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- Fotos: Gudrun Schmidl

HERINGEN/W. Pavillontheater Philippsthal unterwegs

"Theater macht Freude" - Mord und Totschlag auf dem Kaliberg

18.04.16 - Erna Petersen (Nina Marschner) ist nicht zu beneiden. Erst kürzlich hat sie als neue Wirtin mit Putzfimmel den „Salzbergkrug“ übernommen, den sie mit eiserner Hand führt. Ständig wedelt sie mit dem Mopp übers Parkett, sucht nach jedem noch so kleinen Staubkorn, aber noch mehr als die Sauberkeit liegt ihr die örtliche Laienspielgruppe vom „Bergmannsclub Salzberg“ schwer im Magen. Erna muss die alte Bühne im Saal, die sie am liebsten abreißen lassen würde, vertraglich gebunden für Proben und Aufführungen zur Verfügung stellen.

Monika Götte, Silvia Ochs, Herbert Janßen, Nina Marschner, Eila Vogel und Claus ...

Ute Janßen begleitete mit Live-Musik.

Das Philippsthaler Pavillontheater hat für die diesjährige Aufführung das Stück mit dem Titel „Theääterle macht Froid“ der Schweizerin Claudia Gysel leicht bearbeitet, um es in der hiesigen Gegend wirken zu lassen. Das ist bestens gelungen, denn nach der Premiere des Einakters am Freitag vor heimischem Publikum im Evangelischen Gemeindehaus in Philippsthal erfreuten sich am Wochenende auch die Besucher im sehr gut besuchten Martin-Luther-Haus in Heringen an den großen Veränderungen, die sich im Jahr 2080 dank großzügiger Subventionen aus Brüssel und Berlin im Werratal ergeben haben. Ein riesiger Freizeitpark zwischen Philippsthal und Heringen ist entstanden. Der Monte Kali punktet mit Sommerrodelbahn, Mountain-biking und Bungee-Jumping, die Touristen strömen in Scharen. „Davon träumt das Hersfelder Wortreich seit 70 Jahren“, sinnieren die Protagonisten auf der Bühne.

Auch Erna Petersen ist aus dem hohen Norden ins Hessenland gekommen, um ein Stück vom großen Kuchen abzubekommen. In bester Ohnsorg-Manier schimpft sie nun enttäuscht über Ärger, Krach, Schiet und Dreck und auf Chantal (Monika Götte), Martha (Eila Vogel), Anna (Silvia Ochs) und Erich (Herbert Janßen), die auch an diesem Wochenende proben, ohne auch nur eine Bestellung aufzugeben. Chantal Kwiatkowski, die Chefin der chaotischen Laienspielschar, ist chronisch unzufrieden mit den Leistungen ihrer Schützlinge und kriegt die Krise. „Nix ist am Klappen, der Text steht nicht“, schimpft sie, ihre Herkunft aus dem Ruhrpott nicht verleugnend. Ihre Schützlinge sehen das natürlich ganz anders. „Wir sind spitzenmäßige Theaterschauspieler, fast schon Profis und reif für die Bühne der Stiftsruine“.

Die Rettung des Theaterstückes naht in Gestalt des Starregisseurs Bruno Meyer (Claus Heymann), der zum Verdruss des Ensembles von Chantal engagiert wurde. Nun nimmt das einstündige Theaterstück richtig Fahrt auf mit Wortwitz, Verwirrungen und sechs Laienschauspielern, die als eingespieltes Team mit Spielfreude, perfekt eingesetzter Mimik, Gestik und einem guten Gespür für illustrative Szenenbilder für Heiterkeit sorgen. Während Bruno Meyer engagiert wurde, mit der Truppe Shakespeares „Romeo und Julia“ in sauberem und reinen Hochdeutsch einzustudieren, ist die örtliche Laienspielgruppe eigentlich das Stück „Im Land der weißen Berge“, von Chantals Cousin geschrieben, „am Üben“.

Die Balkonszene im 3. Aufzug („für einen Aufzug haben wir hier überhaupt keinen Platz“) wird zum Desaster. So einen saudummen Text wie „Es war die Nachtigall und nicht die Lerche“ hat die Laienspielgruppe noch nie gehört. Auch die Sterbeszene will nicht gelingen. „Im Werratal gibt es nur lustige Tote, die mit Spielzeugpistolen erschossen werden“, stellt Erich herrlich sächselnd klar. Eigentlich soll er Basti, den Betreiber der Sommerrodelbahn spielen, stattdessen müht er sich als Romeo mit der Strickleiter um den Hals beim Abschiedsbesuch bei seiner Julia (Monika Götte) um die richtigen Worte. Letztendlich stellt sich heraus, dass der sichtlich entnervte Starregisseur beim Pavillontheater in Philippsthal engagiert ist. Diesen Irrtum sehen die Mitglieder des „Bergmannsclub Salzberg“ als Zeichen, ihr Theaterstück aus eigener Kraft auf die Beine zu stellen. Endlich können Roman Montag (Eila Vogel) und Anna Montag (Silvia) auf dem Gipfel des weißen Berges ihre Eheprobleme durch Erschießen lösen.

Ende gut, alles gut, auch für Wirtin Erna Petersen, die an diesem Abend ihre erste Bestellung aufnehmen kann. „Shakes-Bier für alle“! Mit dem bekannten Gassenhauer „Schlag nach bei Shakespeare“, von Ute Janßen auf dem Akkordeon begleitet, verabschieden sich die sechs Protagonisten von ihrem begeistert klatschenden Publikum. Mit Wehmut, denn die „Salzbergtragödie“ war die letzte Aufführung in dieser Zusammensetzung. Das Philippsthaler Pavillontheater wurde 1993 gegründet und spielt prinzipiell Stücke, die Kinder und Erwachsene gleichermaßen ansprechen. Die Laienspielgruppe um die Gründungsmitglieder Eila Vogel und Monika Götte machte mit Paul Maars „Eine Woche voller Samstage“, Otfried Preußlers „Dummer Augustine“ und „Der kleinen Hexe“, einer Sketchparade sowie den selbst geschriebenen „Fabelhaften Geschichten“ in Philippsthal und weit über die Dorfgrenzen hinaus auf sich aufmerksam.

Gründungsmitglied Monika Götte steht ein Umzug bevor, Claus Heymann will sich vermehrt seinen eigenen Projekten widmen und auch Nina Marschner verfolgt neue Wege. Da waren es nur noch drei. Eila Vogel, Silvia Ochs und Herbert Janßen wollen auf jeden Fall weitermachen. Bestenfalls mit neuen Mitspielern, die Laienspieltheater auf hohem Niveau schätzen und gestalten wollen haben in dem Wissen: „Theater macht Freude“. Bei Interesse bitte unter [email protected] melden. (Gudrun Schmidl)  +++


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