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Bürgerversammlung in Lauterbach zum Thema Müllentsorgung: auf dem Podium saßen Verbandsvorsteher Friedel Kopp, Rechtsanwalt Wolfgang Fabry als souveräner Diskussionsleiter, der Vorsitzende des Vogelsberger Kreistages, Jürgen Ackermann, Erster Kreisbeigeordneter und MdL-SPD Manfred Görig sowie Diplom-Kaufmann Bernd Klinkhammer von der Ökon Management GmbH, der das bestehende System erläuterte und auch verteidigte (v.l.n.r.).

- Fotos: Axel W. Hofmann

14.09.11 - Lauterbach

Bürgerversammlung: Änderungen und Preiserhöhungen der Müllwirtschaft

Besonders gut besucht war die Bürgerversammlung in der Aula der Sparkasse Oberhessen am Montagabend nicht, zu der der Vorsitzende des Vogelsberger Kreistages, Jürgen Ackermann (SPD), zum Thema Müllentsorgung eingeladen hatte. Die CDU des Vogelsbergkreises hatte die Veranstaltung gänzlich abgelehnt und sie angesichts der bevorstehenden Landratswahl als Wahlkampfgeplänkel abgetan, aber Landrats-Aspirant und SPD-MdL Manfred Görig in seiner Funktion als Erster Kreisbeigeordneter hielt sich auch an sein Versprechen, keinen Wahlkampf zu machen. Die anwesenden Besucher und Zuhörer aus allen Teilen des Vogelsbergkreises nutzten allerdings ausgiebig ihr Rederecht und kritisierten massiv die seit 2010 im Kreisgebiet durch den Müllzweckverband Abfallwirtschaft (ZAV) eingeführten Änderungen und Preiserhöhungen in der Müllwirtschaft.

Einig waren sich Görig und der Verbandsvorsteher des Zweckverbandes Abfallwirtschaft, der Freiensteinauer Bürgermeister Friedel Kopp (FWG), dass zwischen Beschlussfassung und Umsetzung der neuen Müllsatzung viel zu wenig Zeit geblieben war und dass der ZAV von tausenden von Widersprüchen und Eingaben völlig überrannt worden ist. Kopp zeigte sich zuversichtlich, dass man die Sache ab 2012 voll im Griff hat. Unterschiedlicher Meinung waren sich ZAV und Gegner des jetzigen Müllsystems in der Bewertung des Ausgangs der Klage vor dem Kasseler Verwaltungsgericht, über die voraussichtlich Ende 2011 entschieden wird.

Friedel Kopp geht allenfalls von geringfügigen Beanstandungen durch das Gericht aus, die Gegner, an der Spitze die Vogelsberger Müllrebellen und die sie massiv tragenden Vertreter der Partei „Die Linke“ rechnen sich gute Chancen aus, die bestehende Müllsatzung gerichtlich zu kippen. Auf jeden Fall wollen Politiker des Kreises und ZAV in Zukunft durch ähnliche Bürgerversammlungen die betroffene Bevölkerung vorher besser über ihre Vorhaben aufklären. Viele Bürger machten konkrete Vorschläge für eine Änderung des bestehenden Müllsystems. Auf dem Podium saßen neben Kreistagsvorsitzendem Jürgen Ackermann, Erstem Kreisbeigeordnetem Manfred Görig, ZAV-Verbandsvorsteher Friedel Kopp als Moderator Rechtsanwalt Wolfgang Fabry aus Dietzenbach sowie Bernd Klinkhammer von der Ökon-Management GmbH, der das bestehende System ausgiebig erläuterte und verteidigte.

