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VERDI: "Keine Ausnahmen für den Mindestlohn!"
20.05.14 - Deutsche Arbeitnehmer können ab 2015 mit einem gesetzlichen Mindestlohn rechnen – kaum ist dieser Entschluss durch die Bundesregierung gefasst, fangen die Diskussionen um Ausnahmen an. Die Regelung soll für alle gelten - alle außer Jugendliche unter 18, Rentner, Langzeiterwerbslose usw. Die Gewerkschaft Verdi verdeutlichte am Dienstagmittag auf dem Uniplatz in Fulda im Rahmen ihrer Mindestlohn-Tour die Konsequenzen, die Ausnahmeregelungen auf die betroffenen Arbeitnehmer hätten. Angelika Kappe, Bezirksgeschäftsführerin Verdi Osthessen, bezeichnete die diskutierten Ausnahmen als „die Spitze des Eisberges“. Im Landkreis Fulda sollen 26.670 Menschen Niedriglohn für ihre Arbeit bekommen, der unter 8,50 Euro in der Stunde liege.
Die Arbeitgeber üben Druck auf die Bundesregierung, den allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn mit Ausnahmen zu durchlöchern, so Verdi. Nach dem aktuellen Stand des Gesetzentwurfs soll Jugendlichen bis zum 18. Lebensjahr und Langzeitarbeitslosen in den ersten sechs Monaten der Mindestlohn vorenthalten werden. Bundarbeitsministerin Andrea Nahles hatte bei der Vorstellung des Gesetzentwurfs gesagt, der Mindestlohn solle den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern helfen, ihre Würde zu wahren. „Würde ist unteilbar, deshalb darf es keine Ausnahmen geben“, betonte Angelika Kappe.
Problematisch könne die Ausnahmeregelung auch für Azubis und Studierende werden, die im Rahmen ihrer Ausbildung Praktika absolvieren, sagte Sven Frye, Gewerkschaftssekretär Verdi Nordhessen. Welche Auswirkungen für Langzeiterwerbslose drohen, machte Wolfgang Lörcher, Erwerbsloseninitiative Fulda deutlich: "Dann stellen Arbeitgeber die Langzeiterwerbslosen für fünf Monate für einen Stundenlohn unterhalb der Mindestlohngrenze ein und tauschen ihn dann aus. So kann der Mindestlohn umgangen werden." Würden die gesetzlichen Bestimmungen für Mindeslohn für Langzeitarbeitslose mit einer sechsmonatigen "Schonfrist" für den Arbeitgeber gelten, berge das die Gefahr einer Wechsel-Mentalität oder eines "Drehtüreffektes".
Ein weiteres Schlupfloch sieht Ellen Sandrock-Becker, Fachbereichssekretärin für Medien, Kunst und Industrie Nord- und Osthessen bei den Zeitungszustellern. "Inoffiziell werden bereits Gespräche geführt, diese Berufsgruppe aus dem Mindestlohn auszuschließen", sagte Becker auf dem Uniplatz. Es werde ein Stücklohn gezahlt, der gerade im ländlichen Raum wegen langer Wege etc. einen Stundenlohn von etwa fünf bis sechs Euro ergebe.
Hintergrundinformationen:
(Quelle: Bundesministerium für Arbeit und Soziales)
Anfang April hatte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles den Kabinettsbeschluss verkündet: "Es gibt in Deutschland viel zu viele Menschen, die zu unangemessen niedrigen Löhne arbeiten müssen und nicht ausreichend an der guten wirtschaftlichen Entwicklung teilhaben. Das gefährdet den Zusammenhalt unserer Gesellschaft; so darf es nicht weitergehen. Deshalb freue ich mich von ganzem Herzen, dass ich heute mitteilen kann: Der Mindestlohn von 8,50 Euro kommt zum 1. Januar 2015 - wie im Koalitionsvertrag verabredet. Er wird in unserem Land für mehr Gerechtigkeit sorgen. Und dazu beitragen, dass rund vier Millionen Menschen für ihre anständige Arbeit endlich auch ihren verdienten Lohn bekommen." Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales geht davon aus, dass infolge der Einführung des allgemeinen gesetzlichen Mindestlohns am 1. Januar 2015 dann 3,7 Millionen Beschäftigte einen höheren Lohn erhalten werden. (am)+++