Archiv
Um sie geht es... - Fotos: Hans-Hubertus Braune
...künftig sollen auch diese Berberpferde aus Reckerode besteuert werden.
04.12.12 - KIRCHHEIM
Auch in Kirchheim muss der Rotstift rigoros angesetzt werden: "Wir müssen für das Haushaltsjahr 2013 einen ausgeglichenen Haushalt vorlegen. Die vom Land beschlossene Schuldenbremse greift durch", sagt Kirchheims Bürgermeister Manfred Koch (SPD, unser Archivbild). Bei einem Treffen in Wiesbaden wurde ihm eine lange Liste von Einspar-Potenzialen mit auf dem Weg nach Osthessen gegeben. Demnach steht die Schließung des Tierparks ebenso auf der Tagesordnung wie das Ende des Tourismuscenters Kirchheim. Die Steigerung der Grundsteuern A (auf 600) und B (auf 500) sowie die Erhöhung der Gewerbesteuer sind in Planung. Zudem muss Kirchheim die Kindergartengebühren von derzeit 70 Euro auf 140 Euro erhöhen. Die Kommunen seien angehalten, einen Drittel der Kiga-Kosten durch Gebühren zu decken. Derzeit beläuft sich das Defizit auf rund 550.000 Euro - jährlich.
Auch im Bereich des Freibades sollen Einsparungen umgesetzt werden. So könnten die Dauerkarten gestrichen werden, um bei den Öffnungszeiten flexibler auf Schlechtwetterperioden reagieren zu können. Insgesamt belasten Kirchheim rund 16,2 Millionen Euro Schulden. Dieser Betrag wird im kommenden Jahr nochmals auf rund 18 Millionen Euro ansteigen. Am kommenden Mittwoch will die Kirchheimer Gemeindevertretung über den Haushalt 2013 und einem Konsolidierungsprogramm beraten und beschließen.
"Trotz aller Einsparungen und Erhöhungen wollen wir jungen Familien auch weiterhin einen attraktiven Wohnstandort bieten", sagt Koch im Gespräch mit osthessen-news. Allerdings falle dies immer schwerer. Ein heißes Thema ist in Kirchheim derzeit auch die geplante Einführung einer Pferdesteuer. Diese soll sich auf etwa 90 bis 100 Euro pro Pferd belaufen und damit der Hundesteuer angeglichen werden (auch diese soll bis zum Jahr 2016 von rund 36 Euro auf 90 Euro erhöht werden). "Wir wollen hier eine Gleichbehandlung erreichen", sagte Koch. Auch dieser Schritt führe auf einen Vorschlag aus Wiesbaden zurück. Eine großartige Erleichterung ist für den Haushalt nicht zu erwarten - etwa 5.000 Euro pro Jahr. Der Gebührensatz solle aber moderat gehalten werden. Auch künftig solle es Pferdeeigentümern möglich sein, ihre Tiere zu halten. "Wir müssen einfach alle Parameter anschauen", unterstreicht der Rathauschef.
Gegen die Einführung der Pferdesteuer hat sich bereits Widerstand formiert. So wurde bereits eine Facebook-Seite der Pferdesteuer-Gegner eingerichtet. In Kirchheim gibt es etwa 130 Pferde. Die Initiative ruft dazu auf, zu den Sitzungen des Haushalts- und Finanzausschusses am Dienstagabend und der Gemeindevertretersitzung am Mittwoch zu kommen. Für den heutigen Dienstagabend ist zudem eine Demonstration vor dem Rathaus geplant. Es haben sich bereits Umterstützer etwa aus Lauterbach angesagt. Auch der Hessische Pferdeverband unterstützt die Kirchheimer Pferdehalter. Diese haben einige Argumente gegen die Einführung einer Pferdesteuer gesammelt. Zum einen würden ein Großteil der Tiere als Freizeitpferde gehalten, die Pferdesteuer sei zudem keine Lenkungs- oder Aufwandssteuer. Zudem fragt die Initiative, warum nun eine Sportart besteuert werden solle. Auch in Hinblick des Tourismus, der therapeutischen Nutzung, des Naturschutzes und Ehrenamtes sei die Pferdesteuer nicht hinnehmbar.
Für Kirchheims Bürgermeister Manfred Koch stellt sich mittlerweile nicht mehr die Frage, ob seine Gemeinde unter den Schutzschirm "schlüpfen" solle oder nicht. Durch die Auflagen der Schuldenbremse seien die Auflagen vergleichbar mit denen des Schutzschirmes. Geht die Kommune unter den Schutzschirm des Landes, erhält sie wenigstens einen Drei-Millionen-Euro-Betrag zur Unterstützung. (hhb)
KOMMENTAR (von Hans-Hubertus Braune):
Kirchheim ist kein Einzelfall, sondern zeigt die bittere Realität vieler Kommunen in Hessen und dient deshalb als Beispiel unter vielen. Die Stadt Kassel ist bereits unter den Schutzschirm geschlüpft, Rotenburg an der Fulda und viele andere Kommunen sollen/müssen folgen. Viele Kommunen denken zumindest darüber nach. Die Gebühren und Abgaben werden landauf-landab erhöht. Die vielen Fragen, die nun dahinter stecken: Warum sind die Kommunen so überschuldet? Wurde jahrzehntelang auf zu großem Fuß gelebt? Haben sich die Kommunen zuviel geleistet, um ihren Bürgern einen attraktiven Wohn- und Lebensstandard zu bieten? Haben Bund und Land nicht jahrelang (zu) gutmütig zugeschaut und fleißig mit Fördergeldern und Zuschüssen Anreize geschafft, anstatt langfristig die Kosten im Blick zu haben? Hieß es zulange, bei uns bekommst du mehr als in der Nachbarkommune geboten? Diese Zeiten schienen endgültig vorbei. Sind zum Beispiel Dorfgemeinschaftshäuser und Feuerwehrgerätehäuser in allen - noch so kleinen - Ortsteilen noch zeitgemäß?
Nun müssen vielerorts die Bürger die Schulden-Suppe auslecken und somit die Zeche zahlen. Die Lebenshaltungskosten steigen, das Leben gerade auf dem Land wird noch schwieriger. Droht den ländlichen Regionen ein langsames, aber stetiges aussterben? Warum sollen junge Menschen noch hier bleiben? Griechenland ist weit weg und doch so nah. Dort sind mancherorts kleine Dörfer bereits verwaist. Wie lange dauert es noch, bis dieses Horrorszenario auch bei uns bittere Realität wird? Ist eine erneute Gebietsreform (Zusammenlegung von Gemeinden) eine Lösung? Es ist sicher keine leichte Aufgabe, zukunftsfähige Lösungen zu finden - ob in Kirchheim oder anderswo. +++
Das Rathaus in Kirchheim...
...Kirchheims Bürgermeister Manfred Koch sorgt sich um den Haushalt. Die Einführung einer Pferdesteuer ist in Planung.