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12.12.11 - Bad Neustadt

„Nikolaus-Kaffee mit Croissants und Brezeln“ - Dr. Norbert Graeber referierte

Über „33 Jahre China – Wirtschaftsentwicklung und kulturelle Hintergründe, verflochten mit persönlichen Erfahrungen und Eindrücken“ referierte Dr. Norbert Graeber als Gast des Wirtschaftsbeirats der Union im Freistaat Bayern. Eingeladen hatte Martin Kuchler, Bezirksvorsitzender Rhön/Saale. Foto: Partl

Ob des ungeahnten Interesses mussten die Gäste beim angekündigten „Nikolaus-Kaffee mit Croissants und Brezeln“ auf die Schnelle noch in das Hotel Residenz ausweichen, denn die Räumlichkeiten bei Schwan & Post hätten gar nicht ausgereicht. Kuchler, Diplom-Wirtschafts-Ingenieur und geschäftsführender Gesellschafter von Personal-Partner aus Münnerstadt, begrüßte schlicht „republikanisch-bürgerlich“ alle Gäste. „If you are not in china – you are not in the game“ erinnerte er an ein in Wirtschaftskreisen geflügeltes Wort. Statt auf Horrorszenarien zu blicken, sollte sich die deutsche Wirtschaft aber lieber auf das Wesentliche und Wichtige beschränken. „Wir alle sollten uns die chinesische Sicht der Dinge aneignen“, so seine Empfehlung. Schwungvoll stellte Dr. Norbert Graeber sein Motto in chinesischen Zeichen vor: „Action is better than reaction“. Es sei immer besser, selbst zu agieren als sich fremdbestimmt von anderen dirigieren lassen. Im Klartext: Niemand solle einen in die Pflicht nehmen können, nach seiner Pfeife zu tanzen.

Graeber, Jahrgang 1946 und aus Münnerstadt stammend, ergänzte seine „solide und trockene deutsche Juristenausbildung“ durch weitere juristische Studien in der Jesuitenuniversität Fujen in Taiwan und ein paralleles Sinologiestudium. Trotz 33 verbrachte Jahre in der Volksrepublik China habe er sich ein unabhängiges Urteilsvermögen bewahren können, erklärte er den Zuhörern. Immer wieder mischte er Fakten mit persönlichen Erlebnissen aus jener Zeit plastisch und kurzweilig. „Bei unserem Umzug nach Peking am 2. Januar 1979 sagte meine Frau unter Tränen, wir sind in der Steinzeit gelandet.“ Weit holte Graeber aus in der 5.000jährigen Geschichte Chinas. Heute katapultiere sich das weltweit größte Entwicklungsland „in gierigem Vorwärts-Streben“ explosionsartig an die Spitze der Welt. „China geht seinen eigenständigen sozialistischen Weg und strebt eine unabhängige, bündnisfreie Außenpolitik an.“ Graeber erinnerte an Deng Xiaoping, der China den größten Wohlfahrtsgewinn bescherte, den ein einzelner Mensch zu Lebzeiten je zustande gebracht hatte: „Reformiere und öffne das Land, um nicht weitere und neue Entwicklungen zu verschlafen. Hier liegt die Wurzel des neuen China.“

„Zurück zu mir“ wurde zum geflügelten Wort im Vortrag mit privaten Erinnerungen. Man schrieb das Jahr 1982: die Familie wohnte in einer „luxuriösen“ Drei-Zimmer-Wohnung, dank eingeschmuggelter Sämereien aus Münnerstadt mutierte Graeber zum „ersten Salatbauern in China“. Dank seiner Botschafter-Tätigkeiten wurde er auch zum ersten privaten Autobesitzer in China, Tanken war allerdings ein eigenes Problem. In den letzten 30 Jahren verzeichnete China einen noch immer andauernden kometenhaften Anstieg seines Bruttosozialprodukts. Auch sei es China gelungen, auf nur sieben Prozent der Weltanbaufläche 22 Prozent der Weltbevölkerung zu ernähren. Ein weiterer Trend sei, dass immer mehr Menschen aus aller Welt „einem Job“ in China nachgehen. Abenteuerlich gestaltete sich das private Hobby des Surfens, was 1983 noch unter Strafe stand. Heute sei Graeber der einzige Surfer von Peking. 1984 „durfte“ er als Erster Lohnsteuer zahlen, was es bis dahin nicht gab. Der Stolz, endlich ein Fahrrad sein eigen nennen zu dürfen, währte nur eine Woche: dann verschwand es gestohlen. Höchst abenteuerlich war die Verständigung ohne Telefon. Nur im Nachhinein gestalteten sich erlebte Anekdoten amüsant.

Was den Chinesen und auch ihm persönlich aktuell einen besonderen Schock bereitete, war der deutsche Atomausstieg „im Alleingang und als Sonderweg“. Deutschland war bis in die 80er Jahre hinein führend in Atomforschung, Reaktorentwicklung und Sicherheit. „Während man sich hierzulande davon distanziert, forciert China den Einstieg.“ In Shanghai wurde inzwischen auf eine Fläche von 130 Quadratkilometern und mit zirka 200 Milliarden Dollar Investition eine eigenständige Nuklearforschung aufgebaut. Dort fanden auch die arbeitslos gewordenen Forscher aus Deutschland neue Arbeit. Bereits in Deutschland vorgedacht haben sie mit an deutschen Universitäten ausgebildeten Fachleuten nahe Peking einen Kugelhaufen-Reaktor installiert: Den ersten katastrophenfreien Stromer, denn dessen Physik verhindert die gefürchtete Kernschmelze von vorneherein. „Die Technik mit Brennstäben ist wirklich gefährlich – es geht inzwischen aber schon ohne. Damit verschenkt Deutschland ohne Not seine Führung in Hochtechnologie an die Chinesen.“ Das Land erlebte in wenigen Jahren eine Entwicklung, zu der andere Nationen Jahrhunderte brauchen, so das Fazit des Referenten.(ger)+++

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