Begeisternde Festspiel-Premiere: Dürrenmatts "Besuch der alten Dame"

Das ganze Stück über regnete es in Strömen auf die Bühne, doch am Ende hielt es gestern abend die Zuschauer - auf ihren überdachten Sitzen - nicht mehr. Es war eine begeisternde Premiere der 54. Bad Hersfelder Festspiele und allen voran gab es Lob und Bravo-Rufe von den mehr als 1.200 Besuchern für Nicole Heesters (67) in der Hauptrolle der Multimilliardärin Claire Zachanassian. In dem Stück über die Käuflichkeit von Moral in Zeiten leerer Kassen zeichnete sie virtuos das Psychogramm einer reichen und unerbittlichen Frau. Ihr zur Seite vollzog Wolfgang Kraßnitzer als Alfred Ill den Wandel vom beliebten Krämer zum angstgetriebenen Außenseiter mit dunkler Vergangenheit. Das Publikum dankte auch ihm mit begeistertem Beifall.

"Konjunktur im Gegenzug für eine Leiche" verspricht Claire Zachanassian den Bürgern von Güllen. Nach 40 Jahren kehrt sie als reichste Frau der Welt in ihren inzwischen verarmten Heimatort zurück. Sie bietet den Bürgern eine Milliarde, wenn sie dafür Alfred Ill umbringen, der Claire in ihrer Jugend geschwängert und dann sitzen gelassen hat. Das Erkaufen der Gerechtigkeit ist zentrales Thema des Dramas. Anfangs noch entrüstet über das unmoralische Angebot der Milliardärin, bröckelt die Fassade der Güllener zusehends. Leichenkränze rund um den bereitstehenden Eichensarg in der Apsis der Stiftsruine künden Ills nahenden Tod als unwiderrufliches Urteil an.

Durch strömenden Regen gespielt

Am Ende geschieht alles so, wie die Zachanassian es vorausgesagt hat: Alfred liegt tot am Boden. Die alte Dame verschwindet mit dem Sarg nach Capri und hinterlässt ein wohlhabendes Städtchen, das der Gerechtigkeit vermeintlich Genüge getan hat. Zweieinhalb Stunden lang spielte sich das bis in die Nebenrollen glänzend besetzte Ensemble am Premierenabend scheinbar mühelos durch den strömenden Regen auf der Freilichtbühne.

Kritik an Kapitalismus

50 Jahre nach der Uraufführung inszenierte der Generalintendant des Staatstheaters Saarbrücken, Kurt Josef Schildknecht, die "tragische Komödie" als entlarvende Gesellschaftsgroteske und Anklage gegen die Auswüchse des Kapitalismus. Dabei verzichtete er auf Extravaganzen und vertraute zurecht auf die überbordende Spielfreude seines Ensembles. Das Bühnenbild war passend zu der mächtigen Stiftsruine aus dem 11. Jahrhundert karg gehalten. Theater als Moralanstalt: Der Bad Hersfelder "Besuch der alten Dame" erlaubte vordergründiges Schmunzeln, aber auch subtiles Zwischen-den-Zeilen- Lesen.

Vor den großen Premieren gab es bereits am 2. Juni die Premiere des Kinderstücks "DAS DSCHUNGELBUCH". Regie: Ulrich Beckmann. Mit Ronald Schober, Henry Nandzik, Michael Stobbe, Wolfgang Gellert, Dagmar Hurtak-Beckmann. Bühnenbild: Bernd-Heinrich Sogel, Kostüme: Ralf Christmann, Musik: Gottfried Wurzwallner.

Für die Musicalstars von JESUS CHRIST SUPERSTAR ist am 22. Juni die Premiere. In der dritten und unwiderruflich letzten Aufführungsserie des Erfolgsmusicals stehen alle Stars der mittlerweile legendären Originalbesetzung von 2001 auf der Bühne. (Yngve Gasoy-Romdal, Anna Montanaro, Nigel Casey u.a.)

Wegen des großen Erfolges in der Saison 2003, gibt es ab 29. Juni neun Aufführungen von Goldonis DIENER ZWEIER HERREN mit dem mitreißenden Karsten Kramer in der Titelrolle.

Im Eichhof hat die venezianische Komödie VOLPONE ODER DER ERZSCHWINDLER mit Erich Schleyer in der Titelrolle am 9. Juli Premiere. +++