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Am Sonntag beginnen die Feierlichkeiten zum 1200-jährigen Bestehen von Oberlauringen, im Bild mit Kirchenburg und historischem Schulhaus von 1579, schräg gegenüber der Kirche - Fotos: Herden

Vilmar Herden schrieb die Chronik von Oberlauringen.
08.01.11 - Bad Neustadt
Oberlauringen begeht 1200-Jahrfeier - Chronist Vilmar HERDEN im Gespräch
Am Sonntag, 9. Januar, beginnen die 1200-Jahrfeiern von Oberlauringen. Da Großbardorf die Mutterkirche von Oberlauringen war, sind die Geschicke des kleinen Städtchens sicherlich auch für Bürger im Landkreis Rhön-Grabfeld interessant, resümiert Vilmar Herden, mittlerweile längst zu den Urgesteinen Bad Neustadts zählend. Insgesamt 14 Jahre seiner frühesten Jugend hat Vilmar Herden im Waisenhaus von Oberlauringen verbracht. Dort ist er aufgewachsen und wie eng er diesem Heim mit dem Herzen noch immer verbunden ist, zeigt sein Engagement für das Haus, in dem heute die „Jugend- und Behindertenhilfe e.V. Haus Gottesgüte“ untergebracht ist. Auch befasst er sich intensiv mit einer Chronik über den Ort selbst.
Los geht’s am Sonntag um 10 Uhr mit dem Festgottesdienst um 10 Uhr in der „Heilig Kreuz Kirche“ von Oberlauringen, gehalten durch Dekan Jürgen Blechschmidt aus Rügheim, und einem anschließenden Empfang im erst im vergangenen Jahr neu renoviertem Schulhaus von 1579 innerhalb der Kirchenburg durch den Bürgermeister von Stadtlauringen Friedel Heckenlauer. „Oberlauringen soll noch mehr als bisher als „Rückert-Dorf“ bekannt werden, so das Anliegen nicht nur von Vilmar Herden. Amtmann Adam Rückert, Vater des Lyrikers Friedrich Rückert, hatte dort zu tun. Der Sohn widmete den Pfarrherrn von Großbardorf ein eigenes Gedicht, das die Nachwelt darauf hinweist, dass eben dieser Pfarrer für ihn die Leidenschaft zu Fremdsprachen weckte.
Für Rückert war dies immens wichtig, denn er übersetzte und lehrte in 44 Sprachen und schrieb rund 1900 Gedichte, die in der Folge von 1938 Musikern vertont wurden, unter anderem auch von Robert Schumann und Gustav Mahler. Auf Leben und Wirken diesen großen Poeten soll eigens beim Empfang am Sonntag hingewiesen werden, denn ein Teil seiner Gedichte entstanden während seiner Zeit in Oberlauringen. Die Chronik von Vilmar Herden reicht noch viel weiter zurück bis zum April des Jahres 811 nach Christus. Als seinerzeit der Oberlauringer Gozperaht, Erbe eines befestigten Hofes in Lurungen den Bischof Bonifatius in Fulda besuchte um ihm „zehn Juchert Land“ für sein Seelenheil zu schenken, konnte er nicht ahnen, dass dies im Jahr 2011 der Anlass zum 1200jährigen Ortsjubiläum werden würde.
„Hlurunga, superiore villa, quae nuncupatur in Grabfeldene marcu“ wie der Ort genannt wurde, gilt nach Professor Weigel aus Erlangen als eine thüringische Gründung. Wie Funde aus der Jungsteinzeit belegen, war das Grabfeld seit zirka 4.500 Jahren besiedelt und seit dem 7. Jahrhundert christianisiert. Oberlauringen wurde viele Jahrhunderte hindurch von Ritterfamilien regiert. Als Lehenträger bekannt sind die Grafen von Henneberg, die Grafen von der Wildburg, Walter von Oberlauringen, die Ritter von der Werne, von Rossach, von Wenkheim, von Bibra, von Hutten und die Truchsesse von Wetzhausen. Oberlauringen wurde und blieb trotz Gegenreformation protestantisch. Die Herren von Hutten erbauten und bezahlten Schule und Lehrer, die Frauen die Pfarrer.
Ortsbildprägend ist die imposante Kirchenburg mit ihren mächtigen Mauern und Schießscharten am Kirchturm. In vier Gaden innerhalb konnten die Bauern ihre Vorräte sichern. Der Ort wurde bis 1806 von Reichsfreiherren regiert. Der letzte Reichsfreiherr war Carl August, Truchseß von Wetzhausen, Herr auf Oberlauringen, Altenmünster, Obereßfeld und Schweikershausen. Sein Amtmann war Adam Rückert, dessen ältester Sohn Friedrich Rückert von 1793 bis 1802 in Oberlauringen aufwuchs und die dortige Schule besuchte.
Als besonderem Glücksfall berichtet die Chronik von Pfarrer Johann Kaspar Stepf. Als Doktor der Weltweisheiten hätte er in Göttingen lehren können, die Freie Reichsstadt Schweinfurt hatte ihm die oberste Pfarrstelle angeboten, doch der Pfarrer entschied sich für die Pfarrstelle in Oberlauringen. Sein Hobby war, den Dorfkindern die griechische und lateinische Sprache zu lehren. Die Liebe zur Antike übernahm Rückert vom Pfarrer Neurer aus Großbardorf, der früheren Mutterkirche von Oberlauringen.
Mit dem als Mädchenwaisenhaus in Altdorf bei Pleß 1848 gegründete Heim, flohen Miechowitzer Diakonissen und 70 Kinder 1945 aus Oberschlesien nach Bayern: sie fanden schon ein Jahr später in Oberlauringen eine neue Heimat. 1953 konnte man das Schloss, erstmals erwähnt 1488, und einen Teil des Englischen Parks kaufen. In modernen Wohngruppenhäusern im Schlosspark und in der Johann-Hinrich-Wichern-Schule werden zurzeit 60 Kinder von Lehrern und Erziehern betreut und beschult.(ger)+++