Dylans Song „A hard rain’s a-gonna fall“ fasziniert und erschüttert gleichermaßen – Uwe Herbst bringt diese Gefühle auf die Leinwand - Alle Fotos: Martin Engel

FULDA Die Welt retten mit Bob Dylan

Ausstellungseröffnung im Vonderau Museum: Ein Lied wird Leinwand

30.01.25 - Dylan ist ein Poet unter den Sängern. Sein "A hard rain’s a-gonna fall" nimmt uns auf eine Reise mit – durch ein ziemlich düsteres Amerika, und das wirkt 62 Jahre nach der Erstveröffentlichung geradezu brutal aktuell. Noch mehr aber ist der Song eine Reise zu uns selbst. Denn Dylan stellt darin Fragen, an denen wir uns besser nicht vorbeimogeln: Wo warst Du? Was hast Du gesehen? Was hast Du gehört? Wen hast Du getroffen? Und was wirst Du jetzt tun?

Die Kapelle im Vonderau Museum war bis auf den letzten Platz besetzt – für viele gab’s ...

Regisseur und Intendant Holk Freytag hielt den Festvortrag

HR-Moderator Hermann Diel moderierte die Ausstellungseröffnung

Ein Song wird zur Leinwand

Dylan im Vonderau Museum – das geht? Und wie das geht! Museumsleiter Dr. Frank Verse wies in seiner Begrüßung daraufhin, dass Fulda aktuell ein wahrer Dylan-Hot Spot sei, denn nicht nur die Ausstellung im Vonderau Museum setzt sich mit ihm auseinander, in der Galerie Bilder Fuchs werden gerade Originale von Dylan präsentiert. Und der Gang vor dem Fürstensaal wird ab morgen ebenfalls zur Dylan-Galerie umfunktioniert. Bereits zum vierten Mal findet in Fulda eine Ausstellung zu einem Dylan-Song statt, und auch diesmal beteiligen sich wieder Hobbykünstler und Profis, 43 sind es in diesem Jahr. Etwa 50 Prozent kommen aus der Region, die anderen hatten weitere Wege, etwa aus Spanien, Dänemark, den USA oder Neuseeland. Initiiert und kuratiert wurde die Ausstellung von Hermann Diel und Karl Wiegard.

HR-Moderator und Dylan-Kenner Hermann Diel moderierte die Eröffnung, den spritzig-klugen Festvortrag hielt Holk Freytag, der vielen sicher aus Stiftsruinen-Tagen in Bad Hersfeld bekannt ist. Und weil man über Dylan nicht reden kann, ohne wenigstens ein bisschen Musik von ihm zu hören, spielten Daniela Röll-Diegelmann und Addi Haas mit Gitarre und Akkordeon einige seiner Songs. Der ein oder andere fand vermutlich sogar, dass das melodiöser klang als beim Meister selbst – ich fand es etwas zu lieblich. Aber die beiden erwiesen uns einen großen Dienst: Beim Zuhören konnte man nämlich wieder mal feststellen, dass Dylan auch ein überragender Komponist war. Mit sparsamen Mitteln setzt er Stimmung und Atmosphäre eines Songs. Dazu dann seine Stimme – und natürlich seine Texte. Viele Vergleiche sind dazu bereits gezogen worden – v.a. zur Lyrik Rimbauds und zu den Texten von Kerouac. Eine Gallionsfigur sei Dylan gewesen, keiner habe den Zeitgeist so eingefangen wie er, so Holk Freytag – den Geist einer Zeit, deren Schlagworte Frieden, Freiheit und Gerechtigkeit waren. Dylan war aber auch der Sänger, der sich nie vereinnahmen ließ, schon gar nicht politisch.

Dr. Frank Verse

Die Möglichkeit der Apokalypse

Der ausgewählte Dylan-Song fange seismografisch die Möglichkeit der Apokalypse ein und halluziniere die Katastrophe, er drehe die Idylle von Jack Kerouacs "On the road" in ihr Gegenteil, befand Holk Freytag. Mag man so sehen, muss man aber nicht. Freytag zitiert Dylan, der einmal gesagt hat: "Die Welt wird nicht von Gott regiert, aber auch nicht vom Teufel." Stimmt – sie wird von Menschen regiert. Und genau darum geht es in diesem Song.

"A hard rain’s a-gonna fall” markiert Dylans Hinwendung von der Folk- zur Rockmusik. 1963 muss dieser Song in manche Ohren förmlich eingeschlagen haben. Denn die US-Billboards wurden damals von den Beach Boys, den Drifters, Frankie Valli & The Four Seasons, Martha Reeves & The Vandellas, Bobby Vinton, Peggy Marsh oder Sam Cooke beherrscht. Es ging um Liebe, Liebeskummer und Liebesglück – und das wurde meist in knapp 3 Minuten und recht lieblich abgehandelt. Und dann kommt dieser schlaksige Kerl mit seiner Akustik-Gitarre und knarzt "A hard rain’s a-gonna fall". Ein Frage-Antwort-Lied. Eine eingängige, einfache Melodie, die auf wenigen Akkorden aufbaut. Und ein Text, der wie ein Faustschlag in die Magengrube ist. Ach ja: Nachdem die Beatles Bob Dylan kennengelernt hatten, war mit "Love me do" und "I wanna hold your hand" ein für alle Mal Schluss. Es ist sicher keine Übertreibung, wenn man Dylan und die Beatles für die einflussreichsten Musiker des 20. Jahrhunderts hält.

