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01.02.12 - Bad Neustadt
"Hinter jeder Sucht steckt eine Sehnsucht" - Trinken bis der Arzt kommt
„Hinter jeder Sucht steckt eine Sehnsucht“. Darüber ist sich der Arbeitskreis AK Suchtprävention und Gesundheitsförderung im Landkreis Rhön-Grabfeld einig. Nun zog er im Gesundheitsamt Bad Neustadt Bilanz über das abgelaufene Jahr mit seinen Aktivitäten, daneben gab er einen interessanten Ausblick auf das noch junge laufende Jahr. Der Arbeitskreis selbst ist ein Zusammenschluss verschiedener sozialer und gesundheitlicher Einrichtungen, der im hiesigen Landkreis heuer nach 15 Jahren ein kleines Jubiläum begehen kann. Er engagiert sich insbesondere für junge Menschen. Die Koordination und Geschäftsführung des Arbeitskreises Suchtprävention und Gesundheitsförderung liegt in den Händen des Gesundheitsamtes der Kreisstadt.
Auf dem Foto: Der Arbeitskreis Suchtprävention und Gesundheitsförderung mit (von links) Susanne Till, Maria Reichert-Härder und Rita Börste am Gesundheitsamt Bad Neustadt zog Bilanz. Foto: Partl
Dem AK gehören alle relevanten Stellen an, die mit der Thematik Sucht arbeiten: Lehrer verschiedener Schularten, die Sucht- und Erziehungsberatung des Caritasverbandes, das Gesundheitsamt und das Jugendamt des Landratsamtes Rhön-Grabfeld, die Schulsozialarbeiterin der Mittelschule Bad Neustadt, das Netzwerk für soziale Dienst e.V., die Kreisklinik Bad Neustadt, Vertreter der Saaletalklinik und der Psychosomatischen Klinik, der Kreisjugendring sowie die Polizeiinspektion Bad Neustadt. Die Zusammenarbeit der verschiedenen Partner ermöglicht ein umfangreiches Angebot gesundheitsfördernder Veranstaltungen im Landkreis, machte Dr. Horst Rusche, Leiter des Gesundheitsamtes, beim Pressegespräch aufmerksam. Daran beteiligten sich Maria Reichert-Härder (Landratsamt Rhön-Grabfeld, Gesundheitsamt), Susanne Till (Caritas-Suchtberatung Bad Neustadt) und Rita Börste (Öffentlichkeitsarbeit Kreisklinik Bad Neustadt).
Im abgelaufenen Jahr 2011 hat sich der Arbeitskreis vorwiegend dem Thema „Jugend und Alkohol“ verschrieben und dazu verschiedene interaktive Präventionsveranstaltungen mit wechselnden Partnern durchgeführt, wurde im weiteren Gespräch deutlich. Einen riesigen Erfolg sahen die Beteiligten in der Aktion „Nur Flaschen füllen sich ab“. Diese Präventionsveranstaltung zum Thema „Jugend und Alkohol“ und Elternabend in der Kreisklinik Bad Neustadt durchzuführen, sei genau der richtige Ort dafür gewesen, hatten damals sogar beteiligte Jugendliche bestätigt. Die Kreisklinik selbst zählte im abgelaufenen Jahr 59 eingelieferte, weil stark alkoholisierte Jugendliche. „Viel zu viele für eine Kleinstadt wie Bad Neustadt“, war man sich im Arbeitskreis einig.
Rückläufiger Alkoholkonsum - vermehrt "Komasaufen"
Der Alkoholkonsum sei insgesamt etwas rückläufig, doch Anlass zur Freude bestünde darob nicht, so Susanne Till. Das Problem des „Koma-Saufens“ weise sogar noch steigende Tendenz auf. Diejenigen Jugendlichen, die in der Kreisklinik bei der Präventionsveranstaltung hautnah miterleben durften, was Alkohol aus jungen Menschen macht, wie sie torkeln und lallen, sich einnässen und erbrechen, wie entsetzlich sie sich fühlen, wenn Körper und Geist wieder zu sich kommen – die seien wohl nachhaltig betroffen. Überlegungen zielen darauf ab, eine solche Veranstaltung trotz sehr hohem Aufwand erneut durchzuführen.
Die Aktion „Klar-Sicht“ zu Tabak und Alkohol in Mellrichstadt sollte Jugendlichen einerseits die Gefahren aufzeigen, andererseits aber auch zu eigenverantwortlichem Handeln anleiten. „Wenn beim Treffen mit Freunden Rauchen und Alkohol trinken dazu gehört, ist es schwer, nicht mitzumachen“, weiß Maria Reichert-Härder aus reichlicher Erfahrung.
Vor allem in der Pubertät und als Teenager spiele die Zugehörigkeit zur Clique eine wichtige Rolle. „Rituale und Regeln zeigen, wer dazu gehört und wer nicht.“ Tabak- und Alkoholkonsum seien als vermeintlicher Ausdruck für das Erwachsensein bei diesen Ritualen besonders wichtig. Denn wer sich in der Gruppe ohne diese Verhaltensweisen behaupten will, habe es sicherlich nicht leicht. Entwickelt wurde ein „Elternbrief“ für auffällig gewordenen Jugendliche, der diese an die Problematik Alkohol anspricht: Denn Kinder beginnen heutzutage oft viel zu früh, Alkohol zu trinken. Jugendliche würden dies schlicht als Spaß betrachten. Die Zahl der Alkoholvergiftungen bei Kindern und Jugendlichen steigt beständig an. Die Zahl der Krankenhauseinweisungen alkoholisierter Jugendlicher hat sich seit dem Jahr 2000 nahezu verdreifacht. Alkoholkonsum kann gerade für Jugendliche ernsthafte Folgen haben.
Daneben ermuntert der Elternbrief, sich selbst Fragen zur Erziehung des eigenen Kindes zu stellen, andererseits aber auch sehr deutlich dazu, sich Unterstützung zu holen bei professionellen Ansprechpartnern in der Region. Jugend- und Gesundheitsamt sind ebenso prädestiniert dafür wie der Caritasverband mit diversen Anlaufstellen. An diese Stellen können sich auch betroffene Jugendliche selbst wenden: Beratungen sind immer kostenfrei, absolut freiwillig, unabhängig von Alter, Konfession oder Weltanschauung und sie unterliegen absoluter Schweigepflicht. „Alles ganz easy“, um im flapsigen Jargon der Jugend zu bleiben. (ger)+++