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Jochen Wieloch blickt durch - Grafik & Fotos: Nicole Wagner

REGION WIELOCHS WIRRE WELT (4):

Nikolausfest Tag des Sackes - 1983 alles anders

06.12.13 - Der 6. Dezember ist auch bei uns in der Region der Tag, der Kinderaugen strahlen lässt. Allerdings hat sich der Ablauf des Nikolaus-Abends ein klein wenig geändert. Wir blicken 30 Jahre zurück und wagen den Vergleich zu heute. 6. Dezember 1983: Ängstlich kauert Joachim hinter dem Sofa. Der Mann mit der tiefen Stimme schüchtert ihn ein. Zudem hat der Elfjährige von Knecht Ruprecht gleich nach der Begrüßung einen Hieb mit der Rute auf sein Hinterteil bekommen. Strafe für die 2- in der letzten Mathearbeit muss sein. „Was weißt du denn über mich?", fragt der Nikolaus. Ein bisschen was hat sich Joachim aus dem Religionsunterricht in der Schule behalten. „Nikolaus von Myra wirkte in der ersten Hälfte des 4. Jahrhunderts als Bischof von Myra in der kleinasiatischen Region Lykien, damals Teil des Römischen, später des Byzantinischen Reichs. Er starb am 6. Dezember, umstritten ist ob im Jahr 326, 345, 351 oder 365. Sein Name bedeutet im Griechischen ,Sieger des Volkes’.

„Ist das alles?" Onkel Peter schäumt nicht gerade über vor Euphorie. „Kannst du mir auch ein Gedicht aufsagen?" Joachim legt sofort los. „Die Weihnachtsmaus ist sonderbar, sogar für die Gelehrten, denn einmal nur im ganzen Jahr, entdeckt man ihre Fährten." Ohne zu Stocken rattert der Junge alle 14 Strophen herunter und schiebt eine lupenreine Interpretation gleich hinterher. „Hier steht, dass du bei den Bundesjugendspielen nur eine Siegerurkunde gewonnen hast", hebt Nikolaus bebend seine Stimme. „Und dass du abends manchmal erst um 8 ins Bett gehst!"

Der Elfjährige wird immer kleiner. Mit zittriger Stimme gibt er sein Lieblingslied „A solis ortus cardine" zum Besten und begleitet sich dazu auf dem Klavier. „Da waren aber einige Töne nicht ganz rein", kritisiert der Nikolaus. Trotzdem will er an diesem schönen Abend nicht nachtragend sein. Er greift in seinen tiefen Sack und angelt sich ein Päckchen Walnüsse heraus. „Die hast du dir doch so gewünscht." Mit Freudentränen in den Augen verabschiedet sich Joachim. Er will noch einmal die Englischvokabeln wiederholen.

6. Dezember 2013: „Sack-, Sack-, Sack-oh-Mann, schlepp endlich deinen Sack jetzt ran", rappt der Siebenjährige Justin-Elias mit Sonnenbrille und zieht dem Besucher am langen weißen Bart. Das einstige Nikolausfest heißt mittlerweile „Tag des Sackes" – das ist politisch korrekter als eine Feier zu Ehren des populären Heiligen. Ängstlich betritt der Sackmann die Wohnung. Hausschuhe, Schleimkugeln und kleine Gummigeschosse fliegen ihm entgegen.

„Justin-Elias, ich habe viel Positives über dich zu berichten", liest der Besucher von seinem iPad ab. „In Deutsch hast du dich auf eine 5+ hochgearbeitet. Klasse! Überhaupt gehst du mittlerweile jeden zweiten Tag zur Schule. Und deine Mutter hat mir erzählt, dass du deine Computer- und TV-Nutzung auf täglich zehn Stunden eingeschränkt hast. Bravo!" Der Siebenjährige kriegt von all dem nicht viel mit. Unter seinen Kopfhörern hämmert Bushido, dazu verfolgt er im Fernsehen einen blutigen Actionthriller und schreibt bei Facebook „Der Sack is da".

„Bitte, spiel dem Sackmann doch mal was vor. Du hast so schön geübt", beknien die Eltern ihren Jüngsten. Der hat zwar keine Lust, aber die Einsicht siegt, dass er für die neue Playstation 4 zumindest eine Kleinigkeit leisten muss. Und so spielt er dem Ex-Nikolaus tatsächlich, wenn auch widerwillig, etwas vor: „Need for Speed" auf dem Smartphone.

„Ja fein, ja fein, wie toll hast du das denn gemacht. Eine ganze Runde mit dem Auto ohne Crash", kriegt sich der bärtige Gast gar nicht mehr ein und leert seinen Sack. Unterhaltungselektronik für einen vierstelligen Betrag purzelt heraus. So reich beschenkt verabschiedet Justin-Elias im Trio mit Papa und Mama den Sackmann gerne mit der zweiten Strophe seines Lieds: „Ni-, Ni-, Nikolaus, für dich ist hier kein Platz im Haus." (JOCHEN WIELOCH).

HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am vierten Freitag in Folge bei osthessen-news.de. Jochen Wieloch (37) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 37-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor.  +++

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