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Fühlt sich im Stich gelassen: der Künstler und seine "Spirale des Friedens" am "blauen Haus auf der Grenze" bei Rasdorf/Geisa ... - Fotos: Max Colin Heydenreich
04.07.05 - Rasdorf
Im Stich gelassen? Künstlerstreit um "Friedens-Spirale" an Point Alpha
Als bundesweit einziger Künstler, der seit 1976 hundert großformatige Gemälde auf Fassaden in ganz Deutschland geschaffen hat, dürfte Friedel Deventer eigentlich allen Grund haben, stolz auf seine - weithin sichtbaren - künstlerischen Erfolge zu sein. Gerade hat der 58-Jährige das hundertste überdimensionale Wandbild in Kassel der Öffentlichkeit vorgestellt. Ein profanes Trafohäuschen an der Berliner Brücke in Kassel erweckt du´rch Debventers opulente Bemalung die Illusion eines mediterranen Gewächshauses - und wird von den Kasselanern liebevoll "Tempelchen" genannt.
Doch eine noch ungeklärte finanzielle Situation macht Deventer schwer zu schaffen. Als am 17 Juni an Point Alpha in der Rhön Michail Gorbatschow, George Bush senior und Helmut Kohl ein Preis für ihre Verdienste um die deutsche Einheit verliehen wurde, hegte Deventer eher gemischte Gefühle bei der massenwirksam inszenierten Feierlichkeit auf dem ehemaligen Todesstreifen. Der 58-Jährige fühlte sich angesichts der auf mehrere hunderttausend Euro geschätzten Kosten für das spektakuläre Event schmerzlich daran erinnert, dass ihn die Realisierung seiner Skulptur „Spirale des Friedens“ in arge finanzielle Bedrängnis gebracht hat.
Die Schirmherren der Veranstaltung, die Ministerpräsidenten Hessens und Thüringens, Roland Koch und Dieter Althaus hat der Künstler jetzt schriftlich um Hilfe bei seiner – so wörtlich - „existentiellen Notlage“ gebeten. Im Schatten seines fast zehn Meter aufragenden gleichnamigen Windobjekts fanden die Würdigungen der drei Väter der Einheit statt: das dreiflügelig-rotierende Kunstwerk mit der Aufschrift „Frieden“ in deutsch, russisch und englisch hat Deventer im Auftrag des Trägervereins für das Grenzmuseum am ehemals „heißesten Punkt im Kalten Krieg“ geschaffen.
Im Mai vor zwei Jahren hat der bundesweit für seine Aufsehen erregenden Aktionen bekannte Künstler einen Vertrag vom auftraggebenden Verein „Point Alpha“ zur Gestaltung einer Skulptur als Friedenssymbol abgeschlossen. Sein Entwurf für die nach oben offene Spirale, deren Flügel mit der Friedensbeschriftung der Wind „gegen unendlich“ in den Himmel dreht, hatte ebenso überzeugt wie seine vorhergehenden Friedensprojekte: in Venedig streute er beispielsweise Körner in Form eines Peace-Zeichens auf den Markusplatz - die pickenden Tauben wurden so zu lebenden Friedensbotschaftern. Am 10.September 2004 wurde an Point Alpha die 15-jährigen Grenzöffnung zwischen Österreich und Ungarn mit den ehemaligen Außenministern Gyula Horn und Hans-Dietrich Genscher gefeiert und die von Deventer geschaffene Friedensspirale dabei der Öffentlichkeit übergeben.
Was dem Künstler jetzt nach eigener Aussage existentielle Probleme macht, sind 77.000 Euro belegbare Mehrkosten für sein Werk, auf denen er bis heute sitzen geblieben ist. Der Grund für die unvorhersehbare Kostenexplosion seien nachträgliche – und völlig überflüssige technische Auflagen des auftraggebenden Vereins Point Alpha gewesen, sagt er. Dabei fühlte sich Deventer, der schon entsprechendes Material gekauft und eine Fabrikhalle in Kassel angemietet hatte, für die stabile Statik seines Objektes bestens vorbereitet: „Bei der Konstruktion der Spirale in Leichtbauweise aus Polyester-Glasfaser habe ich einen erfahrenen Flugzeugingenieur konsultiert und die Stabilität im Windkanal der Uni Kassel von einem Hochschullehrer testen lassen.“
Doch das genügte dem mit der Bauaufsicht für das künstlerische „Sonderbauwerk“ beauftragten Ingenieur aus Thüringen offenbar nicht. Das Prüfgutachten des Statikers aus dem Wartburgkreis verlangte – anderthalb Monate nach Vertragsabschluss – eine tonnenschwere Stahlkonstruktion statt der Glasfaservariante. „Die Herstellung in Leichtbauweise wäre in zwei Monaten fertig gewesen – so habe ich für die geänderte Planung acht Monate dafür gebraucht und die anfallenden Kosten mussten mit vier multipliziert werden“.
Tatsächlich müsse er sich heute vorwerfen, sich als juristischer Laie ganz naiv auf die mündlichen Zusagen des Point-Alpha-Vereinsvorsitzenden Berthold Dücker auf Kostenübernahme und Nachfinanzierung vertraut zu haben. „Immerhin kennen wir uns seit zwanzig Jahren“. Von einer Öffnungsklausel , die man in so gelagerten Fällen in den Vertrag einbaut, um eventuell entstehende Mehrkosten abzudecken, habe er erst von seinem Anwalt erfahren, gesteht Deventer.
„Friedel Deventer ist ein genialer Künstler“, lobt Bertold Dücker – und lässt die Einschätzung seiner geschäftlichen Fähigkeiten lieber weg. Den Vorwurf, seine Versprechen auf Nachbesserung nicht gehalten zu haben, weist Dücker aber weit von sich: „Das ist seine Version“. Die statischen Auflagen habe doch nicht der Auftraggeber, sondern der Landkreis zu verantworten. Und der Aufsichtsbehörde sei Deventers Planung zu unsicher erschienen, deren Befürchtungen sich auch bewahrheitet hätten. „Hier oben auf der Kuppe beim Grenzmuseum herrschen besondere Bedingungen.“ Es seien im Windkanal erhebliche Mängel festgestellt worden: “Da wäre die Friedensspirale womöglich zerbrochen oder weggeflogen“. Schließlich habe man den ursprünglich vereinbarten Preis zweimal nachgebessert und immerhin knapp 100.000 Euro an den Künstler gezahlt.
Da die Finanzierung des Objekts aus Fördermitteln der Entwicklungsgesellschaft Südwestthüringen (ESW) stamme, habe man sich an den vorgegebenen Zeitplan halten müssen. Das Argument zählt für Deventer nicht: „Wenn das Kuratorium für Deutsche Einheit 150.000 Euro Preisgeld an Kohl, Bush und Gorbatschow aus großzügigen Spenden der Wirtschaft finanzieren kann, müsste auch mein Defizit ausgeglichen werden.“
Dücker sieht einen möglichen Ausweg aus dem Finanzstreit um das Friedensobjekt in der Erteilung von weiteren Aufträgen an Deventer. Das Kuratorium will den neu geschaffenen Point-Alpha-Preis auch in den kommenden Jahren am 17. Juni an verdienstvolle Personen oder Gruppen verleihen. Dafür könne er sich Deventers Friedensspirale gut als Symbol en miniature vorstellen. Das muss dann auch nicht im Windkanal getestet werden.+++