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23.10.11 - Ulrichstein

Bürgerinitiative kritisiert bewusste Falschinformationen der Stadt Urichstein

Im Darmstädter Hof in Feldkrücken trafen sich am Freitagabend rund 80 der insgesamt 153 Mitglieder der Bürgerinitiative (BI) gegen Wasser- und Abwasserbescheide der Stadt Ulrichstein, um in einer außerordentlichen Mitgliederversammlung den Etappensieg: „Die Stadt Ulrichstein hat in einem Eilverfahren verloren. Die von ihr erhobenen Beitragszahlungen für Abwasserbeiträge sind rechtswidrig“, zu würdigen und das weitere Vorgehen zu besprechen. Verärgert reagierte man auf die Falschinformationen durch die Stadt. Statt die Niederlage einzugestehen und die Konsequenzen zu ziehen, wolle man von den Bürgern die dritte Rate eintreiben. ZUM BILD: Dieter Kraft erläuterte den Ablauf des Streitverfahrens

Reinhold Müller, Sprecher der BI aus Bobenhausen II, berichtete chronologisch über die Aktivitäten der BI-Anwälte, Prof. Dr. Eiding und Dr. Faussner. Müller kritisierte die Fehlinformationen durch die Stadt. So wurden in den Ulrichsteiner Nachrichten vom 19.10.2011 betont falsche Informationen veröffentlicht: Die Stadt wolle gegen den Beschluss des Hessischen Verwaltungsgerichtshofes vom 12.7.2011 vorgehen. In diesem Eilverfahren habe die Stadt in der letzten Instanz verloren. Des Weiteren „überlegt sie, eine Entscheidung in einem Hauptsacheverfahren anzustreben, um Rechtsicherheit zu erlangen“. Richtig sei, dass die Mitglieder der Bürgerinitiative nach einer Untätigkeitsklage eine Anfechtungsklage gegen die Beitragsbescheide führen und kurz vor der Verhandlung stehen.

„Es ist also umgekehrt, die Mitglieder waren gezwungen, gegen die Stadt juristisch vorzugehen, um die Rechtmäßigkeit der Beitragszahlungen prüfen zu lassen“, so Müller und wies auf die Verzögerungstaktik der Stadt Ulrichstein hin, die der Stadt einen strategischen Vorteil bringe, nämlich das Einziehen der weiteren Raten der Wasser- und Abwasserbeiträge von den Bürgern.

„Das Eilverfahren bezüglich der Aussetzung der Vollziehung war beim Verwaltungsgericht erfolgreich, die Beitragszahlungen sind rechtswidrig. Gegen diesen Beschluss hat die Stadt Ulrichstein geklagt und ist vor dem Hessischen Verwaltungsgerichtshof Kassel kläglich gescheitert“, betonte Müller. Dies habe einen positiven Einfluss auf das Hauptverfahren der BI. Als aufschlussreich bezeichnete er die Begründung: Wenn weniger als 50 Prozent des Abwassernetzes nur erneuert und erschlossen wurden, handelt es sich nach Aussage des Gerichts nur um eine Instandhaltung beziehungsweise Unterhaltung der Leitungen. Diese sollten aus den laufenden Kosten wie Gebühren, Abschreibungen und Steuereinnahmen finanziert und nicht zusätzlich auf den Bürger abgewälzt werden. Da alle Stadtteile in einer Globalabrechnung zusammengefasst seien und gemeinsam abgerechnet werde, sei es nahezu unwahrscheinlich, dass 50 Prozent der Leitungen erneuert wurden. Insbesondere auch deshalb, da in den meisten der neun Stadtteile kein Kanal saniert worden sei. Anhand eines Schaubildes erläuterte Dieter Kraft den Mitgliedern das komplizierte juristische Verfahren.

Im Anschluss war zu hören, dass, die Anwälte, Prof. Dr. Eiding und Dr. Faußner nun wieder für die BI Widerspruch gegen die 3. Rate der Vorausleistungen auf die Wasser- und Abwasserbeiträge sowie einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung für die Vollmachtgeber an die Stadt Ulrichstein schicken würden. Gezahlt werden sollte jedoch unter Vorbehalt, da sonst Mahngebühren drohten.

