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15.07.12 - BAD HERSFELD

Kein Stück für die Schublade - "Ewig Jung"-Premiere im Schloss Eichhof

Es gibt Kunst, die passt in keine Schublade, und dennoch spürt man: genauso muss es sein. Schubladen dienen der Ordnung, und doch lassen sie auch so manches verschwinden, was man eigentlich täglich benötigt. Gut dass Erik Gideons Stück "Ewig jung" in keine Schublade passt, denn so besteht nicht die Gefahr, dass es in deren Tiefen verschwindet. Solche Stücke braucht man nämlich täglich. "Ewig jung" hatte am Donnerstag im Schloss Eichhof Premiere, am Originalschauplatz gewissermaßen, denn es ist ein Stück über Bad Hersfeld, die Schauspieler und eben Schloss Eichhof, das in nicht allzu ferner Zukunft im Jahr 2050 zur Künstlerseniorenresidenz im Eichhof umgebaut wurde.

Hier verbringen sie ihren Lebensabend: Herr Ullrich (Stephan Ullrich), Frau Hirschal (Maddalena Noemi Hirschal), Herr Seeger (Hans-Christian Seeger), Frau Becker (Franziska Becker), Herr Jordan (Frank Jordan) und Herr Mahn (Thomas Mahn), mit strenger Hand betreut von Schwester Iris Stefanie (Iris Stefanie Maier). Und sogar die Toten sind anwesend: Die Ahnengalerie der Festspielintendanten an der Wand und die Urne mit "Volkers Asche" auf dem Flügel.

Als Songdrama betitelt der Autor sein Stück selbst. Dramatisch ist die Entwicklung jedenfalls, von der harmlosen Seniorenunterhaltung mit "altersgerechtem Liedgut" durch Schwester Iris bis hin zum shakespearschen Sterben am Ende inklusive "Mord" an der lästigen Schwester. Betrachtet man das Stück als Revue der musikalischen Erinnerungen, zeichnet sich der schwarze Humor und der oftmals scharfe Witz am besten ab. Von "I love Rock’n’Roll" bis "Barbie Girl" werden keine musikalischen Klischees ausgelassen, allerdings in erfrischend ironischer Interpretation, dass man als Zuschauer selbst in Erinnerung schwelgen und bedenkenlos genießen kann.

Darunter zwei Glanzlichter: Herr Ullrichs (Stephan Ullrich) Interpretaion von den Byrds als fragmentarischer Streifzug durch die gesamte Flower-Power-Musik der 60er, sowie Herr Jordans (Frank Jordan) Interpretation von "Staying Alive" im Bee Gees-Stil. Musikalischer und thematische Kontrapunkte setzen die "musikgeragogischen" Einlagen von Schwester Iris Stephanie, mit welchen sie die Senioren wenig begeistern kann, und die nervende Pflegerin schließlich sogar zum "Mordopfer" machen. Die beiden musikalischen Ebenen des Songdramas entwickeln sich gegenläufig: Die Beiträge der Schwester (meist Eigenkompositionen des Autors) naiv beglückend bis naiv sarkastisch, vom Glücklichsein bis zum Sterben und Verwesen, das Programm der Alten vom Leben zum Überleben mit Gloria Gaynors "I will survive" als dramaturgischem Höhepunkt.

Doch keine Gefahr, dass das Stück ins Plakative abgleitet, denn das Blatt wendet sich nach Sterbeszene und Abendlied in dem als Zugabe inszenierten Protest- und Hoffnungssong "We shall overcome". Nicht "alles wird gut" ist die Botschaft, vielmehr, "gemeinsam werden wir alles überwinden", auch die "zweite Kindheit", jeden Tag aufs Neue. "Ewig jung" ist ein absoluter Geheimtipp, der nicht lange geheim bleiben dürfte, doch die Karten im Eichhof sind begrenzt. (Klaus Scheuer)  +++

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