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- Fotos: Hendrik Urbin
11.08.12 - EICHENZELL
Trommelwirbel, bunte Uniformen, marschierende Soldaten und seltsam "verkleidete" Menschen - der Hofgarten von Schloss Fasanerie in Eichenzell bei Fulda bietet an diesem Wochenende den vielen tausend Besuchern eine "Zeitreise ins 18. Jahrhundert". Es ist eine Art "lebendiger Geschichtsunterricht" mit zahlreichen Darstellern in originalgetreuen Kostümen und Uniformen. Als Militär- und Zivilpersonen zwischen 1740 und 1786 setzen sie Alltagsgeschehen aus damaliger Zeit anschaulich in Szene. Veranstaltet wird dieses "Event" schon seit vielen Jahren von der Hessische Hausstiftung in Zusammenarbeite mit der Gesellschaft für hessische Militär- und Zivilgeschichte e.V.
Gewänder, Roben, Uniformen, Händler und Handwerker, Soldaten, höfisches Volk oder lumpige Bettler wie man sie vor etwa 250 Jahren nicht nur hierzulande zuletzt gesehen hat. Sie ist nach Angaben der Veranstalter "bundesweit einmalig", thematisiert sie doch als einzige öffentliche Veranstaltung dieser Größe die Geschichte der angeblich nach Amerika „verkauften Hessen“. Wie es wirklich war, werden die Darsteller in einer Art lebendigem Geschichtsunterricht zum Anschauen, Anfassen und Riechen erklären. 200 ausgesuchte Darsteller aus ganz Deutschland und dem europäischen Ausland und den USA verwandeln in Uniformen und Gewändern des Barock und Rokoko den Hofgarten der ehemaligen Sommerresidenz der Fürstäbte von Fulda in ein "lebendiges Museum".
"Interesse an der Geschichte", "Finde die Szenerie faszinierend" oder "Sich zurückvesetzen in eine Zeit, die vielleicht so war" - das sind nur einige kurze Statements von Besuchern, die in moderner und manchmal auch in historischen Kleidern nach Eichenzell gekommen sind. Und Organisator Martin H. Heller versichert: "Wir sind keine verkappten MIlitaristen, sondern es geht um Geschichtsdarstellung, um ein Nachempfinden der Situation, wie sie im 18. Jahrhundert war. Die Menschen kommen aus ganz unterschiedlichen Berufen, spielen etwa Theater oder sind Zinnfigurensammler".
Die „Zeitreise“ ist die größte jährliche „Reenactment“-Schau für diese Epoche im Westen Deutschlands, gleichzeitig aber auch die authentischste, wie die Veranstalter versprechen: Wer als Darsteller mitmachen will, muss sich in Schnitt, Materialwahl und Auftreten streng an das historische Vorbild halten. Und keiner der Darsteller erhält eine Gage. Gezeigt werden Szenen und Gewänder aus der Zeit zwischen 1740 und 1786, der Zeit des Dreispitzes, des Alten Fritz und seiner Soldaten aber auch von Voltaire, Lessing, Goethe und Mozart.
Es geht um Geschichte, nicht um Geschäfte: Der übliche Markt-Tand ist nicht zu finden. Zeitgenössische Händler bieten nur das an, was man früher auch brauchte, vom Hornknopf über Perückenpuder bis zum Holzschuh. Ein Barbier rasiert zeitgerecht mit dem scharfen Messer. Ein Tuchweber bietet seine Stoffe feil und ein Schuhmacher nimmt Maß für neue Stiefel.
Die Gäste sollen ihren Wissensdurst ausgiebig stillen. So gibt es an beiden Tagen Vorträge mit praktischen Vorführungen über die Mode im 18. Jahrhundert, die Geschichte des Fechtens und der Duelle und über das Leben an den Grenzen der bekannten Welt. Soldaten in rekonstruierten hessischen Uniformen werden Wachablösungen und eine Soldatenwerbung nachstellen. Im Zuge dessen wird auch erklärt werden, dass die angeblich von Landgraf Friedrich II. nach Amerika „verkauften Hessen“ nur ausgeliehene Soldaten waren und den Engländern helfen sollten, aufständische Kolonisten in Amerika zu befrieden. Waffen, Drill und Taktik der Hessen, Preußen, Engländer und eben jener Amerikaner werden jeweils gegen 11 und um 16 Uhr in Vorführungen und einem Theater-Manöver (EXTRA-Bericht darüber folgt am morgigen Tag) vorgestellt.
Die „Zeitreise ins 18. Jahrhundert“ ist am Samstag und Sonntag von 10 bis 18 Uhr zu besuchen und kostet Eintritt. Im Schlossmuseum, das in 60 Schauräumen eine große Sammlung von Mobiliar und Ausstattungskunst des 18. und 19. Jahrhunderts sowie eine der größten privaten Antikensammlungen Deutschlands beherbergt, werden zusätzlich spezielle Kinderführungen und Familienführungen angeboten. (ma) +++