Archiv
09.06.12 - Ruppertenrod
Abbruch oder Erhalt? - Beirat berät über Fragen zum Denkmalschutz
Abbruch oder Erhalt? Wenn ja, wie und um welchen Preis? Darum ging es auf der Sitzung des Denkmalbeirates am 31.05.12 in Mücke-Ruppertenrod. Seit über einem Jahr laufen Beratungen über den Umbau des denkmalgeschützten Hauses Hintergasse 10. Vor der Sitzung wurde die Anlage gründlich in Augenschein genommen.
Das über 300 Jahre alte Fachwerkhaus ist bauphysikalisch in einwandfreiem Zustand und teilrenoviert, wurde jedoch auf der Rückseite in Massivbauweise erneuert. Vorsitzende Erika Müller (Bleidenrod) und der Mücker Bürgermeister Matthias Weitzel begrüßten die Mitglieder und Fachberater sowie Ansgar Brockmann und Dr. Andreas Thiedmann vom Landesamt für Denkmalpflege und Architekt Albert Lambrecht, (Mücke). Eine junge Familie möchte hier mit Oma leben und beansprucht Fläche im Fachwerkwohnhaus und direkt angrenzenden Fachwerkscheune. Dazu ist nach Auffassung der Bauherren u. a. aufgrund geringer Raumhöhen von unter 2 m ein Teilabriss erforderlich, hieß es zu Beginn. Dieser wurde vom Landesamt für Denkmalpflege abgelehnt. Ansgar Brockmann hatte Alternativen angeboten, die auch Veränderungen der Bausubstanz (z. B. Anhebung des Daches) beinhalten sollten – nach dem Motto „mit der Substanz arbeiten“.
Doch das war mit den Bedürfnissen des Bauherrn nicht vereinbar. Architekt Lambrecht hatte zahlreiche Entwürfe zu einem Umbau vorgelegt, auch diese waren mit den Anforderungen der Denkmalpflege nicht vereinbar. Bisher war es nicht gelungen, zwischen Bauherrn, Denkmalschutz und dem Architekten zu einem Einvernehmen zu kommen. Nun war der Rat des Denkmalbeirates gefragt. Entwürfe, Vorschläge und Empfehlungen wurden diskutiert. Ein Konsens zeichnete sich ab. Die stimmberechtigten Mitglieder votierten mit einer Gegenstimme für den Abbruch des Fachwerkwohnhauses und einen Ersatzneubau. Leerständen müsse man zuvorkommen, junge Familien im Ort zu halten, gehe im Fall Hintergasse vor Erhalt, lautete die Begründung des Denkmalbeirates. Im weiteren Verlauf der Sitzung berichtete Bernhard Hofmann, Leiter der Unteren Denkmalschutzbehörde, dass sich in den letzten 2 Jahren die Abbrüche denkmalgeschützter Häuser verdoppelt hätten.
Er stellte beispielhaft 12 Gebäude aus dem Vogelsbergkreis vor, bei denen der Abbruch genehmigt, abgelehnt bzw. die Entscheidung noch offen ist. Dass die zunehmende Anzahl an Abbrüchen zu enormen Veränderungen in den Orts- bzw. Stadtkernen führt wurde anhand von Beispielen dramatisch sichtbar. Windkraftanlagen - wie viele verträgt unsere Kulturlandschaft? Wie wirken sie auf sensible Landschaften, z.B. auf die Umrisse historischer Kleinstädte und Dörfer? fragte sich der Denkmalbeirat. Standorte sollten nicht nach dem Gießkannenprinzip geplant werden. Flächen mit Kulturdenkmälern seien als sensible Landschaften zu verstehen und als solche auszuweisen, hieß es im Beirat. Bernhard Hofmann berichtete von einem Hearing der Architektenkammer Baden-Württemberg zur Thematik „Windenergie und Landschaft“. Gemäß den Vorgaben des RP. Gießen soll die Anzahl der WKA im Kreisgebiet von derzeit ca. 180 auf über 700 erhöht werden. Das tut der Landschaft nicht gut, meinte Vorsitzende Erika Müller abschließend und berichtete, wie intensiv und mit allen Sinnen Besucher aus dem Rhein-Maingebiet unsere Kulturlandschaft im Vogelsberg wahrnehmen und verinnerlichen. +++