"Neues System bringt Verursachergerechtigkeit"

Zunächst hatte Kreistagsvorsitzender Ackermann erklärt, dass die neue Koalition aus SPD, Grünen und FWG in ihrem Koalitionsvertrag diese Bürgerversammlung für den Herbst vereinbart habe. Diplom-Kaufmann Klinkhammer hatte eingangs darauf aufmerksam gemacht, dass in den Jahren 2008/09 massive Gebührenunterdeckungen die Veränderungen des vorher bestehenden Müllentsorgungssystems notwendig gemacht hätten, ansonsten hätten die Gebühren kräftig erhöht werden müssen. Ziel der Änderungen sei es, die Deckung laufender Kosten und den Abbau aufgelaufener Verluste der Vorjahre zu erreichen. Eine erste zentrale Aufgabe, die Kosten des ZAV zu senken, sei bereits gelungen, im Vergleich zu 2008/09 seien die Fremdkosten des ZAV in 2011 um 4,7 Millionen Euro reduziert worden. Der Referent verteidigte das jetzige Gebührensystem dahingehend, dass es mehr Verursachergerechtigkeit bringe, wobei in den neuen Leistungsgebühren u. a. die Vorhandensein eines Gründstücks und die Anzahl der in einem Haus wohnenden Person mit einbezogen werde.

Die Hinzuziehung von Drittunternehmen habe die Logistik zudem verbilligt. Durch den Wegfall der kostenlosen Biotonne in Lauterbach, Alsfeld und Schwalmtal seien ebenfalls Kosten eingespart worden, zudem werde die Einsammlung von Papier noch besonders honoriert. Der Diplom-Kaufmann betonte die Vorteile, „dass heute der Bürger quasi mit seiner Tonne verheiratet sei“, wies auf das geringere Behältervolumen gegenüber Nachbarkreisen wie Fulda und Gießen hin, gestand aber auch Anlaufschwierigkeiten bei der Einführung des neuen Systems im Vogelsberg ein. Von Vorteil für die Betroffenen ist für ihn das bestehende Bonus/-Malus-System. Klinkhammer verwies darauf, dass sich der ZAV für das komplexere, aber gerechtere Gebührenmodell entschieden habe, woraus sich aber ein Spannungsfeld ergebe.

Neben einer grundbezogenen Grundgebühr und einer personenbezogenen Mindestgebühr seien neue Leistungsgebühren eingeführt worden, die aber nur bei Inanspruchnahme fällig würden. Der Vertreter der Ökon-Management GmbH ging auch auf die Kommunalisierung einzelner Leistungen in Verbindung mit der Vergabe von Leistungen an Drittfirmen ein, wobei die Eigenleistungen gewisse Gestaltungsrisiken mit sich brächten, bei Vergabe dann der Unternehmer das Risiko trage. Klinghammer verteidigte die Gebührenzahlungen nach der Häufigkeit der Abfuhren gegenüber dem Wiegen des Behälters, da das letztere System teuerer, die Bürger jetzt eine bessere Kontrolle ihrer Abfuhren hätten, der Anreiz zur unberechenbaren Nutzung von Fremdgefäßen und das Risiko einer Vermüllung der Landschaft beim Wiegen größer seien.

Massive Kritik am veranschlagten Müllvolumen

Massive Kritik wurde aus dem Publikum u. a. an den vom ZAV veranschlagten Müllvolumen von 20 Litern pro Woche und Person geübt, da nach Ansicht vieler die Müllmenge mit höchstens neun Litern pro Person wesentlich geringer sei. Kritisiert wurden auch die nach Ansicht vieler Anwesender zu großen Müllgefäße, was zur Folge habe, dass in die großen Tonnen nun alles reingeworfen werde, nur um sie zu füllen bzw. sich im Sommer hygienische Probleme durch seltene Leerungen ergäben. Auch wurde wieder ein fester Termin für Sperrmüllabfuhr gefordert. Bemängelt wurde, dass der Kunde des ZAV zu wenig Mitbestimmungsmöglichkeiten bei seiner Müllentsorgung habe.

