ADAC-Pilot in Fulda viel, doch spektakulär war für Schreiber der erste Einsatz in die DDR. Mit Rettungsassistent Helmut Bolz und Notarzt Dr. Michael Werner sei er 1989 nach Geisa geflogen um einen Patienten mit einer Hirnblutung ins Städtische Klinikum nach Fulda zu bringen. Das sei nicht so einfach gewesen wie heute, denn man hätte diese Flüge über die Grenze genehmigen lassen müssen.

Auf einer Luftrettungsstation fällt auch jede Menge Büroarbeit und Dokumentation wie etwa von Einsätzen oder Kerosin-Berechnungen an. Eine knappe Stunde hatte der Stationsleiter für diese Aufgabe an diesem Tag Zeit, bevor um 13:12 Uhr wieder die Funkmelder von „Christoph 28“ ertönten. Dieses Mal ging es nach Romrod-Oberbreidenbach (Vogelsbergkreis), wo ein junger Mann aus großer Höhe gestürzt war. Die Rettungsflieger brachten den schwerverletzten Mann ins Klinikum Fulda. Und kaum waren sie wieder einsatzbereit ging es weiter zu einem Notfall nach Niederaula im Nachbarlandkreis Hersfeld-Rotenburg. Es war exakt 14:31 Uhr als sich Klaus Schreiber mit seinem Team zum letzten Mal mit „Christoph 28“ in den fuldischen Himmel erhob. Um 16:26 Uhr ging die Sonne unter und der Hubschrauberdienst war beendet.

Schreibers fliegerische Bilanz ist beachtlich und selten, denn er konnte am 30. Dezember auf exakt 10.039 Flugstunden und 49 Minuten zurückblicken. Für ihn ist das Hubschrauberfliegen auch nach 38 Jahren noch immer etwas Besonderes. „Es wird nie langweilig, denn jeder Flug ist eine neue Herausforderung und man muss trotz aller Routine jede Sekunde auf der Hut sein.“ Hubschrauberfliegen sei zwar doppelt so teuer wie der Flug mit einem Flächenflugzeug, aber zehnmal schöner, sagte der 59-Jährige. Besonderheiten in Osthessen gebe es kaum, aber von Fulda aus, als "der Mittelpunkt von Deutschland", könne man mit einer Tankfüllung (710 Liter) jeden Ort der Bundesrepublik erreichen.

Schreiber beschrieb die Entwicklung der Luftrettung als wichtigen Bestandteil im Rettungswesen, dem immer mehr Bedeutung zugesprochen wird, kritisierte aber zugleich die ständige Zunahme bürokratischer Tätigkeiten. Die Einsatzzahlen in Fulda hätten in den letzten zwei Jahrzehnten von etwa 800 (1988) auf rund 1.200 pro Jahr zugenommen. Neben seiner Tätigkeit als ADAC-Pilot in der Luftrettung ist Klaus Schreiber auch Fluglehrer an der Flugschule in seinem Wohnort Waldsassen (Landkreis Tirschenreuth) - etwa 260 Kilometer von Fulda entfernt. Auf Hubschraubermodellen von Robinson und Hughes schulte Schreiber bisher Flugschüler in 2.050 Stunden praktisch.

„Einerseits freue ich mich, andererseits nicht“, bilanzierte Schreiber abschließend. „Dort, wo man 22 Jahre gearbeitet hat, kann man nicht einfach so weggehen.“ Der 59-Jährige wechselt nun für ein Jahr zum ADAC-Standort Bayreuth („Christoph 20“), bevor er in den Ruhestand tritt. Die Nähe zu seiner Heimat habe ihn für den Wechsel dorthin bewogen, denn die knapp 73.000 Einwohner Stadt in Oberfranken sei nur 60 Kilometer von seinem Wohnort entfernt. Die Stadt Fulda werde er in sehr guter Erinnerung behalten, auch wenn er das Stadtleben - wegen der Dienstzeiten bis Sonnenuntergang - nur bei Nacht kenne.

"von Christoph 28 zu Christoph 18"

Neben Klaus Schreiber hat auch der aus Österreich stammende und in Fulda wohnende Pilot Peter Reinisch den Luftrettungsstandort Fulda zum 31.12.2010 verlassen. Reinisch wechselt zum Standort Ochsenfurt (Landkreis Würzburg), der zum 01.01.2011 vom ADAC übernommen wurde. Der 52-jährige hat vor 30 Jahren seine Ausbildung zum Berufspiloten beim Österreichischen Militär gemacht und arbeitet seit 1998 bei der ADAC Luftrettung in Fulda. Peter Reinisch ist der Pilot mit dem schwarzen Zwirbelbart, an dem man sofort denkt, wenn es um Luftrettung in Fulda geht.

