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- Fotos: Gudrun und Manfred Schmidl
09.09.13 - HERINGEN (W.)
Unbequeme Denkmale: Mahnmal Bodesruh - 52 Stufen der Erinnerung
Das im Jahr 1963 errichtete Mahnmal Bodesruh wollte an das Schicksal der Spätheimkehrer sowie an die unmenschliche deutsche Teilung erinnern und sollte die Wiedervereinigung Deutschlands in Frieden und Freiheit anmahnen. Heute erinnert das Mahnmal eindrucksvoll an die schmerzliche Zeit der innerdeutschen Teilung und hat einen einmaligen, hohen Stellenwert in der Heimat- und lokalen Zonengrenzgeschichte. An diesem geschichtsträchtigen Ort wurde am Sonntag passend zum diesjährigen Motto „Jenseits des Guten und Schönen = unbequeme Denkmale?" der bundesweite „Tag des offenen Denkmals 2013" im Landkreis Hersfeld Rotenburg vom Kreisbeigeordneten Helmut Miska in Vertretung von Landrat Dr. Karl-Ernst Schmidt eröffnet. Die Stadt Heringen wurde von ihrem Stadtrat Gunther Hoch vertreten.
Viele der anwesenden Gäste ließen es sich nicht nehmen, die zweiundfünfzig Stufen zu der auf zehn Meter hoch gelegenen Aussichtsplattform zu erklimmen, um den weiten Blick auf die Schönheiten der Natur in Hessen und Thüringen, auf die Orte Kleinensee und Großensee und den imposanten Monte Kali nahe Heringen zu genießen. Die beiden Bau-Segmente des Turms, von dem Bildhauer Wilhelm Hugues aus Kassel entworfen und von Architekt Karl Schumann aus Bad Hersfeld geplant, dokumentieren die Teilung Deutschlands, die dazwischen liegende und zum Aussichtspunkt führende Treppenkonstruktion sollte die bestehenden und bleibenden Verbindungen symbolisieren. Es waren Kleinenseer Spätheimkehrer, die den Plan entwickelten, ein Mahnmal zu errichten. Wilhelm Krapf, seinerzeit Bürgermeister der Gemeinde Kleinensee, griff diesen Gedanken auf. Der Bauantrag wurde am 28.6.1963 genehmigt, die Baukosten von rund 55.000 DM teilten sich das Land Hessen, der Landkreis und die Gemeinde Kleinensee als Bauherr. Am 17. Juni 1964 - am „Tag der deutschen Einheit" wurde das Mahnmal durch den Hessischen Ministerpräsidenten Dr. Georg August Zinn eingeweiht.
Rund 5.000 Besucher nahmen an der Einweihung teil. Ingrid Waldeck, Vorsitzende des Denkmalbeirates des Landkreises Hersfeld-Rotenburg, verlas bedeutende und weniger bekannte Einzelheiten aus der Recherche von Hans-Otto Kurz, Vorstandsmitglied des Hersfelder Geschichtsvereins und ehemaliger Mitarbeiter der Kreisverwaltung, „der sich um die geschichtlichen Belange unserer Heimat verdient gemacht hat". Der Chronist, der an diesem Tag leider verhindert war, veröffentlichte das Buch „Von der Zonengrenze zur Wiedervereinigung. Leben an und mit der Grenze im Kreis Hersfeld-Rotenburg", das seinerzeit am Mahnmal vorgestellt wurde. Daraus geht hervor, dass die Bau-Vorgeschichte eng mit den dramatischen Ereignissen der Grenzziehung verbunden ist.
Durch den Ausbau der Grenzanlagen ab Ende Mai 1952 wurden nicht nur enge Beziehungen, freundschaftliche Kontakte und Familienbande rigoros und brutal zerschnitten, sondern Kleinensee war auch von dem westlichen Straßennetz komplett abgeschnitten. „Nur über einen rasch provisorisch ausgebauten Wald- bzw. Wirtschaftsweg war der Ort zu erreichen. Für Busse, die die Wintershaller-Kalikumpel beförderten, mussten Sonderregelungen getroffen werden, da Begegnungsverkehr nicht möglich war. Erst die Anfang der 1960er Jahre errichtete Straße, die L 3366 A, beendete diese missliche Situation", führt Hans-Otto Kurz aus. Kleinensee und auch Bodesruh waren damit wieder an die damaligen Kreise Hersfeld und Rotenburg angeschlossen. Nicht nur Einheimische, sondern auch zahlreiche Besucher aus nah und fern, darunter jahrzehntelang viele ausländische Reisegruppen und ehemalige DDR-Bürger, besuchten das Mahnmal Bodesruh, um die Grenze und ihre Sperranlagen von einem Aussichtsturm aus besichtigen zu können. Prominenter Gast am Mahnmal war 1980 Bundespräsident Prof. Dr. Karl Carstens.
Hans-Otto Kurz hält fest: „Hier wurde deutsche Geschichte spürbar durch viele Veranstaltungen von fast allen politischen Gruppierungen und „kraftvolle" Reden. An diesem Platz war mit der Forderung nach deutscher Einheit auch manchmal die Wiedereinbeziehung der ehemals deutschen Gebiete jenseits von Oder und Neiße gemeint". Das an dem Turm angebrachte dreiteilige Bronzerelief zeigte ursprünglich Deutschland einschließlich der Gebiete östlich der Oder/Neiße. Die politische Realität führte 1990 dazu, dass die Bronzeteile, die die östlichen Gebiete darstellten, noch vor der Wiedervereinigung entfernt wurden. Das Mahnmal ist das Erkennungszeichen des Heimat- und Verkehrsvereins Kleinensee, dessen Mitglieder mit einer Fotoausstellung im nahen Jagdhaus Bodesruh an die Erbauung des Aussichtsturms erinnerten. (Gudrun Schmidl) +++
Das Jagdhaus Bodesruh.
Interessierte Besucher.
Das Mahnmal in Bildern.
Stadtrat Gunther Hoch ist Kleinensee und der Geschichte des Dorfes sehr verbunden. Über die Entfernung des dritten Bronzeteils noch vor dem Wiedervereinigungsvertrag war er sehr ärgerlich. Rechts im Bild Helmut Miska.
Mitglieder des Denkmalbeirates nahmen an der Veranstaltung teil. Von links Karl-Heinz Humburg, Fachbereichsleiterin Nadja Speich, Heike Madus, Ingrid Waldeck und Karl-Werner Brauer. Jürgen Söhnlein hängt die hessische Landesfahne auf.
Freier Blick auf den Monte Kali.
Blumen für Ingrid Waldeck.
Für seinen Einsatz als 1. Vorsitzender des Heimat- und Verkehrsverein Kleinensee wurde Jürgen Söhnlein mit einem Buchgeschenk bedacht.
Beeindruckende Fotoausstellung im Jagdhaus Bodesruh.
Beeindruckende Fotoausstellung im Jagdhaus Bodesruh.
Portraits von Bürgermeister Wilhelm Kraft und Hegemeister Eduard Bode, dem Namensgeber von Bodesruh.
Auf drei Seiten war Kleinensee von Grenzzaun und einer Mauer umgeben. Diese Gedenkstätte soll daran erinnern – Blick Richtung Großensee.