Gefordert wurde auch, dass der ZAV mehr auf die persönlichen Verhältnisse betroffener Kunden eingehen solle. Die kostenpflichtigen Einsprüche Betroffener gegen Müllbescheide wurden als unangemessene „Drohgebärde“ des ZAV empfunden. Sicher ist sich Verbandsvorsteher Kopp, dass der Verwaltungsgerichtshof Kassel im Rahmen seines Normenkontrollverfahrens im Großen und Ganzen nichts zu bemängeln hat, da das Vogelsberger System nicht einzigartig sei. Er kündigte mit den neuen Gremien des ZAV einige Änderungen an, auf die er aber im Detail nicht eingehen wollte. „Einige Kinderkrankheiten müssen umgestellt werden“, gestand er allerdings ein und kam dabei zu der Erkenntnis: „Wir müssen mit den Dingen offen umgehen“. Kopp machte auch die schlechte Datenlage beim ZAV und die Tatsache, dass der Verband keine persönlichen Daten betroffener Haushalte seitens der Kommunen zur Verfügung habe, für manche Umgereimtheit verantwortlich.

"Frühere Bürgerbeteiligung wäre sinnvoll gewesen"

Erster Kreisbeigordneter Manfred Görig räumte ein, dass eine stärkere und frühere Bürgerbeteiligung sinnvoll gewesen wäre. „Das wird in Zukunft anders“, betonte der SPD-Politiker, der auch die Einführung einer Bio- und Wertstofftonne, wie teilweise gefordert, überprüfen lassen will. Auch über das Wiegesystem und die Gebührenstruktur will man generell nachdenken. Verbandsvorsteher Kopp reagierte auf die Forderung nach Wiedereinführung einer Biotonne mit dem Hinweis, dass sich bei dem kostenlosen Versuch zwischen 2006 und 2008 in Alsfeld und Lauterbach nur 44 Prozent und in Schwalmtal 38 Prozent beteiligt hätten und somit im ländlichen Raum die Biotonne nicht so gefragt sei. Der Kreistagsabgeordnete der Linken, Dietmar Schnell, warf dem Entsorgungsunternehmen Veolia, in Verbindung mit illegaler Müllentsorgung in anderen Bundesländern vor, „eine verbrecherische Organisation zu sein“, und man mit solchen Leuten nicht zusammenarbeiten könne, zdem kritisierte er Lohndumping und schlechte Arbeitszeiten.

Die Entsorgungsverträge mit dem Wetteraukreis aus dem Jahre 1997 machte Kopp für das hohe Minus beim ZAV in der Vergangenheit verantwortlich, denn der Gesetzgeber habe 2005 entschieden, dass nichts mehr aus der Wetterau auf die Vogelsberger Deponie habe verbracht werden dürfen, der ZAV habe aber weiterhin den Vertrag mit sehr hohen Beträgen erfüllen müssen. Der Vertreter des Landrates betonte seine Bereitschaft zu strukturellen Veränderungen, wobei die bis 2016 geschlossenen Verträge allerdings schnellen Änderungen entgegenstünden. Im Rahmen eines Modellversuchs sollen demnächst in einigen Nebenstraßen Herbsteins die vollen Mülltonnen nur auf einer Straßenseite zur Leerung aufgestellt werden, um so weitere Kosten zu sparen, kündigte der ZAV an.

Wenn diese Bürgerversammlung wohl in der nächster Zeit keine folgenschweren Änderungen bei den Müllkunden des ZAV zur Folge haben wird, so hat sie doch eine Reihe brauchbarer Ideen geliefert und die verhärteten Fronten aufgrund der relativ sachlichen Diskussion etwas aufgeweicht und die Politik zu dem Zugeständnis verholfen, die betroffenen Bürger künftig vorher besser und genauer zu informieren.(awh)+++



Gut besucht war die Bürgerversammlung in der Lauterbacher Sparkasse nicht unbedingt, die Anwesenden aus dem gesamten Vogelsbergkreis diskutierten aber sehr eifrig und meist auch fair mit dem Podium.

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