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REGION WIELOCHS WIRRE WELT (42)

Die Ampelfrau erobert Fulda: Hier wird die Würde mit Füßen getreten

29.08.14 - Seit wenigen Tagen gehört auch Fulda zu den bundesweit ersten Städten, in denen eine Ampelfrau mit Zöpfen und Rock die Fußgänger zum Anhalten oder Laufen animiert. Jahrelang hatten Politikerinnen und Feministinnen dafür gekämpft, dass die Ampelsignale nicht mehr ausschließlich maskulin angehaucht sind. Jetzt sind die ersten Frauen auf der Ampel, doch das Gemotze geht in die nächste Runde. Einige sehen die Darstellung der Ampelfrau als „sexistisch“ an. Die SPD-Fraktion Berlin Mitte plädierte etwa im Frühjahr dafür, „dass neben den bisherigen Ampelmännchen unter dem Gesichtspunkt der Gleichstellung von Menschen u.a. auch moderne selbstbewusste Ampelfrauen zur Regelung des Fußgänger- und Straßenverkehrs als Ampelzeichen dienen“. Bei der Umsetzung sei darauf zu achten, „einem Rollen- oder Sexismusklischee entgegenzuwirken. Die moderne selbstbewusste Frau trägt in der Regel keine Zöpfe und keine weiten Röcke“.

Unter diesen plausiblen Gesichtspunkten muss man festhalten: Pfui Teufel, wie sexistisch, wie frauenfeindlich, wie erniedrigend hat Fulda in der Ronsbachstraße gehandelt. Hier wird die Würde der Frau mit Füßen getreten. Die Ampel zeigt zwar keinen Mann, aber eine Frau, die – und das ist der Skandal – auch noch auf den ersten Blick als solche zu erkennen ist. Um Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen, hat die Barockstadt sofort reagiert. In den kommenden Wochen werden sämtliche Lichtzeichenanlagen sowie Schilder an Zebrastreifen und öffentlichen Toiletten im Stadtgebiet aktualisiert. Die „neue“ Frau trägt einen modernen Hosenanzug, eine selbstbewusste Kurzhaarfrisur und flache Schuhe. Und sieht damit exakt wie das bisherige maskuline Ampelmännchen aus. Der Vorstand der Feministischen Partei reagierte überwältigt auf das vorgelegte Ur-Piktogramm von 1925: „Endlich! Genau so wünschen wir uns das seit 30 Jahren.“

Wer die geschlechterspezifische Ampelfrage jedoch lediglich auf den Straßenverkehr reduziert, denkt kleinkariert und engstirnig. „An diesem Beispiel zeigt sich deutlich, dass auch Frauen sehr wohl in der Lage sind, Führungspositionen auszuüben“, hatte die frühere sächsische Sozialministerin die Ampel-Innovation bereits im Jahr 2005 kommentiert. Speziell Schülerlotsinnen im Raum Fulda dürfen deshalb nach den Ferien darauf hoffen, dass Jobhunter sie vom Zebrastreifen weg als Vorstandsvorsitzende für große DAX-Konzerne abwerben.

Auch der Lesben- und Schwulenverband Berlin-Brandenburg hat das neue geschlechterspezifische Ampeloutfit begrüßt. „Wir finden Maßnahmen gut, bei denen keine stereotypen Geschlechterbilder reproduziert werden“, sagte Geschäftsführer Jörg Steinert, stellte allerdings die mehr als nachvollziehbare Frage: „Wie will man Vielfalt zeigen?“ Recht hat er. Und mal ganz ehrlich: Wie beschissen müssen sich denn Menschen mit Migrationshintergrund, Rollstuhlfahrer, Kinder, Hunde, Katzen, Inliner und Skateboardfahrer, Zwillinge, Atheisten, Transsexuelle, Buddhisten, Muslime, Eskimos, Etrusker, Dicke, Dünne und Kleinwüchsige an der Ampel fühlen? Auf die nimmt hier doch kein Schwein Rücksicht.

Sie sehen, die Ampeldebatte steht noch ganz am Anfang. Da rücken Ebola und Terrorismus logischerweise schnell in den Hintergrund. Gut nur, dass zumindest Zwickaus frühere Gleichstellungsbeauftragte begeistert resümierte: „Ich hoffe, dass die Ampelfrau im Verkehr viel Aufmerksamkeit erregt. Vor allem bei Männern.“ Igitt, wie sexistisch und diskriminierend: Zumindest osthessische Männer schenken ihren Frauen auch ohne Verkehr Aufmerksamkeit… (Jochen Wieloch)

HINTERGRUND: „Wielochs wirre Welt" erscheint heute am 42. Freitag in Folge bei OSTHESSEN|NEWS. Jochen Wieloch (38) blickt dabei pointiert, humorvoll und teilweise mit einer gehörigen Portion Ironie auf die Ereignisse, die die Menschen in der Region und im Land bewegen. Der Petersberger kennt sich als selbstständiger Redakteur in den Medien Print, TV und Internet bestens aus, ist Buchautor und als Spezialist für Unterhaltungselektronik gefragter Autor für zahlreiche Verlage, Magazine und Fachzeitschriften. Außerdem berät und betreut der 38-Jährige Unternehmen in allen Fragen der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit. Neben dem ZDF, 3sat und dem Bayerischen Rundfunk arbeitete Jochen Wieloch unter anderem auch für die Motor Presse in Stuttgart und auto-tv in München. Für osthessen-tv.de stellt der Germanist neuerdings regelmäßig automobile Neuheiten in Filmbeiträgen vor. +++


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