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04.10.12 - Alsfeld

Tiefernstes Requiem zu Beginn der 24. AMA Konzertsaison - Erfolgreicher Start

ALSFELD. Mit einem fabelhaft musizierten Konzert vokaler Spitzenklasse wurde die bereits 24. Saison von Alsfeld Musik Art dieses Jahr kraftvoll überzeugend eröffnet. In der bis auf den Platz besetzten Walpurgiskirche in Alsfeld bot sich der Alsfelder Konzertchor mitsamt einem extra zusammengestellten Kammerensemble und weiteren bekannten Solisten von seiner besten Seite und Zuschauer mit sogartiger Überzeugungskraft in die musikalische Tiefen andächtig musizierter Passionsmusik.Auch wenn dieses erste Saisonkonzert nicht im Trauermonat November stattfand, widmete sich das abwechslungsreiche Chorkonzert am vergangenen Sonntagabend thematisch ausschließlich Beiträgen von zerknirschtem Gemüt. So stand die zu Beginn erklingende Kantate BWV 12 Weinen, Klagen, Sorgen, Zagen nicht unbewusst am Anfang des bewegten Konzertabends und stimmte das zahlreich vertretene Publikum auf die kommenden zwei Stunden Musikgenuss ein.

Schon bei den ersten Takten der für den Sonntag Jubilate eingerichtete Kantate von Johann Sebastian Bach (1685-1750) präsentierten sich die neun Instrumentalisten innerhalb der Sinfonia schlank und beweglich, ungemein sauber in der Intonation und von ausgewogener Klangschönheit. Sehr überzeugend brachte der Chor dann die wehmütigen, dissonierenden Akkorde in ihrer vom barocken Meister gesetzten Schärfe und Durchdringungskraft zum Ausdruck und verlieh dem Werk zu der hochsensiblen Begleitung des Orchesters einen außerordentlichen Tiefgang, Der ostinate Lamentobass durchzog als wehklagender Leitfaden den ganzen ersten Choreinsatz und ließ somit die schmerzhaften Seufzereinwürfe der vier Stimmen umso mitreißender hervortreten. Mal polyphon elegant, mal motettisch leichtfüßig kam diese für den Weimarer Hof 1714 komponierte Kantate daher und erreichte mit den beiden Solo-Arien ihren Höhepunkt. Monika Eder, Sopran, aus Treysa als auch Volker Tost, Bass, brillierten in ihren beiden anspruchsvollen Koloraturpartien, stets von der Oboe wiegend gerahmt.

Es war durchweg faszinierend, wie Dirigent Thomas Walter die barocke Musik im Fluss hielt, wie akkurat er Spannungsbögen aufbaute, Übergänge gestaltete, Dynamik formte und wie die Interpreten seinen feinnuancierten Anweisungen folgten. Mit Künstlern aus Alsfeld, Lauterbach und Gießen besetzt, demonstrierte das Kammerenensemble in beeindruckender Weise seine vielfältigen Fähigkeiten und das ihm innewohnende Potential. Die dabei erklingenden, der barocken Musik so eigenen Vorhalte und Allüren, Sequenzen und Umspielungen ließen längst vergangene Epochen plastisch im evangelischen Kirchenraum auferstehen und verzauberten ungemein die Anwesenden.

Nach dem in fünf örtlich voneinander separiert aufgestellten SATB-Besetzungen intonierten originalen Bach-Choral Komm, süßer Tod folgte eine des zeitgenössischen Komponisten Knut Nysted kreierte Klangkomposition bzw. -adaption aus dem Jahre 1987: Der alte Bachsatz wurde von allen fünf Gruppen, in unterschiedlich gewählten Tempi, gesungen und ließ eine interessante, raumzeitliche Klangschichtung spährischer Natur durch das Kirchenschiff wabern. Die somit fast auf Knopfdruck evozierten Fragezeichen in den Augen der Zuschauer bedeuteten klar die ungewohnte Erfahrung mit der vom Norweger benannten Komposition Immortal Bach – Unsterblicher Bach! Ähnlich wirkte das von Max Baumann (1917-1999), seiner Zeit Berliner Musikprofessor, gesetzte Pater Noster op. 51 für acht-stimmigen Chor, das sicher von den Sängern vorgetragen und durch interessante Klangentwicklung doch beeindruckte.

Das nun folgende Programm reihte sich inhaltlich ein in die Folge des bereits Gehörten, stellte sich kompositorisch und stilgebunden diesem jedoch diametral entgegen. Es erklangen nachfolgend Kompositionen von John Rutter, der in der angloamerikanischen Musikwelt einer der produktivsten, der am meisten gehörte und aufgeführte Komponist unserer Zeit.

