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REGION Inklusion ist möglich

Festakt 40-jähriges Bestehen des Behindertenwerks

09.05.14 - „Der Pioniergeist der Lebenshilfe-Vereine in Hanau, Gelnhausen und Schlüchtern führte 1974 zur Gründung des BWMK (Behinderten-Werk Main-Kinzig e.V.): Die gemeinsamen Ziele motivierten zu Schaffenskraft und Kreativität", so steht es im Vorwort der Chronik des BWMK, die gestern während des Festaktes anlässlich des 40-jährigen Bestehens des Sozialunternehmens an die Gäste verteilt wurde. Rund 350 Personen aus Politik, Wirtschaft und dem sozialen Bereich sowie BWMK-Mitarbeiter waren in den Congress Park Hanau gekommen, um dem BWMK zu vier Jahrzehnten erfolgreicher Unterstützung für Menschen mit Behinderung zu gratulieren.

„Du hast dich nicht verändert" - Diesen Satz hörten zwar erwachsene Geburtstagskinder gern, aber für das BWMK treffe er nicht zu, sagte Moderatorin Britta Hoffmann-Mumme, die als Redakteurin beim Hanauer Anzeiger arbeitet, zu Beginn des Festaktes. Das BWMK habe sich in den 40 Jahren seit seiner Gründung extrem verändert. „Und das ist sehr gut so." Seit vier Jahrzehnten entwickelt das Sozialunternehmen mit seinen knapp 2.000 Mitarbeitern immer wieder neue Ideen, um die Integration von Menschen mit Behinderung im Main-Kinzig-Kreis zu fördern und ihre Teilhabe in der Gemeinschaft, in der Lebens- und Arbeitswelt zu unterstützen – und das sehr erfolgreich. Grund genug das 40-jährige Bestehen gebührend zu feiern.

„Ich wart seit Wochen, auf diesen Tag und tanz vor Freude, über den Asphalt", sang dazu passend der Chor der Sophie-Scholl-Schule Hanau, die das BWMK im August des vergangene Jahres eröffnet hat. Mit ihrer Freude steckten die Schüler mit und ohne Behinderung auch die Gäste an und „rockten den Saal" wie es Moderatorin Britta Hoffmann-Mumme kommentierte. „Blind Foundation", eine Frankfurter Band, bestehend aus blinden und sehenden Musikern, die die Veranstaltung musikalisch umrahmten, brachten es mit „A Wonderful World" von Louis Armstrong auf den Punkt.

„Die Teilhabe von Menschen mit Einschränkungen in allen Lebensbereichen ist ein großes Ziel. Das Behinderten-Werk spielt hier eine wichtige Rolle", sagte Doris Peter, Verwaltungsratsvorsitzende des BWMK, in ihren Grußworten. „Wir begleiten Menschen mit Einschränkungen und befähigen sie mit entsprechenden Bildungsangeboten, dass sie im gesellschaftlichen Miteinander bestehen können." Die Arbeit des BWMK solle zeigen, dass Inklusion möglich ist. Aufgabe des BWMK sei es, sich für mehr Akzeptanz in der Gesellschaft, den Abbau von Barrieren und für die Wertschätzung jedes einzelnen Menschen einzusetzen.

Von Wertschätzung eines jeden Einzelnen und vor allem dessen Fähigkeiten sprach auch Stefanie Nennstiel von der Personalentwicklung des Software-Entwicklers SAP mit Sitz im baden-württembergischen Walldorf. Unter dem Titel „Autismus@SAP" habe es sich ihr Unternehmen zum Ziel gesetzt, dass bis zum Jahr 2020 ein Prozent der rund 67.000 Arbeitsplätze weltweit mit Autisten besetzt sein sollen. „Wir wollen erreichen, dass für alle Mitarbeiter mit ihren vielfältigen Fähigkeiten und Talenten eine größtmögliche Selbstbestimmung umgesetzt wird, das heißt Inklusion, nicht Isolation", so Stefanie Nennstiel in ihrem Gastbeitrag. Hier seien sich das BWMK und die SAP einig, denn für beide bedeute Inklusion, dass Menschen mit unterschiedlichen Fähigkeiten alle Teil des Unternehmens und dessen Kultur werden. Für seine deutschen Standorte habe sich der Software-Entwickler dafür einen Aktionsplan erstellt, der eine Reihe von Maßnahmen dafür definiert, unter anderem auch die Einstellung von Menschen mit Autismus.

