Potenziale der Wasserkraft oft unterschätzt - Natur-Verein auf Exkursion in Rhön

Seit 1997 führt der Verein Natur- und Lebensraum Rhön gemeinsam mit der Arbeitsgemeinschaft Hessischer Wasserkraftwerke jährlich eine Mühlen- und Wasserkraftexkursion durch. Die diesjährige Busexkursion führte in die Flussbereiche von Main und Tauber. Mit über 50 Teilnehmern war die von Martin Kremer geleitete Fachexkursion bestens besucht. Besichtigt wurde zunächst die 1807 erbaute Papiermühle in Homburg am Main. Es handelt sich um ein Industriemuseum, welches bis zum heutigen Tag einen guten Einblick in die Herstellung von Papieren und Pappen gibt. Noch heute wird, in einem Nebengebäude, eines der hochwertigsten deutschen Büttenpapiere gefertigt. In historischer Zeit wurden die Maschinen der Papiermühle durch ein Wasserrad mit 8 Meter Durchmesser angetrieben. Heute erzeugt die Kraft des Wassers, dank einer sehr stetigen Wasserversorgung, rund 30.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Die zweite Etappe der Fahrt war die Holzmühle bei Uettingen. Für den abgelegenen Weiler, der erst sehr spät an das öffentliche Stromnetz angeschlossen wurde, erzeugen nun 3 Wasserräder die notwendige Energie. Dank Unterstützung aus Mitteln der Dorferneuerung konnten im Zeitraum von 2004 bis 2009 die Wasserräder saniert werden. Für den Gasthof Holzmühle ist das alte Mühlenambiente mit den Wasserrädern ein wichtiger Wettbewerbsvorteil. Das Wasserrad des Gasthofes hat einen Durchmesser von 3,80 Meter und eine Breite von ca. einem Meter. Der Generator hat eine Leistung von 7 Kilowatt. Damit erzeugt auch dieses Wasserrad heute jährlich rund 40.000 Kilowattstunden Strom pro Jahr.

Ein weiterer Besuchspunkt war die Kemmer Mühle in Bieberehren. Bis 2005 wurde die Kemmer Mühle als mittelständiges Unternehmen betrieben. Die Getreidemühle hatte eine Kapazität von 160 Tonnen Getreidevermahlung pro Tag. Leider wurden die Anlagen inzwischen stillgelegt. Sehenswert für die Exkursion war die Wasserkraftnutzung. Zwei Francis-Turbinen mit liegender Welle erzeugen elektrische Energie. Die beiden Stromgeneratoren sind für eine Gesamtleistung von 75 Kilowatt ausgelegt.

Ein Höhepunkt der Fahrt war die Wasserkraftanlage von Wilhelm Pfenning in Röttingen. Am Standort einer historischen Mühle entstand in den vergangenen Jahren ein modernes Triebwerksgebäude mit zwei Kaplan-Turbinen und Generatoren mit einer Leistung von bis zu 140 Kilowatt. Die neue Generation von Kaplan-Turbinen ermöglicht eine bestmögliche Stromausbeute. Beachtlich ist das Potenzial der neuen Anlage: Eine Jahreserzeugung von rund 500.000 Kilowattstunden ist realistisch. Umso unverständlicher war für die Fahrtteilnehmer der behördlich verordnete Stillstand der Anlage. Wegen Rechtstreitigkeiten, ob die Anlage noch unter das historische Altrecht fällt, wurde die Anlage stillgelegt. Eine Maßnahme die seitens der Exkursionsteilnehmer mit Kopfschütteln bedacht wurde.

Immerhin geht es hier um einen erheblichen volkswirtschaftlichen Schaden. Monatlich könnte die Anlage über 40.000 Kilowattstunden umweltfreundlich erzeugten Strom in das Netz einspeisen. Mit der technisch möglichen Stromerzeugung könnten jährlich über 160 Haushalte im Umfeld mit elektrischer Energie versorgt werden.

Wieder einmal wurde die Fachexkursion von zahlreichen Wasserkraftbetreibern genutzt um sich auch länderübergreifend auszutauschen. Teilnehmer aus Hessen, Bayern und Thüringen waren vertreten und diskutierten über die unterschiedlichen wasserrechtlichen Handhabungen in den Bundesländern. Kritisiert wurde, dass zwar Windenergie, Photovoltaik und Biogas massiv subventioniert und ausgebaut wurden, die Potenziale der Wasserkraft aber vielfach unterschätzt werden und sollten verstärkt in den aktuellen Überlegungen Eingang finden. +++