Bewegender Abschied mit viel Lob und Anerkennung

Die beiden Piloten feierten mit etwa 70 Rettungsdienst-Mitarbeitern, Notärzten und langjährigen Begleitern im Hangar des Rettungszentrums am Klinikum einen bewegenden Abschied. „Ihr beide habt unsere Station geprägt und in Fulda Spuren hinterlassen, die bei den Menschen mit denen ihr geflogen seid und zusammengearbeitet habt, angekommen sind“, sagte der leitende Hems-Crew-Member (HCM) Peter Breidenbach, der seit 23 Jahren zur "Christoph28"-Crew gehört und damals der jüngste Rettungsassistent des DRK Fulda in der Hubschrauber-Gruppe war. "Wir verlieren mit euch zwei exzellente Piloten", würdigte der leitende Hubschrauberarzt Dr. Wolfram Beres und betonte, dass Schreiber und Reinisch zum "Inventar der Station" gehörten. (Christian P. Stadtfeld). ++++

KLICKEN und LESEN Sie unter nachfolgend aufgeführten Links einige ausgewählte Berichte von „osthessen-news“, die in den vergangenen Jahren über den Fuldaer Rettungshubschrauber „Christoph 28“ veröffentlicht wurden:

"Sekunden entscheiden" - KLINIKUM-Rettungszentrum mit Hangar eingeweiht:

http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1141644

"Fliegender Notarztwagen" in Osthessen - 25 Jahre Luftrettung:

http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1164347

"Der Christoph gehört zu uns" - Lob für Rettungsflieger:

http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1165099

24.000 Einsätze für Christoph 28 - "Gelber Engel" seit 25 Jahren – VIDEOFILM:

http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1165063

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HINWEIS: In der Januar-Ausgabe der „RETTUNGSDIENST – Zeitschrift für präklinische Notfallmedizin“ vom S+K Verlag erscheint eine Reportage über den Fuldaer Rettungshubschrauber „Christoph 28“ mit Pilot Peter Reinisch. +++


Pilot Peter Reinisch flog 12 Jahre den Fuldaer Rettungsflieger und wechselt nun zum ADAC-Standort nach Ochsenfurt.

Einsatz für „Christoph 28“ – ein Archivbild vom August 2010 – Pilot Reinisch (li.)


… und hier während des Flugs am „Land der weißen Berge“ vorbei Richtung Fulda.

Besuch von OB Möller (li.) während des letzten Dienstes von Chef-Pilot Klaus Schreiber.


In diesem Jahr flog „Christoph 28“ in Fulda knapp 1.200 Einsätze.

Erster Einsatz an diesem Tag in Bad Salzschlirf.


Die schöne Winterlandschaft : hier ein Blick vom Hubschrauber aus auf das Barockviertel.

Klaus Schreiber bei der Dokumentation der Flugzeiten im Bordbuch der Maschine.


Landung in Romrod-Oberbreidenbach (Vogelsbergkreis) ….

Rettungsassistent Torsten Röder bei der Abflugkontrolle kurz vor dem Start.


Etwas mehr als 22 Jahre flog Klaus Schreiber durch die osthessischen Lüfte …

und kann heute auf 10.039 Flugstunden und 49 Minuten zurückblicken.


Luftgebundener Patiententransport von der Einsatzstelle ins Klinikum Fulda.

Die schönen Seiten der Luftretter. Sie sehen Stadt und Land aus der Vogelperspektive – hier: die Kirche im Fuldaer Stadtteil Horas.


Notarzt Dr. Arndt Köbler gehörte am 30.12. zur „Christoph 28“-Crew.

10:39 Uhr: Pilot Klaus Schreiber überprüfte, ob sich im Kerosin Wasser angesammelt hat.


Auch der 50.000 Liter fassende Tank muss überprüft werden...


Und hier wurde der Kerosin-Verbrauch ausgerechnet. Die Rechenmaschine ist Schreibers ständiger Begleiter.

11:03 Uhr: Hubschrauberwartung: hier wurde in jedes Triebwerk Öl nachgefüllt.



Erinnerungsbilder an eine schöne Zeit in Fulda: Ulrike Kirsch vom Anästhesie-Büro, Klaus Schreiber und Anästhesie-Chefsekretärin Renate Burgstedt.


11:33 Uhr: Klaus Schreiber beim Mittagessen in der Mitarbeiterkantine des Klinikums.

… und anschließend bei der Poststelle.


Im Einsatz muss es schnell gehen, deshalb fährt Schreiber stets mit einem City-Roller in der Klinik unterwegs.

Im letzten Dienst muss vieles organisiert werden, so etwa auch die Schlüsselabgabe …


Nach jedem Flug muss die Maschine vollgetankt werden, da man nie genau weiß, wo der nächste Einsatz hinführt.

Start von der Plattform des Rettungszentrums am Klinikum Fulda...



Ein Blick ins Cockpit von „Christoph 28“ während des Anflugs auf die Einsatzstelle.



Das Fuldaer Krankenhaus.


Und hier das 2007 neu erbaute Rettungszentrum ….

16:26 Uhr: Pilot Klaus Schreiber meldet den Hubschrauber bei der Leitfunkstelle Fulda ab. Sein letzter Dienst in der Barockstadt ist beendet.


Jetzt muss Schreiber noch die Nachflugkontrolle durchführen …



Und zum Abschied noch ein schönes Gruppenbild mit der Crew: Rettungsassistent Torsten Röder, Notarzt Dr. Arndt Köbler und Chef-Pilot Klaus Schreiber.


Am Abend hatten die scheidenden Piloten dann zu einer Abschiedsfeier mit Kollegen in den Hangar eingeladen.

Es war ein bewegender Abschied, bei dem viele lobende und anerkennende Worte für zwei „exzellente Piloten“ gesprochen wurden …



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