Das Unternehmen sehe einen betriebswirtschaftlichen Nutzen darin, sagte Nennstiel. Menschen mit Autismus brächten Fähigkeiten mit, die andere neurotypische Menschen nicht hätten: Beispielsweise verfügten sie über ein extrem gutes Zahlengedächtnis, könnten überdurchschnittlich gut logisch denken, verfügten über eine große Ausdauer, sie könnten besonders gut Muster und Strukturen wieder erkennen und hätten eine „absolute Null-Fehler-Toleranz". Alle diese Fähigkeiten könne der Software-Entwickler sehr gut gebrauchen und habe für dieses Thema in dem dänischen Unternehmen „Specialisterne" den passenden Partner gefunden.

Auslöser für das Projekt war die Anfrage der indischen Vereinigung „autism of india", ob SAP seine ausrangierten Laptops und i-Pads für autistische Kinder spenden könnte. „Daraus wurde ein ehrenamtliches Engagement." Bald wurden erste Autisten für die Software-Testung eingestellt. „Sie fanden Fehler, die wir vorher nicht gefunden haben, und die Zusammenarbeit der Teams hat sich auch verbessert", so Nennstiel. „Denn was brauchen denn Autisten? Klare Strukturen. Und das brauchen wir doch alle. Da haben wir uns gesagt: Das machen wir jetzt richtig." Die mediale Aufmerksamkeit, die dieser Bekanntmachung folgte, habe niemand erwartet. „Das war die größte Medienwelle, die wir jemals hatten."

Auch Klaus Wehner vom Referat für Teilhabe und Gleichstellung von Menschen mit Behinderung im hessischen Ministerium für Soziales und Integration gratulierte dem BWMK zum 40. Geburtstag. Er lobte die Arbeit des Sozialunternehmens und hob dabei vor allem das Engagement in den Bereichen Wohnen, Arbeit und Bildung hervor. „Sie leisten Großartiges und sind unverzichtbar für die Region", so Wehner.

Als Brunhilde von Petersen, Reederei-Gattin aus Blankenese, nahm die Moderatorin Britta Mumme-Hoffmann das BWMK und seine Arbeit auf die Schippe, ebenso wie die Bauarbeiten in Hanau und sorgte dafür für eine willkommene Abwechslung im Programm des Festaktes. Anschließend moderierte sie die Diskussionsrunde zum Thema „Was ist erforderlich, damit Menschen mit Handicaps an der Gesellschaft teilhaben können?" mit Stefanie Nennstiel, Doris Peter, dem Zweiten Kreisbeigeordneten Matthias Zach, Hanaus Oberbürgermeister Claus Kaminsky und dem BWMK-Vorstandsvorsitzenden Martin Berg. „Wichtig ist, dass wir bei Menschen mit Behinderungen nicht die Behinderung sehen, sondern ihre Fähigkeiten", sagte Zach. Dabei sollte aber nicht die Fähigkeit des Einzelnen über ihn selbst als soziales Wesen gestellt werden. „Das wird die Aufgabe für die Zukunft sein."

Für das BWMK stelle sich auch zukünftig die Frage, wie die Schwächsten der Gesellschaft an dieser beteiligt werden können, sagte der Vorstandsvorsitzender Martin Berg. „Wir als Sozialunternehmen denken von den Schwächsten her: Wo brauchen sie Unterstützung und wie können wir diese organisieren, dass auch da eine Selbstbestimmung möglich ist? ", so Berg. „Das ist unsere Aufgabe." Inklusion stehe derzeit auf der Tagesordnung sehr vieler. Die größte Herausforderung dabei sei aber, dass der Begriff „Inklusion" nicht in ein paar Jahren negativ beladen sei. „Ich wünsche mir, dass wir 2054 hier sitzen und uns darüber wundern können, dass wir vor 40 Jahren noch über Inklusion diskutieren mussten", sagte Kaminsky. Ein schöner Wunsch – und bis es so weit ist, wird es wohl auch auf den nächsten Geburtstagen des BWMK heißen: „Du hast dich aber verändert."+++


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