Die BI habe sich mittlerweile neu aufgestellt, die Wogen seien geglättet. Zur Konsolidierung der BI habe eine neue Struktur beigetragen, die zusätzlich auf eine aktive Arbeit in den Ortteilen mit Ortvertretern basiere. Bis auf Rebgeshain haben jetzt alle Stadtteile Ortsvertreter: Helmut Hohmann (Helpershain), Angelika und Wolfgang Dietz (Kölzenhain), Edgar Seim (Feldkrücken), Rudolf Maryska (Unter-Seibertenrod), Kurt Roth (Ober-Seibertenrod), Dr. Dietmar von dem Borne (Ulrichstein), Herbert Scharmann (Wohnfeld) und Dieter Kraft (Bobenhausen). Die ortskundigen Vertreter der Stadtteile werden im Wesentlichen dazu beitragen, die Informationen über die Grundstückskonstellationen, wie Leitungs-, Überfahrungs- und Überschwemmungsrechte, der Mitglieder zu sammeln. Damit soll eine Datenbank für Aspekte im Zusammenhang mit der gerichtlichen Auseinandersetzung aufgebaut werden. Wolfgang Reinig informierte über die Finanzstatus der BI und forderte die Mitglieder auf, für die weiteren juristischen Aktivitäten 50 Euro zu entrichten.

Abschließend wurde von Dieter Kraft über die geplante gesplittete Abwassergebühr informiert. Auch bei dieser Gebühr würden die ländlichen Regionen mit ihren gewachsenen Strukturen außer Acht gelassen und nur an verdichtete Bebauungsformen wie in den Ballungsräumen gedacht. Den ländlichen Kommunen würden bei der Einführung hohe zusätzliche Kosten aufgebürdet. Zu befürchten sei, dass auf die Veranlagten im ländlichen Raum wieder erhebliche Gebührenerhöhungen zukommen werden. ++gr++

ZUM HINTERGRUND (von Helga Weigand, Pressesprecherin BI Ulrichstein)

"Die Ende 2009 gegründete Bürgerinitiative ist ein seltenes Kleinod, eine Bürgerbewegung im Hohen Vogelsberg, wo man noch wenig Erfahrung mit dem Aufbegehren gegen die Obrigkeit hat. Das Pilgern zur Stadtverwaltung, die bisher gängige Praxis, um sich zu beschweren und Reduzierung der Kosten zu erreichen, war für viele Bürger nicht mehr möglich, denn das Maß war voll. Man fühlte sich zu Unrecht in die Tasche gegriffen und die Androhung bei Nichtbezahlung sofort zu pfänden schüttete noch Öl in heiße Feuer.

Hintergrund für den vorliegenden Konflikt ist die schlechte Kassenlage der Kommunen mit dem Resultat, dass immer mehr Kosten auf den einzelnen Bürger verlagert werden müssen. Das Land blutet durch die demografische Entwicklung und angesichts der Schuldenberge und geringerer Zuweisungen von Bund und Land an die Kommunen aus.

Über ein Prozent schrumpft der Vogelberg jährlich, das waren 2010 insgesamt 1538 Einwohner. Nach Aussage des Landesrechnungshofes in der Hessenschau vom 19.10.2011 sind Kommunen nicht schuldlos, da mancherorts ihre Haushaltsführung zu wünschen übrig lässt. Zwangläufig werden im ländlichen Raum immer mehr Kosten auf immer weniger Bürger/Haushalte verteilt. Für deren Bewohner sind die Steuern, Beiträge und Gebühren nicht mehr zu tragen. Was ist zu tun, soll man sich einschränken und bleiben oder das Land Richtung Stadt verlassen. Das naturnahe Leben auf dem Land bietet zwar eine besondere Lebensqualität, aber große infrastrukturelle Schwächen, wie fehlende gesundheitliche Versorgung und eingeschränkte Mobilität stehen dem entgegen. Scharenweise verlassen junge Menschen die Region, und auch die ersten Zugereisten packen ob der anrollenden Kostenlawine ihre Koffer.

Eine bürgernahe Politik, eine Politik für und mit den Bürgern, die zum Ziel hat, mit den wenigen verfügbaren Mittel kreativ im Sinne der Bewohner einer Stadt umzugehen, wäre das Ziel eines neuen Stadtoberhauptes. Eine schrumpfende Region braucht keine Vorzeigeprojekte, keine überdimensionierten Infrastrukturausbauten, keine schicken, teuren Ärztehäuser und neue oder vergrößerte Dorfgemeinschaftshäuser, wo die Bevölkerung fehlt.". +++

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