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"Faust, die Frauen und das Wasser"
06.12.13 - Einmal mehr ein Hoch auf Theaterleiterin Angelika Lieder und ihre kluge und ausgewogene Stückauswahl, die ihrem Publikum mit Faust den ebenso zeitlosen wie tragischen Helden der Weltliteratur präsentiert. Die Frage stellt sich: Worauf beruht eigentlich die Faszination, die von dieser „immergrünen" Gestalt nach wie vor noch ausgeht? Obwohl von Johann Wolfgang von Goethe vor nun fast 200 Jahren geschaffen, ist Faust eine hochmoderne Gestalt – sein Hunger nach Erkenntnis, sein Ziel, sich die Welt, die Natur untertan zu machen, prägt seinen Lebensweg. „Habe nun – ach – Philosophie, Juristerei und leider auch Theologie durchaus studiert mit heißem Bemühn. Da steh ich nun, ich armer Tor und bin so klug als wie zuvor."Diese Faust´sche Äußerung zeugt von Arroganz und Selbstgefälligkeit; keine Spur von Bescheidenheit, gar von Demut. Der Gute will eben hoch hinaus. Dafür verpfändet er seine Seele dem Mephisto, eine Metapher für den Teufel, der sich ihm als Diener anbietet. Ebenso interessant wie verblüffend zu verfolgen, wie Mephisto den um die letzten Erkenntnisse ringenden Faust zu manipulieren vermag.
„Alles ist aus Wasser entsprungen! Alles wird durch Wasser erhalten!" – so formulierte der griechische Philosoph und Mathematiker Thales von Milet vor über 2.500 Jahren. Und Wasser bekommt eine große Bedeutung für Faust: Er verführt das 14-jährige, noch unberührte Gretchen - und diese ertränkt in ihrer Verzweiflung das Neugeborene. Auch Euphorion, gemeinsames Kind mit Helena, dem antiken Sinnbild für Schönheit, weilt nicht lange unter den Lebenden; er stürzt sich in die tosenden Wasserfluten.
Was nun Herr Faust? Glück scheint ihm nicht beschieden, im Gegenteil: Sein Dasein wird begleitet von Irrtum und Maßlosigkeit, von Gewalt und Tod. Das düstere Szenario brachte vor allem Johannes Schön als Faust und die Zerrissenheit dieses tragischen Helden auf den Punkt. Gerd Lohmeyer glänzte einmal wieder, hier in seiner Rolle als Mephisto. Dass diese Gestalt letztlich als Verlierer dasteht, ist im realen Leben wohl nicht immer der Fall. Ina Mehling hatte viel zu tun, spielte sie doch das Gretchen und die Helena, das aber mit Bravour. Bleibt noch Ferdinand Schmidt-Modrow: er brachte dort, wo es sinnvoll und nötig war, Leben ins manchmal humoreske Schauspiel. Das Theaterpublikum zeigte sich sowohl aufmerksam als auch amüsiert und dankte den Mimen mit artigem Applaus.+++Ingo Löhmer