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Eva Scharf, Vorsitzende der Orts- und Kreisgruppe der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (vorn, links) und ihre Stellvertreterin Tamara Roslik (vorn, rechts) informieren am reich bestückten Büchertisch. Lydia Wonenberg und Jakob Fischer gesellen sich fürs Gruppenfoto dazu. - Fotos: Gudrun Schmidl

24.06.13 - BAD HERSFELD

Zwischen den Welten: Einblicke in die russlanddeutsche Geschichte

„In Russland waren wir die Deutschen, in Deutschland sind wir die Russen", bringt Jakob Fischer seine Gefühle bei der Ausstellungseröffnung am Sonntag auf den Punkt. Anlässlich des 250. Jahrestages des Einladungsmanifestes der russischen Zarin Katharina II. macht die von der Bundesregierung geförderte Wanderausstellung bis zum 21. Juli Station im Kurhaus in Bad Hersfeld. „Wurzeln schlagen und die Gesellschaft stärken", das ist der Leitgedanke der Ausstellung „Volk auf dem Weg. Geschichte und Gegenwart der Deutschen aus Russland", die vom Bundesverband der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, Stuttgart, in 200 deutschen Städten präsentiert wird.

Auf dem Foto: Nelly Neufeld hilft, das „Hexenhäuschen" mit Pfefferkuchen zu dekorieren. Die Jüngsten begeistern später auch mit dem Singspiel „Hänsel und Gretel".

Es war eine glückliche Fügung, dass Reinhold Schott, zuständig für die Koordination der Ganzjahreskultur in Bad Hersfeld, auf der Suche nach einer geeigneten Ausstellung zum Thema von Eva Scharf, Vorsitzende der Orts- und Kreisgruppe Bad Hersfeld Rotenburg der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V., auf diese interessante und hoch emotionale Wanderausstellung aufmerksam gemacht wurde.

Projektleiter Jakob Fischer, selbst Deutscher aus Kasachstan, führte mit einer Power-Point-Präsentation in die Ausstellung ein, die mit Vorträgen, Schaubildern, Filmen und Tafeln das wechselvolle Schicksal der Auswanderer zeigt und außerdem die Historie und die kulturellen Verknüpfungen der Russlanddeutschen mit dem riesigen Land Russland illustriert. Wirtschaftlicher Notstand und Glaubensgründe bewegten im 18. und 19. Jahrhundert demnach viele Deutsche, davon der Großteil aus Hessen, zur Auswanderung in das gelobte Land. Eingeladen und gelockt vom Manifest der russischen Zarin Katharina der Großen, das diese am 22. Juli 1763 unterzeichnete. Darin wurden den Deutschen zahlreiche Vergünstigungen versprochen wie Zuteilung von Land, freie Steuerjahre, Befreiung vom Militärdienst und Berufs- und Religionsfreiheit. Jedoch fanden die Auswanderer alles andere als das von der Zarin versprochene Paradies vor.

Langer Leidensweg

Erst viel später entwickelten sich die deutschen Kolonien zu blühenden Oasen mit einer hohen Lebensqualität. Die Schreckenszeiten fingen an mit der Oktoberrevolution 1817 mit Enteignung, Hungersnot, Zwangskollektivierung und setzten sich fort mit dem stalinistischen Terror. Nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion im Jahr 1941 begann für die Russlanddeutschen ein unbeschreiblicher Leidensweg. Zehntausende verloren ihr Leben durch Deportation, Verschleppung und Ermordung. Der Zuzug hunderttausender Russlanddeutscher in den 1990er Jahren in das Land ihrer Vorfahren wurde vom deutschen Staat gesetzlich nicht einfach mit „Blutszugehörigkeit" begründet, sondern mit der historischen Verantwortung, die man der deutschen Minderheit gegenüber für das im 2. Weltkrieg zugefügte Leid empfand.

Hartnäckige Vorurteile abbauen

Daraus resultierende Privilegien wie Geldgeschenke, vermeintlich zinslose Darlehen zum Bauen und große Entschädigungsleistungen weckten Neid und Missgunst in der Bevölkerung. „Sie wollen sich nicht in die deutsche Gesellschaft integrieren!" Dieses Vorurteil hält sich hartnäckig und beruht zumeist auf mangelnder Information. Die Ausstellungseröffnung stand deshalb ganz besonders im Zeichen der zwischenmenschlichen Begegnung und der Musik. Die Chorgemeinschaft GV Sorga/GV Tann, bekannt als die „Möllney-Chöre" unter der Leitung von Wilhelm Möllney und der Frauenchor „Rjabinuschki" unter der Leitung von Nelly Neufeld bewiesen mit ihren wunderschönen Liedvorträgen, dass die Deutschen und Russlanddeutschen durch ihre gemeinsame Kultur und ihre Lieder immer verbunden waren.

Stadtverordnete Antje Fey-Spengler bewunderte in ihrer Ansprache vor allem die gegenseitige Unterstützung innerhalb der russlanddeutschen Familien, von der wir alle etwas lernen können. Sie fordert Deutsche und Russlanddeutsche auf: „Wichtig ist das aufeinander zu gehen". Rückfragen und Anmeldungen für Führungen durch die Ausstellung: Telefon 0171/4034329 (Projektleiter Jakob Fischer), Email: [email protected] oder Telefon 0176/29477353 (Projektleiter Josef Schleicher), Email: [email protected]. Eine weitere Ausstellung mit dem Titel: „250 Jahre russlanddeutsche Geschichte – Auswanderung, Blütezeit, Verfolgung, Rückkehr" wird am Samstag, 6. Juli, ab 14 Uhr in der Wandelhalle des Kurhauses in Bad Hersfeld eröffnet. (Gudrun Schmidl) +++


Schautafeln informieren über das wechselvolle Schicksal der Russlanddeutschen.

Jakob Fischer (links) und Tamara Roslik (rechts) bedanken sich bei Reinhold Schott für die tatkräftige Unterstützung. Er kam in Begleitung seiner Frau Ulrike zur Ausstellungseröffnung.


Die „Möllney-Chöre“ berührten mit ihren Liedbeiträgen, besonders mit „Ännchen von Tharau“, einem der schönsten deutschen Liebeslieder.

Jakob Fischer bedankt sich bei Antje Fey-Spengler für die Ansprache.


Der Frauenchor „Rjabinuschki“ fördert erfolgreich den gesanglichen Nachwuchs.

Die zahlreichen Gäste freuen sich über das zauberhafte Singspiel „Dornröschen“.


Die russlanddeutschen Frauen sangen allein, gemeinsam mit den Möllney-Chören und den Gästen bekannte und beliebte deutsche Volkslieder, begeisterten aber auch mit gesungenen lustigen Reimen – direkt von der Wolga.

Lebensfreude, die ansteckt.

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