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Unter der Leitung von Kirchenmusikdirektorin Karin Riegler begleiteten die Solisten Anna Gann, Anna Haase von Brincken, Sebastian Kohlhepp Daniel Blumenschein und Peter Ling sowie das Orchester „Soli deo gloria“ die Evangelische Kantorei. Foto Partl

02.04.12 - Bad Neustadt

Johannes-Passion: Stehende Ovation in der Christuskirche

Mit der Johannes-Passion von Barock-Altmeister Johann Sebastian Bach gelang Kirchenmusikdirektorin Karin Riegler ein weiterer Meilenstein ihrer kirchenmusikalischen Karriere. Die evangelische Christuskirche in Bad Neustadt war proppenvoll. Die Johannes-Passion pünktlich an Palmsonntag aufgeführt, gereichte zur würdigen Einführung in die Karwoche. Und das alles wie von Bach überliefert üblich: „Soli deo gloria.“ - Gott allein die Ehre.

Johann Sebastian Bach schrieb die Johannes-Passion 1724 als Leipziger Thomaskantor und „director musices“ für die Aufführung im Vespergottesdienst an Karfreitag in St. Nicolai. Schon vor seinem Amtsantritt wurde Bach seinerzeit vom Rat der Stadt Leipzig ermahnt, nur „solche Compositiones zu machen, die nicht theatralisch wären“, denn die Leipziger Gemeinde war sehr traditionsbewusst und vor allem konservativ.

Dennoch komponierte Bach mit seiner Johannes-Passion ein höchst dramatisches Werk mit expressiver Vermittlung des erregenden Geschehens und gleichzeitig einer nicht zu starken Betonung von Gefühlsausbrüchen und musikalischer Neuerungen. Das textliche Rückgrat der Passion bildet dabei das Johannesevangelium in der Luther-Übersetzung. Zwei Textstellen wurden dem Matthäus-Evangelium entnommen: Das Weinen des Petrus und das Zerreißen des Vorhangs im Tempel.

Für die evangelische Kantorei der Christuskirche galt es vorab, in zahlreichen und langwierigen Proben das ausgesprochen hohe Niveau der Johannes-Passion umsetzen, was den höchst engagierten Damen und Herren hervorragend gelang. Kompliment! Unterstützt wurden sie vom renommierten Orchester „Soli deo gloria“ aus Weimar auf alten, zu Bachs Zeiten noch üblichen Instrumenten. Fünf Solisten dominierten die Passionsgeschichte, wobei die männlichen Parts überwogen. Wie ein roter Faden gestaltete Tenor Sebastian Kohlhepp (Karlsruhe) als Evangelist in den Rezitativen einen freien Sprechgesang, der sich aus den Wort- und Satzmelodien des Luthertextes ergab. Als ausdrucksstarker Erzähler brachte er alles andere als einen sachlichen Bericht: Die Musik schuf eine Nähe zum Textinhalt und zeigte, wie sehr der Evangelist in seinem Innersten angerührt wurde.

Gleich zwei Solo-Bass-Stimmen benötigte die Johannes-Passion: Als Pilatus überzeugte Peter Ling (Hannover) und als Christus Daniel Blumenschein (Halle). Den Sopran-Arien gab Anna Gann (Meiningen) ihre Stimme, während im Alt Anna Haase von Brincken (München) glänzte. Zwar aus zwei Teilen bestehend aber ohne Pause hielt die Kirchenmusikdirektorin die Spannung der Johannes-Passion zwei volle Stunden am Leben. Bach nahm die damalige Gliederung nach mittelalterlicher Tradition in seiner Johannes-Passion auf: Verrat des Judas und Gefangennahme, Verhör vor dem Hohepriester und Verleugnung des Petrus, Verhör vor Pilatus und Todesurteil, Kreuzigung und Tod, Grablegung.

Jeden Abschnitt beendete ein sanft anmutender Choral, der damit Ruhepunkte schaffte, bevor das überaus dramatische Geschehen weiter vorantrieb. Der Schlusschor „Ruht wohl, ihr heiligen Gebeine“ deutete bereits an, dass der Tod nicht das Ende ist: Das Thema „Auferstehung“ klang bereits deutlich an. Als weitere Textquellen verwand Bach evangelische Kirchenlieder, liebliche Choräle. Vermutlich gehört der Schlusschoral „Ach Herr, lass dein lieb Engelein“ nicht zur ersten Fassung der Johannes-Passion. Bach setzte diesen Choral wohl an das Ende um auf die Wünsche der Leipziger Gemeinde einzugehen. So beschließt das Sehnen der christlichen Gemeinde nach Auferstehung von den Toten die Passion: „Herr Jesu Christ, erhöre mich. Ich will dich preisen ewiglich.“

Wenn der letzte Ton verklungen ist, so bat Karin Riegler im Vorfeld, sollten die Zuhörer auf das Läuten der Vater-unser-Glocke lauschen und einen Moment der Stille harren. Man hätte dabei die berühmte Stecknadel im Heuhaufen klingen hören, so mucksmäuschenstill verharrte das Auditorium in der Christuskirche. Dann gab es kein Halten mehr. Stehende Ovationen, in einer Kirche eher unübliche Bravo-Rufe und langanhaltender Applaus belohnte die Akteure. Welch ein Geschenk. (ger) +++

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