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27.02.11 - Bad Neustadt/S.

"Entscheidungen zwischen Pest und Cholera" - IG Metall-Aktionstag

„Für die Mitarbeiter wollen wir ein vorausschauender und verantwortungsbewusster Arbeitgeber sein.“ – So steht es geschrieben in der Hochglanzbroschüre der international agierenden BSH Bosch und Siemens Hausgeräte GmbH. Auf dem Titelblatt versichert das Unternehmen Verantwortung für Umwelt und Gesellschaft. Beim bundesweiten Aktionstag der IG Metall zum Thema Leiharbeit und der Forderung nach fairen Arbeitsbedingungen schilderte der Betriebsratsvorsitzende Arno Holzheimer (Bild rechts: Partl) die aktuelle Situation im Brendlorenzer Werk. Vordergründig laufe ja noch alles super. Dafür sei aber auch hartnäckig gekämpft worden.

Bei BSH würden seit längerem schon Zeitarbeitnehmer beschäftigt. Dies geschah zunächst nur, um wirkliche Auftragsspitzen abzudecken. Im vergangenen Jahr konnte erreicht werden, dass sieben Zeitarbeitskräfte befristet eingestellt wurden. Dies war bereits die zweite Befristung und aus heutiger Sicht könne davon ausgegangen werden, dass diese Leute in ein unbefristetes reguläres Arbeitsverhältnis übernommen werden. Außerdem wurden drei weitere in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen. Auch hätte der Betriebsrat die Zusage der Firmenseite, dass noch drei weitere Leiharbeiter unbefristet übernommen würden. Auch bekommen einzelne Leiharbeitskräfte einen freiwilligen Zuschlag. „Da könnte man sagen, läuft ja gut“ erklärte der Betriebsratsvorsitzende vor etwa 350 Teilnehmern am Aktionstag der IG Metall (siehe dazu auch weiterer Bericht unter http://www.osthessen-news.de/beitrag.php?id=1194276 )

„Nein, es läuft eben nicht so gut, wie dies den Anschein hat.“ Es brauche keiner zu glauben, dass die Firmenseite auf die Arbeitnehmer zugegangen sei und die Einstellungen dem Betriebsrat vorgeschlagen habe. „Das mussten wir, die Betriebsräte, schon hartnäckig fordern.“ Denn es habe sich keineswegs um einen Mitarbeiteraufbau gehandelt, sondern um ein Ersetzen fluktuationsbedingter Ausfälle. Dabei konnte Jeder er kürzlich in der Presse nachlesen, wie gut es BSH gehe und dass die Mitarbeiter jährlich steigende Stückzahlen produzieren.

Erst Ende Januar hatte Fabrikleiter Günter Striegel stolz von einem erfreulichen Geschäftsjahr in 2010 gesprochen. Die Fertigungsstückzahlen konnten bei stabiler Mitarbeiterzahl deutlich weiter gesteigert werden als im Jahr zuvor. Und das mit künftiger positiver Prognose. Seit drei Jahren beschäftigt das Unternehmen nahezu unverändert um die 400 Mitarbeiter. Sehr positiv anzumerken ist, dass die Forderungen der IG Metall, Auszubildende nach bestandener Abschlussprüfung in aller Regel weiter zu beschäftigen, laut Striegel bereits erfüllt wird. Weitere Stückzahlsteigerungen sind geplant, wie der Standortleiter im Pressegespräch Ende Januar erklärte. Der daraus entstehende höhere Mitarbeiterbedarf soll aber überwiegend mit Leiharbeitskräften ausgefüllt werden, beklagte der Betriebsratsvorsitzende Arno Holzheimer.

In keiner anderen Branche aber würden so viele Arbeitskräfte wieder freigesetzt und in der Folge arbeitslos wie im Verleih. Die Stammbesetzung mit Leiharbeitskräften zu halten sei nicht akzeptabel. Dies habe eine etwas andere Qualität und damit sei der Betriebsrat auch nicht einverstanden. Mit der „Heuern und Feuern-Mentalität“ schwappten amerikanische Arbeitsverhältnisse über den Ozean, die längst auch in der Bundesrepublik drohen, zum Tagesgeschäft zu werden.

Seinen Unmut über die Behandlung von Leiharbeitern habe er zusammen mit seinem Kollegen Elmar Freund jüngst dem zuständigen Arbeitsdirektor in der Wirtschaftsausschuss-Sitzung klar gemacht. Ob es Wirkung zeige, könne er noch nicht sagen. Klar sei, dass der Betriebsrat mit der Anzahl und der Bezahlung der Leiharbeitskräfte in Verhandlungen stünde. Das bisherige Ergebnis sei noch keineswegs zufriedenstellend.

Laut Gewerkschaft sei die Millionen-Marke der in Deutschland beschäftigen Leiharbeiter bald geknackt. Die höchsten Zuwächse verzeichnen der bayerische Freistaat und seine benachbarten Länder Baden-Württemberg und das Saarland. Leiharbeiter müssen ständig mit schlechteren Arbeitsbedingungen und drohender Arbeitslosigkeit ankämpfen. Erschwerend komme hinzu, so Holzheimer, dass bei BSH in Brendlorenzen ein Wechsel in der Zusammenarbeit mit Leiharbeitsfirmen vor der Tür stehe, was für die Leiharbeiter und deren Konditionen die Uhrzeiger wieder auf die Stunde Null zurückrücken lasse. Für sie stünden nun „Entscheidungen zwischen Pest und Cholera“ an.

Was der Betriebsrat nach wie vor fordere, sei ganz sicher nicht unmöglich: Keine Leiharbeit zur Gewinnmaximierung. Kein Verlagern des unternehmerischen Risikos auf die Rücken der Schwächsten. Wenn Leiharbeit überhaupt sein müsse, dann aber nur für wirkliche Spitzen in der Produktion. Vor allem aber heiße das erklärte Ziel: „Weg aus den prekären Beschäftigungen. Gleiches Geld für gleiche Arbeit.“ (ger) +++

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