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06.10.12 - Sinntal
Spannendes Wildkatzenprojekt: Neun seltene Tiere in der Region nachgewiesen
„Wenn ich das richtig sehe, können wir von einem gesicherten Bestand von neun Wildkatzen in dieser Region ausgehen“, so Peter Thomé, Mitarbeiter des Jugendhilfezentrums Don Bosco Sannerz. Annakarina Mundorf und Kathrin Steyer von der Forschungsstation des Senckenbergmuseums bestätigten das Ergebnis: „In Eurem Untersuchungsgebiet habt ihr insgesamt 5 Männchen und 4 Weibchen nachgewiesen.“ Diese sind sehr scheu und gelten auch in Gefangenschaft als nicht zähmbar. Sie lebt in großen, aneinanderhängenden Waldgebieten in dem große, alte Bäume wachsen. Da es diese großen Flächen in Deutschland in nur wenigen Regionen gibt und die Wildkatze vom Mensch besiedelte Gebiete meidet, ist das Wildkatzenvorkommen sehr selten.
Felis silvestris silvestris (lat. für Wildkatze), kommt bei uns seit etwa dreihunderttausend Jahren vor. Sie ist mit unserer Hauskatze nicht verwand. Die Hauskatze wurde von den Römern mitgebracht und lebt erst seit ca. 2.000 Jahren bei uns. „Wir sind fast täglich mit den Jungs im Wald unterwegs. Hier erleben sie unter anderem die Ruhe des Waldes, die sie aus ihrer bisherigen Umgebung nicht kennen. Besonders wichtig ist uns, dass die Jungs einen Bezug zur Natur bekommen. Dieser ist verloren gegangen bzw. noch nie da gewesen,“ erklärt Volker Preis und freut sich über die außergewöhnliche Projektidee. Das Wildkatzenprojekt war zweifelsohne auch Neuland für die Mitarbeiter.
Gemeinsam mit den Jugendlichen wurde im Internet über die Lebensgewohnheiten und Eigenarten der Wildkatze recherchiert. Fachliche Unterstützung wurde außerdem von Annakarina Mundorf und Kathrin Steyer, wissenschaftliche Mitarbeiterinen des Senckenberg Instituts, sowie Christian Rietz-Nause und Reinhard Koch, Förster beim Forstamt Jossgrund, geleistet. Die Mitarbeiter des Senckenberg Instituts und die beiden Förster waren zu jeder Zeit ansprechbar und haben sich viel Zeit für die Begleitung des Projekts genommen. Die Umsetzung des Projekts forderte von den Jugendlichen viel Ausdauer und Durchhaltevermögen, ganze drei Monate mussten sie ausharren, bis der Erfolg zu sehen war. Gar nicht so einfach für die Zielgruppe der Jugendlichen, die laut Preis und Thomé im Jugendhilfezentrum beschult werden, weil sie aus unterschiedlichen Gründen die Regelschule nicht mehr besuchen können.
„Die Problemstellung besteht in der Regel aus mehreren Facetten: Verhaltensauffälligkeiten, Aggression und Gewalt, Beziehungsunfähigkeit, Suchtproblematik, psychische oder seelische Erkrankung, Erfahrung von Misshandlung und Missbrauch,“ führt Volker Preis aus. Das Interesse und die Begeisterung der Jugendlichen erstaunte selbst die erfahrenen Kollegen. „Für das Wildkatzenprojekt haben wir 30 Lockstöcke hergestellt und in einem Waldgebiet von etwa 4 bis 5 Hektar verteilt aufgestellt. Lockstöcke sind raue Dachlatten, die mit Baldrianextrakt eingesprüht werden und so einen olfaktorischen Reiz (Geruchsreiz) auf Katzen ausübt. Dieser wirkt in der Paarungszeit der Wildkatzen besonders anziehend. Die Haare, die an einem Lockstock zurückbleiben, werden im Genetiklabor des Forschungsinstituts Senckenberg in Gelnhausen bearbeitet. Anhand der DNA kann festgestellt werden, ob es sich um eine Haus- oder aber um eine seltene Wildkatze handelt.
"Wir haben die Lockstöcke drei Monate lang wöchentlich kontrolliert,“ erläutert Thomé die Vorgehensweise und ergänzt: „hierfür waren wir den ganzen Tag unterwegs und haben zu Mittag im Wald gegrillt.“ Die Beobachtungen wurden schriftlich festgehalten. So zum Beispiel, dass die Wildkatzen bei starker Kälte weniger aktiv waren. Insgesamt ist das Don Bosco Team über 800 Kilometer gefahren und unzählige Kilometer gelaufen. „Oft waren die Jungs auf dem Heimweg so erschöpft, dass sie im Auto einschliefen,“ so Peter Thomé. Dies könnte jedoch auch an dem intensiven Baldriangeruch gelegen haben, der sich in den Nasen aller Beteiligten eingrub und sehr beruhigend wirkte.
Auf der Internetseite Youtube kann unter Wildkatze & Lockstock von der Förderwerkstatt Don Bosco Sannerz eine Katze am Lockstock beobachtet werden.+++