Die drei Segenslieder ähnlicher Machart des 1945 in London geborenen Komponisten wurden von Thomas Walter am Klavier souverän begleitet. Mit Titeln wie Go forth into the world in peace, God be on my head und The Lord bless you and keep you ausgestattet, wurden diese emotional geladenen Stücke glaubwürdig vom Chor vorgetragen und dankbar vom Publikum aufgenommen. Allerdings muss in diesem Zusammenhang die kritische Frage nach dem Stellenwert Rutters Kompositionen im zeitgenössischen Dialog erlaubt sein.

Nach der Pause folgte dann nochmal ein absoluter Höhepunkt des Konzertabends: John Rutters Requiem! Diese Komposition ist sein bekanntestes Werk, das - wie das englische Feuilleton vermerkte - die Rutter-Legende begründet. Es wurde 1985 uraufgeführt und im folgenden halben Jahr sogleich 500 Mal aufgeführt, was ein harter Beleg für die Popularität dieser Musik ist. Sein Credo auch dabei: Geschmeidigkeit statt Atonalität, Harmonie statt Dissonanz. Als Neoromantik könnte es durchgehen, aber eindeutig ist seine Musik keineswegs: Sie nimmt deutlich Anleihen bei der Jazz- und Unterhaltungsmusik, geriert sich als untermalende Filmmusik oder gelegentlich musical¬artig wie ein Gershwin, und kommt zwischendrin wie Orffs Erfolgsmischung aus Brutal-Rhythmus und schlichter Harmonik daher - klingt schön, reißt mit, verführt, baut auf. Seine musikalische Grundidee für ein „Requiem of our time" entfaltet der Komponist innerhalb weniger Takte. Es beginnt düster-dumpf-dramatisch, Paukenschläge lassen Furchtbares ahnen, doch dann, bevor das Unheil seinen Lauf nehmen könnte, schlägt es um in eine tröstlich-melodiöse, fast heil anmutende Welt. Lux perpetua - alles wird gut.

Rutters kompositorische Brillanz, melodische Fülle und klangliche Stimmungskunst sind in jedem Fall verführerisch - Dies bewies auch die vom fast 50-köpfigen Chor mit trefflichem Engagement und hoher Detailgenauigkeit realisierte Aufführung. Bruchlos war jede dynamische Nuance möglich, haarfeine Phrasierungen, geschlossene, im absoluten Pianissimo beheimatete Anfänge, jederzeit zum gewaltigsten Fortissimo bereit. Ein ungewöhnlich emphatischer und kommunikativer Chorklang, der die Hörer ansprach, aufnahm, mittrug. Große Präsenz demonstrierten die sorgfältig vorbereiteten Sänger insbesondere in klangintensiv verdichteten Teilen, beispielsweise dem energiegelandenen Sanctus mit süßlich läutendem Glockenspiel oder dem alles beschließenden Lux aeterna. Sehr schön, fast elegisch zerknirscht, gelang auch das wenig verhaltene, inständig klagende Agnus Dei.

Die diesmal anders zusammengesetzten acht Instrumentalisten stellten auch hier ihr Können nicht unter den Scheffel. Besonders zu bemerken die gekonnt dargebrachte Weise des Solocellos im Psalmteil Out of the deep, die düstere Melodien innerhalb ihrer Partie durch den Saal schweben ließ. Auch die Oboe klagte leidenschaftlich filigran im Zusammenspiel mit dem Orchester, wurde jedoch immer wieder durch den alles glättenden und schützenden Firnisklang der klangsprühenden Harfe, einem der meist bewunderten Instrumente des Abends, gedeckt. In nichts nach stand die Alsfelderin Elke Saller, die wieder einmal durch ihre gekonnte Handhabung der Pauken begeisterte. Einmal trat Monika Eder noch in dem freundlich friedlichen Mittelteil Pie Jesu auf und zeigte ihre stimmliche Brillanz, sowohl intonatorisch als auch gestalterisch. Die warmen, hohen Klänge traf sie mit erstaunlicher Klarheit und verzauberte das Publikum erneut mit ihrer tiefgehenden Gestaltungsgabe, gepaart mit Ausdruckskraft und frappierender Technik.

Thomas Walter wählte für seine Requiem-Interpretation bemerkenswert zügige, nie aber verhetzt wirkende Tempi, wodurch die dramatischen Abschnitte eine geradezu feurige Erregtheit gewannen. Der Alsfelder Konzertchor folgte seinem souveränen Dirigat und dessen leidenschaftlichem Kurs mit nie nachlassender Emphase und überaus beachtlicher Präzision. Langer Applaus von Seiten des geneigten Auditoriums folgte schlagartig auf die letzten, im äußersten Piano erklungenen Akkorde. Eine Zugabe, ebenfalls von Rutter, wurde schnell und gerne gewährt und beendete somit erfolgreich das erste Konzert der AMA-Konzertsaison 2012/2013.+++

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