Daniela Röll-Diegelmann und Addi Haas interpretierten einige Dylan-Songs ...

Johannes und Thomas Stock von Bilder Fuchs

Dr. Frank Verse und Hermann Diel erklären die Ausstellung für eröffnet ...

IHK-Präsident Dr. Christian Gebhardt mit seiner Frau

Sich ein Bild machen

Dylan hat seinen Song einmal "one long funeral song" genannt. Besingt er also die Apokalypse und das Ende? Ich meine, nein – denn es ist ja nicht der Teufel, der regiert. Der Song feiert auch all das Schöne, das unsere Welt zu bieten hat – nur eben nicht so lyrisch-romantisch wie Louis Armstrongs "What a wonderful world" (1967). Der Mensch regiert die Welt – und er bewahrt sie, oder er zerstört sie. Damit man weiß, was man tut, sollte man mit wachem Blick durch die Welt gehen und zuhören. Man muss sich der Welt öffnen und sie in all ihrer Farbe, Düsternis, Pracht und Schrecklichkeit so sehen, wie sie ist. Postfaktisch hilft uns hier nicht weiter, Nachdenklichkeit hingegen schon.

In meinen Ohren ist dieser Song traurig, nachdenklich und hoffnungsfroh zugleich – und auch eine Aufforderung, nicht einfach auf dem Sofa vor der Glotze zu sitzen und alles über sich ergehen zu lassen. "A hard rain’s a-gonna fall” schwelgt in Ambiguität. Man kann diesen Song unzählige Male hören, und je nachdem, wann und wie man ihn hört, kann man ihn als Aufruf, als Wachrütteln, als Reflexion, als Warnung, als Dystopie oder als Liebeserklärung verstehen: "I met a girl who gave me a rainbow". Den Regenbogen gibt’s nämlich auch bei Dylan, aber eben nicht umsonst. Ich verstehe den Song auch als Anweisung, niemals den Mut zu verlieren, sondern für das zu kämpfen, was man als richtig erkannt hat: "And I’ll tell it and speak it and think it and breathe it".

Susanne Jost mit ihrem Mann und Dr. Albert Post

Regisseur und Intendant Holk Freytag

Die in der Ausstellung gezeigten Werke deuten Dylans Song überwiegend apokalyptisch – greifen Krieg, Tod und Umweltzerstörung auf. Das liegt angesichts unserer Zeit nahe: Kriege in der Ukraine, im Gaza, im Kongo und im Sudan, um nur ein paar zu nennen – und ein Klimawandel, der längst nicht so weit oben auf der Agenda steht, wie er es angesichts der Dringlichkeit müsste. Manche Künstler greifen Textzeilen oder einzelne Worte auf. Andere fertigen Dylan-Porträts an. Dylans Kreativität mit Worten und Tönen setzt sich hier in Bildern und Installationen fort. Es ist eine beeindruckende Schau, am besten setzen Sie sich beim Rundgang gleich Kopfhörer auf und hören Dylan-Songs. Auch das ist eine Botschaft dieser Ausstellung: Kunst kann die Welt retten, wenn man sie lässt. Sie kann Augen- und Ohrenöffner, Synapsenerweiterung, Freudentaumel, Trauerbewältigung und Resilienztraining sein. Dafür sorgt auch das breitgefächerte Programm rund um die Ausstellung, die Sie noch bis zum 2. März besuchen können. (Jutta Hamberger) +++

Jutta und Hermann Diel

Arno Deutschländer

Anna-Elisabeth Härtel-Geise und Otto Geise

Oliver Estavillo

miho, Wounded in love and hatred

Anna-Elisabeth Härtel-Geise

Ehemaliger FZ-Chefredakteur Uwe-Bernd Herchen

Wolf Mihm, What’ll you do now?

INK, Blick in die Ewigkeit

Oliver Estavillo, A hard rain’s a-gonna fall

Peter Blum, Das Urteil des Paris

Bild links: Claudia Wiegard, Hard Rain // Bild rechts: Claudia Herz, A hard rain’s a-gonna fall ...

Leszek Skurski, 24.2.2022 – where souls are forgotten -

Clara Morgenthau, Diamonds of Life – what did you see?

Michael Apitz, The Prophet

Christine Hartmann, Memento Vivere (Gedenke zu leben)

Helme Heine, Hard Rain

Alexander von Pazatka Lipinski, Erwachet – der verlorene Mensch

Britta Jakobi, Abgefahren

Andreas Amrhein, No place to hide

Nina Sten-Knudsen, An afternoon at the beach

Nina Sten-Knudsen, A hard rain’s a-gonna fall

Frank Hiller, A hard rain

Wolf Mihm, What’ll you do now?

Peter Angermann, Kriegstüchtig


Über Osthessen News

Kontakt
Impressum
Cookie-Einstellungen anpassen

Apps

Osthessen News IOS
Osthessen News Android
Osthessen Blitzer IOS
Osthessen Blitzer Android

Mediadaten

Werbung
IVW Daten


Service

Blitzer / Verkehrsmeldungen Stellenangebote
Gastro
Mittagstisch
Veranstaltungskalender
Wetter Vorhersage

Social Media

Facebook
Whatsapp
Instagram

Nachrichten aus

Fulda
Hersfeld Rotenburg
Main Kinzig
Vogelsberg
Rhön